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Interview: WARDRUNA
Titel: Lebensaufgaben

Als die Norweger 2009 mit ihrer sagenhaften Albumtrilogie begannen, markierte dies in Sachen Tiefe, Authentizität, Hingabe und letztlich Seriosität etwas bis dato so nicht Erlebtes. Spezielle Lieder, die den einzelnen Runen des Futhark und ihrer jeweiligen, althergebrachten Bedeutung gewidmet sind, sind seither entstanden.

Jetzt dürfen sich die eingefleischten Anhänger der spirituell ausgerichteten Gruppe um Mainman, Multiinstrumentalist, Vokalist und Hauptkomponist Einar ‚Kvitrafn‘ Selvik innig auf das Finale freuen. Und auf dem dritten Langwerk „Runaljod – Ragnarok“ gibt es einmal mehr den typischen und mystischen Wardruna-Folkloresound in Reinkultur.

Wie der passionierte Altertumsliebhaber, Musikant und Runenforscher Selvik erzählt, kommen auch seine beiden Sprösslinge nicht nur bezüglich musikalischer Neigungen ganz nach ihm.

„Im Stück ‚Odal‘ sind mein 13-jähriger Sohn und meine neunjährige Tochter zu hören. Wir haben schon länger darüber geredet, dass sie in einem Wardruna-Lied mitwirken möchten. Auch in meinen eigenen Gedanken ist der Wunsch danach schon länger existent. Wenn ich an die Odalsrune denke, ist das auch sehr sinnig. Denn Themen wie Familie, Erbe und Vermächtnis etc. hängen damit unmittelbar zusammen. Daher ergibt es einen Sinn, dass das Lied mit meiner Familie gemacht wurde. Es war wirklich stark emotional, das zu machen, und zwar für uns alle. Letztlich hat es aber hervorragend geklappt, niemand hatte Schwierigkeiten mit seiner jeweiligen Performance. Es sollte eben genau so sein.“

Wie Einar berichtet, musste er seine Kinder nicht extra dazu anleiten, sich mit derlei intensiver zu befassen. „Das entstand auf ganz natürliche Art und Weise. Das Interesse für nordische Historie, Überlieferungen, Brauchtum und Traditionen ist in meiner Familie immer schon vorhanden gewesen. Ich führe das gerne fort. Und meine Kinder wissen, dass wenn sie Fragen dazu haben, sie auch jederzeit damit zu mir kommen können. Sie wissen, dass ich es liebe, über solche Dinge zu sprechen. Wenn also hin und wieder solcherlei Fragen von ihnen kommen, dann geht es von ihnen aus und ich freue mich, ihnen etwas aus dieser Richtung beibringen zu können. Ich würde sie niemals dazu drängen.“


Apropos, im Lied „Wunjo“ ist ein Kinderchor zu hören, was eher untypisch für Wardruna ist. Einar lässt dazu mit wacher Miene wissen:

„Für mich stellt dies grundsätzlich zunächst einen sehr starken Ausdruck dar. Denn die zauberhafte Reinheit einer Kinderstimme stellt immer etwas Gewisses mit einem an. Dabei wird etwas frei, das sehr ausdrucksvoll ist. Es verleiht einem seriösen Anliegen noch viel mehr an Relevanz und Echtheit, wie ich finde.“ 



Letztere Aussage bezieht sich auch auf das, was der Wardruna-Kopf mit der Musik primär beabsichtigt und worüber er in seinen diversen Workshops immer wieder mit Leidenschaft referiert - nämlich, die Macht der Runen in sich zu aktivieren. 



„Gerade, wenn Kinder mit grenzenlosem Gefühl darüber singen, was aus der Asche emporsteigt, ist das schon wirklich magisch. Es war ein rundherum freudiges Erlebnis, das für die Ewigkeit zu konservieren. Und ich bin vollauf glücklich, wenn ich mir das so zusammen Erreichte anhöre.“


Und seine Familie gründete er zeitgleich mit Wardruna, was für Einar weniger ein Zufall ist. Er formuliert beschwörend klingende Worte:

„Mein Sohn erwuchs gerade im Bauch meiner Frau, als die ersten Aufnahmen zum Debüt vonstatten gingen.“

„Runaljod – Ragnarok“ wurde in seinem eigenen Fimbulljóð Studio aufgenommen und produziert, wie er zu Protokoll gibt.

