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Interview: THULCANDRA
Titel: Perfekte Mischung

„A Dying Wish“ präsentiert die bayerischen Schwarzmetaller mittels ebenso intensiven und griffigen wie wunderbar schlüssigen Kompositionen. Das vierte Album macht sich als Nachfolger zum 2015er „Ascension Lost“ daher richtig prächtig.


Laut Vokalist und Saitenhexer Steffen Kummerer umfasst der aktuelle Dreher von Thulcandra eine große Bandbreite an Stimmungen, Stilen und Klangfarben.

„Wir bleiben unseren musikalischen Vorstellungen seit Jahren treu und arbeiten zielstrebig daran, innerhalb unseres gesteckten stilistischen Rahmens Alben zu liefern welche uns selbst wie der über die Jahre gewachsenen, loyalen Fanbasis zusagen. Unser neues Album lebt von einer gewissen rohen, ehrlichen Produktion sowie von Feeling und Unbedarftheit. Man hört eine Band, eine geschlossene Einheit von Musikern die gemeinsam an den zehn Stücken gearbeitet hat.“

Als ich dem Sänger zum Track „Scarred Grandeur“, der ein richtiger Oberknaller geworden ist, einen Glückwunsch ausspreche und frage, in welcher Stimmung man so ein Lied schreibt, kommt die Antwort sofort in aller Aufrichtigkeit.

„Mit niederschwelliger Reiztoleranz. Das Stück entstand aus einem Gefühl heraus, und im Vergleich zu anderen Songs des Albums, relativ zügig und spontan. Details wie Akustikgitarren und Gesangslinien wurden in zweiter Instanz während der Vorproduktion ausgearbeitet. In Summe eine ideale Mischung aus Herz und Kopf. ‚Scarred Grandeur‘ lebt von Dynamik und gerade innerhalb des langen Mittelteils von ausgeprägtem Storytelling.“

Düster, abgründig, weltflüchtig, aggressiv, mystisch, erhebend … alles Attribute der neuen Songs. Was sind Thulcandra eigentlich denn selbst für Charaktere - auch eher naturnahe, spirituell suchende Einzelgänger? Das wird viele Fans interessieren - und derlei Wissensdurst stillt Steffen:

„Als Personen sehe ich uns als unterschiedlich ausgeprägte Charaktere - Musik, visuelle Vorstellung und Proben wie Konzerte verbinden uns dagegen. Wir sind unterschiedlicher Natur, jedoch geradlinig und direkt.“

Nachfolgend kommentiert der Musiker die sechsjährige Thulcandra-Albumpause und die Relevanz des Faktors ‚Künstlerische Identität‘. „Seit unserem ersten Demo ‚Perishness Around Us‘ von 2005 schreiben wir Musik in einem vorgegebenen Rahmen ohne das Rad neu erfinden zu wollen. Mit nun vier Alben und einer in sich schlüssigen Diskographie, konsequenter visueller Ausarbeitung aller Artworks und Bühnenpräsenz können wir auf eine eigene originelle Identität zurückgreifen und uns daran orientieren. Thulcandra bestehen seit 2003 und haben sich seit dieser Zeit stilistisch keinen Meter in eine andere Richtung bewegt.“

Musikalisch müssen Arrangement, Harmonie und Rhythmus eine Einheit ergeben, proklamiert Steffen im Weiteren.

„Wir gehen dabei nicht analytisch vor, wir polieren nichts und verlassen uns in allen Punkten auf blankes Feeling. Ein Album muss musikalisch eine Geschichte erzählen und in sich schlüssig und flüssig vom ersten bis zum letzten Stück begeistern. Die Songs auf ‚A Dying Wish‘ wurden in ihrer Position der Trackliste entsprechend ausgewählt, um das Album am Stück zu genießen.“

Als musikalische Einflüsse, die in den neuen Thulcandra-Stücken ihre Facetten haben, werden einige Hörer Genre-Bekanntheiten wie Dissection, Sacramentum oder auch Unanimated ausmachen.

„Im Vergleich zum Vorgänger ‚Ascension Lost‘ finden sich auf ‚A Dying Wish‘ mit neuen Mitgliedern auch neue Songwriter die persönliche Einflüsse in die Band tragen. Die drei genannten Bands sind Teil der Bewegung in den 90ern die uns stark prägen, dazu zählen noch viele weitere Gruppen wie Vinterland, Dawn, Abigor und auch Immortal, um nur einige zu nennen.“

Die neuen Songtitel lassen auf poetischen und philosophisch orientierten Umgang mit den dunklen Aspekten des Daseins schließen … was also fasziniert den Frontmann am meisten an den lichtarmen Seiten des Lebens?


„Mit dem Tod unseres Bassisten Christian Kratzer hat uns das wirkliche Leben in seiner Tragik eingeholt. Neben dem Titeltrack ‚A Dying Wish‘ wurden einige weitere Texte davon geprägt und stehen im direkten Zusammenhang.“

Der tragische Tod von Christian berührt sehr. Steffen: „Viele Stücke wurden noch gemeinsam mit Christian erarbeitet oder in Teilen vorbereitet und vorproduziert. Interludien wie ‚Orchard Of Grievance‘ oder ‚In Bleak Misery‘ stammen von ihm und wurden aus den Sessions der Vorproduktion übernommen und von Dan Swanö aufbereitet, um sich in den Albumkontext einzufügen. Andere Stücke wie ‚The Slivering Silver‘ lagen als rohe Demoversionen vor die wir ausnotiert und abgeschlossen haben um das Album so abzuschließen als wäre Christian noch hier. Anstatt einen neuen Bassisten einzulernen, wurde das Instrument von uns selbst eingespielt.“

Als Band arbeiten Thulcandra seit vielen Jahren routiniert gemeinsam an neuer Musik und Konzerten. „Die größte Veränderung war die Hinzunahme von Dan Swanö der bereits mit Opeth, Bloodbath und Katatonia in der Vergangenheit großartige Alben produzierte. Die Aufnahmen in den FiveLakes Studios und der Klangfabrik Landshut verliefen reibungslos, der Mix und Master in den Hallen des Unisound Studios stellte sich als Glücksgriff heraus.“

© Markus Eck, 15.10.2021

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