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Interview: VARG
Titel: Hart am Wind

Bereits mit dem im Jahr 2007 von der straffen Leine gelassenen Debütalbum „Wolfszeit“ konnten sich nicht nur hochgradig enthusiastische Pagan- und Viking Metal-Verehrer davon überzeugen, dass auch aus deutschen Landen immer wieder verheißungsvolle Repräsentanten entschlossen an die Oberfläche dieser rauen Subkultur empor streben.

Und Varg, ganz eindeutig besessen bis aufs Blut von der eigenen harschen Nordmannsmusik, zollen ihrer abgrundtiefen Leidenschaft aktuell nun nicht nur in Form des neuen Albumtitels „Blutaar“ vollauf Tribut.

Auch die sich darauf so heftig entladenden Donnerkompositionen könnten inbrünstiger und verschlingender wohl nicht sein. Genau, das ungestüme Coburger Reißzahnrudel macht Sache! Und nicht lange herum gefackelt wurde auch in Sachen Sängersuche.

Denn Bandgründer, Gitarrist und Songtexter Freki stellte sich kurzerhand selbst vors Mikro. Das Resultat kann sich hören lassen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn man versteht seine ausgespieenen Tiraden überraschender Weise für diese Genre-Ausrichtung doch recht gut.

Eine weit abgeschiedene uralte wäldliche Blockhütte wird zum Zeugen unseres Zwiegesprächs, in welchem Freigeist Freki sich nicht nur zum neuen Varg-Album äußert.

„Die `Schildfront`-Split-Veröffentlichung kam bei den Fans super an, mit dem Titeltrack haben wir eine neue Livehymne kreiert und auch sonst hätte bis jetzt nichts besser laufen können, weder im Privatleben noch im Leben der Band“, raunzt der Kerl mir eingangs herzlich zu.

Für „Blutaar“ hat er als Bandgründer und Textschreiber nun auch die Vocals übernommen:

„Auf das Ergebnis bin ich sehr stolz und es ist einfach ein geniales Gefühl seine Texte beim Singen auszuleben! Da ich mich live vollkommen aufs Singen konzentrieren möchte, haben wir Skalli als neuen Freund und Live-Gitarristen für uns gewonnen. Nach einem kurzen Labelausflug zu Nuclear Blast haben wir mittlerweile in Noise Art/Rock The Nation einen genialen Partner gefunden der mit uns gemeinsam an einem Strang zieht und bisherigem Gegenwind ordentlich den Arsch versohlt hat“, gibt Freki laut lachend vor.

Das neue Motto des Trupps lautet „Viel Feind viel Ehr’“, worüber der Recke gerne Aufklärung gibt. „Wir schaffen es einfach immer wieder zu polarisieren, wir gehen unseren Weg, laufen gegen viele Mauern und das schafft natürlich einige Feinde. Doch wenn man sich selbst treu bleibt, zahlt sich das am Ende immer aus – in unserem Fall mit einer riesigen Menge an treuen Fans, die, ob Wind ob Sturm immer treu an unserer Seite stehen. Wir gehen unseren Weg, machen unser Ding und sind verdammt Stolz darauf!“

Beschäftigt sich einer wie er intensiv mit altnordischer beziehungsweise keltischer und germanischer Historie?

„Mittlerweile beschäftige ich mich nur noch mit der Gegenwart. Über die nordischen Göttersagen bin ich vor einigen Jahren auf das Wikingerthema gekommen, im weiteren Verlauf auf die alten Germanen beziehungsweise ihre Bräuche, ihren Glauben und Wertevorstellungen sowie das Heidentum an sich. Jedoch: Jeder muss seinen eigenen Weg finden, es bringt keine Zufriedenheit den Weg eines anderen zu beschreiten.“

Seine heidnischen Leidenschaften kultiviert der Gitarre spielende Vokalist in aller Besonnenheit:

„Ich setze um was ich für mich daraus gelernt habe, aber keineswegs als Religion. Ich gehe meinen eigenen Weg, lebe nach meinen Werten und daraus schöpfe ich immer wieder neue Kraft. Ein Leben nach ehrbaren Werten zu führen, sich selbst und seinen Freunden die Treue zu halten ist in unserer heutigen Gesellschaft leider in Vergessenheit geraten.“

Und was sagen seine Eltern dazu? „Ich denke sie sind stolz auf meinen bisherigen Weg, die Familie ist für mich etwas sehr wichtiges!“

„Blutaar“, also „Blutadler“, ja eigentlich der Inbegriff wikingischer Rache, ist ein sehr zum Nachdenken anregender Titel.