„Ich schätze diesen Umstand sehr, denn für so spezielle Musik wie die von Wardruna brauche ich schließlich die bestmöglich passenden Vorraussetzungen. Im Fimbulljóð habe ich die nötige Ruhe, um mich voll und ganz, mit aller Muse, darauf einzulassen.“

Für gewöhnlich sind bei Wardruna auch Klänge von Holz, Steinen und anderen Naturmaterialien zu bestaunen. Wer die Inhaltsangaben des neuen Albums aufmerksam studiert, dem wird zu Augen kommen, dass diesmal sogar Eis-Perkussion Verwendung gefunden hat. Wie zu erfahren ist, ist das nicht einmal etwas grundsätzlich Neues.

„Hier in Norwegen gibt es einen Musiker namens Terje Isungset, der seit 1999 weithin dafür bekannt wurde, tatsächlich auf Eis zu spielen. Er stellt auch so einige Instrumente daraus her: Hörner, Xylophone und sonstiges, das sich daraus noch machen lässt. Man benötigt allerdings Eis mit einer relativ hohen Materialdichte. Manches Eis wurde dafür von eiszeitlichen Gletschern entnommen. Am besten geeignet ist ohnehin Eis aus den höheren Bergen, welches mit möglichst wenig Lufteinschlüssen etc. gefriert. Insbesondere Gletscherspalten enthalten hervorragendes Eis zum Instrumentenbau.“


Wer nun fragt, ob es schwierig ist, mit derlei Instrumentarium brauchbare Töne zu erzeugen, dem entgegnet Einar: „Ich persönlich sehe es so: Ich wollte das Eis zum Klingen bringen, also ist das Eis der Boss. Ich erachte mich dabei als Instrument. Das Eis macht daher die Regeln. Ich wollte lediglich einen Klang. Ich wollte keinen bestimmten Klang. Selbiges ist es, wenn ich Bäume verwende. Auf dem neuen Werk kommen Baumklänge vor, ich liebe es das zu hören.“

Als der Dialog dazu übergeht, welche Runen nun für „Runaljod – Ragnarok“ als Songthemen ausgewählt wurden, zieht der Mann die Augenbrauen hoch.

„Das wurde im Vorfeld entschieden, bevor es an die allerersten Demo-Aufnahmen ging. Ich entscheide stets aus verschiedenen Gründen, einer bestimmten Reihenfolge an Runen zu folgen. Man könnte sagen, ich folge einem differierenden System, eben weil es ein bestimmtes System dahinter gibt. Ich werde das aus persönlichen Gründen hier nicht vertiefen. Es ergibt für mich eben den meisten Sinn, es so zu machen wie ich es mache. Wenn ich die Geschichte der drei vertonten Runenfamilien in der regulären Reihenfolge erzählen wollen würde und sie dabei voneinander separieren würde, dann käme am Ende eine ganz andere Geschichte dabei heraus.“

Einar hatte vorab seine ganz eigenen Beweggründe und eine persönliche Vision, wie er noch anfügt. „Alle in Wardruna hatten dies. Als es für uns darum ging, das grundsätzliche Konzept von ‚Runaljod – Ragnarok’ zu Beginn zu meißeln, wurde es so entschieden, wie es nun geworden ist. Definitiv aus spezifischen Gründen, die aber unser Geheimnis bleiben werden.“ 



Da nun das Ende der Trilogie gekommen ist, liegt die abschließende Frage auf der Hand, ob und wie Einar mit der Formation weitermachen will. Der blickt frohgemut: „Auf jeden Fall! Es fühlt sich für mich an, als hätte es gerade begonnen. So werden noch einige Dinge geschehen, die ich mit Wardruna in der Zukunft verwirklichen möchte. Die Zeit wird es zeigen.“

© Markus Eck, 12.10.2016

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