Und auch das Frontcover hat sehr große Symbolkraft – weit entfernt von der heutigen stetig ansteigenden Aushöhlung von moralischen Grauzonen.

Wie empfindet Freki selbst also die in unserer heutigen Gesellschaft leider immer stärker einher gehende, primär doch massenmedial listig verhetzend herbeigeführte soziale und geistige Zerspaltung der Menschen? „Die Medien spalten die Gesellschaft nicht, die Gesellschaft selbst spaltet sich. Nicht jeder Mensch ist gleich, das gilt es zu akzeptieren! Aber anders ist hier nicht gleichbedeutend mit schlecht! Stell’ dir eine Welt vor die nur aus blonden Topmodel-Weibchen und stylischen Uniprofessoren besteht … sie ist langweilig weil die Gleichheit der Gesellschaft keine Abwechslung bietet. Wer soll die Zeitungen dann verteilen auf denen die Topmodels abgebildet sind? Wer soll die Fotos machen und wer die Schreibblöcke herstellen, die in der Uni benötigt werden? Es ist gut dass es Unterschiede gibt und Fleiß beispielsweise noch belohnt wird! Solange man selbst dazu in der Lage ist sollte man das Beste aus seinem Leben machen, denen die es nicht können muss man helfen. Leider wird in unserer Gesellschaft zu vielen Arschlöchern geholfen und denen die es wirklich nötig haben oft nicht genug!“

Eine gute Freundin von ihm war die Muse für das von ihm hier nun so betitelte „Blutaar-Ritual“, so Freki.

„Das Albumkonzept basiert grundsätzlich auf dem Menschen, auf Erfahrungen, Werten und Gefühlen, wobei ich in den Texten einige Erlebnisse aus meinem eigenen Leben verarbeitet habe. Es ist das bisher persönlichste Werk von uns und das hört man dem Album auch in jeder Sekunde an, umso froher war beziehungsweise bin ich, diese Gefühle beim Einsingen selbst ausleben zu können!“

Der alte Varg-Schreihals Draugr hat laut Aussage von Freki wegen seinem neuen Beruf kaum noch Zeit für Privatleben und hat sich deswegen für einen Weg mit mehr Zeit für seine kleine Familie entschieden.

„Trotzdem sind wir nach wie vor super befreundet und werden uns jetzt vor Silvester auch mal wieder zum Feiern sehen! Da ich schon seit Bandgründung der Textschreiber bin und mein ganzes Herzblut in der Band steckt, war die Suche nach dem neuen Sänger natürlich nicht schwer. Im Nachhinein denken wir aber, es hätte alles nicht besser laufen können. Es ist ein klasse Gefühl diese Texte nun auszuleben und dass meine Stimme noch dazu wie die Faust aufs Auge passt kam zwar überraschend, aber freut uns natürlich riesig! Einen inneren Schweinhund hatte ich dabei nicht zu überwinden, es war nur vorher einfach keine Überlegung für mich gewesen. Aber so können sich die Dinge ändern!“

Und er macht sich doch sehr gut als Sänger. Und man versteht wie erwähnt auch, was er singt. Wollte er das denn genau so haben beziehungsweise hat er hierfür speziell geübt? Oder hat es sich einfach so ergeben?

„Danke für dein Lob! Mir war es wichtig, dass die Hörer unsere Texte verstehen, darauf habe ich besonders Wert gelegt – freut mich also, dass es sich also gelohnt hat.“

Solche Groll-Orgien kriegt man offenbar nur zustande, wenn man sich Ärger von der Seele singt.

„Es hängt immer vom Text und der jeweiligen Stimmung ab, im Studio habe ich teilweise sehr große Stellen in einem mal eingesungen weil mich das ganze Lied einfach gepackt hat. Das Lied `Seele` war beispielsweise so ein Kandidat. Es handelt vom Umgang mit dem Tod von uns nahe stehenden Freunden, aber auch blanker Hass ist deutlich auf dem Album zu hören – nämlich, wenn du beispielsweise `Alter Feind` anspielst, bei dem ich sogar hochrot angelaufen bin. Das Mitfühlen der Texte ist eine verdammt wichtige Sache, wenn man die Emotionen am Schluss auch hören soll und auf das Ergebnis bin ich mächtig stolz.“

Kennt mein Gegenüber gar überhaupt so was wie echten Frust?

„Nein. Frust ist ein Gefühl, dass mir wirklich fremd ist, für mich gibt es im Leben Lichter und Schatten: `Jedes Licht wirft einen eigenen Schatten, doch auch tiefen Schatten folgt immer das Licht`, heißt es im Song `Sieg oder Niedergang` vom neuen Album. Ich mache aus jeder Situation das Beste – solange du nie aufgibst und immer weiter auf deinem Weg schreitest wirst du deine Ziele erreichen, auch wenn der Weg dorthin nicht immer einfach ist.“

Er ist generell ohnehin ein sehr lebensfroher Mensch, seine Freunde und seine Familie bedeuten ihm viel, wie er bekennt.

„Live zu spielen ist für mich aber immer das allerhöchste der Gefühle, das bedeutet jedes Mal eine volle Stunde Gänsehaut pur, besser geht es nicht! Ich kann mir aber auch ganz alleine einen schönen Abend mit einem guten Film und ein paar leckeren Drinks machen. Auch für mich selbst Gitarre zu spielen bereitet mir jedes Mal ein breites Grinsen auf die Lippen“, entfährt es ihm mit verschmitzter Miene.

Zurück zum neuen Album – den Hörer erwarten 100 % Varg, so Freki. „Wir haben uns weiterentwickelt, unsere Stärken noch einmal ausgebaut aber klingen trotzdem unverkennbar nach Varg wie man uns kennt und liebt! Managarm und ich waren in erster Linie für das Songwriting verantwortlich. Sieben der elf Songs von `Blutaar` haben Managarm und ich innerhalb von nur acht Tagen geschrieben. Wir haben uns bei mir im Keller eingeschlossen und Tag und Nacht unserer Kreativität freien Lauf gelassen. Die Songs haben wir während des Songwritings gleichzeitig aufgenommen um sie später noch zu verfeinern. Dafür zeichnete sich Managarm verantwortlich, der glücklicherweise Tontechnik studiert. Nach den überwältigenden Resonanzen zu unserem Debütalbum `Wolfszeit` haben wir uns natürlich selbst enormen Druck gemacht und die Ziele sehr hoch gesteckt. Wir haben diese Ziele für uns aber mit dem Endergebnis noch einmal übertroffen, besser hätte es aus unserer Sicht also nicht werden können!“

Live-Auftritte 2009 auf Bühnen vor Publikum – wie empfand Freki diese?

„Die waren allesamt toll, ich möchte keinen einzigen davon missen! Die Highlights waren für uns das `Summer Nights` und die `Z7 Metaldays`! Wir werden im Februar und März 2010 gemeinsam mit Finntroll und Eluveitie die `Paganfest`-Europatour fahren, worauf wir uns schon sehr freuen. Außerdem werden wir einige Sommerfestivals spielen, man darf gespannt sein!“

Wir setzen uns noch kurz oberbegrifflich mit dem Genre Pagan Metal an sich auseinander.

Ich lamentiere vorab wieder mal ein wenig über die zunehmende Qualitätsverwässerung darin. Auch Freki kann nicht nur Gutes dazu vom Stapel lassen:

„Leider besteht die Pagan/Viking Metal-Szene zu großen Teilen mittlerweile aus belanglosen Bands, die keine eigene Botschaft vermitteln möchten, sondern die mittelmäßig einem Trend hinterher eiern, der in naher Zukunft vom Aussterben bedroht sein wird. Glücklicherweise gibt es noch geniale Ausnahmen wie beispielsweise Helrunar, die einen Tiefgang in ihrer Musik haben, wie man ihn nur selten findet. Außerdem fallen mir die Szenegrößen Amon Amarth ein, die ihren Weg seit Ewigkeiten gehen und verdienten Erfolg mit geiler Musik verbuchen.“

Und worin beziehungsweise in welcher Position sieht der Sangesmann Varg inmitten des Ganzen?

„Wir sehen uns nicht wirklich als Teil der Viking- beziehungsweise Pagan Metal-Szene. Wir machen wie gesagt unser Ding, egal, ob gerade Fell vom Hasen oder Schwert und Schild `in` sind. Das ist es, was uns ausmacht, wir sind nicht wie die anderen, ob man es mag oder nicht, man muss es akzeptieren“, gibt er mir dazu grinsend zu Protokoll.

In die Zukunft blickt der Varg-Frontmann erwartungsfroh: „Wir freuen uns auf eine große Anzahl geiler Auftritte, auf die Reaktionen zu unserem neuen Album und auf hoffentlich viele neue Fans denen unsere Werke etwas bedeuten! In diesem Sinne: Ich wünsche unseren Fans viel Spaß mit dem neuen Varg-Album – wir hoffen, ihr habt genauso viel Freude am Hören daran wie wir am Schaffen!“

© Markus Eck, 17.12.2009

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