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Interview: THEATRES DES VAMPIRES
Titel: Mitternächtliche Blutbekenntnisse

Wie schon in den vorangegangenen beiden Interviews beeindruckte mich ein Repräsentant dieser blutdurstigen Italiener auch in der aktuellen Befragung durch souveräne Statements und schier unerschütterlichen Vampirglauben.

1994 gegründet, hat sich das einfallsreiche Gruselensemble durch die Jahre hindurch zu einem sehr ernstzunehmenden Gothic Dark Metal-Schloßorchester gemausert, dessen bisherige vier Alben durch jeweilig sympathisch morbiden Charme und ausgeprägtes dunkelromantisches Flair von zeitlosem Reiz bestechen können.

Kürzlich verließ „Suicide Vampire“, der bleichhäutigen Langzähne fünftes Theatralikalbum, die mit Samt ausgelegten Edelsärge der wohl zu ewigem Leben verdammten italienischen Tagschläfer. Stellte sich mir bisher primär Tasteninstrumentalist Necros zum mitternächtlichen Spiritual-Dialog, so stillt nun Requiemsänger Alexander alias Lord Vampyr meinen durch das aktuelle musikalische Blutbekenntnis entstandenen Wissensdurst.

„Obwohl wir mit `Suicide Vampire` dieses Mal kein Konzeptalbum kreiert haben, verfolgt der Inhalt des Werkes doch eine anfängliche und weitergesponnene Idee. Diese handelt von der zu treffenden Entscheidung, ob man `heilig` und natürlich sterblich, schwach sein will oder das Böse, das Unheilige wählt und damit ewig weiterlebt, also die `Vampirentscheidung` trifft. Ersteres ist in unseren Augen eine regelrecht menschliche Selbstmordwahl, für welche Vampire sich eben nicht entschieden haben. Deswegen heißt das neue Album `Suicide Vampire`. Du kannst dir natürlich denken, für was wir uns entschieden haben“, flüstert der Vokalist zwischen Sarg und Deckel hervor.

„Jeden Tag, Jahr für Jahr zur Arbeit gehen, sich den ganzen Tag herum kommandieren lassen, danach seine Zeit mit aufgezwungenen sozial bedingtem Freizeitvertreib verplempern, Steuern zahlen, sonntags in die Kirche gehen, im Stadium Fußballspiele ansehen: Das ist nichts für welche wie uns. Wir entkamen diesem `Himmel` auf Erden und wählten das Vampirdasein. So haben wir vor der Gesellschaft unseren Frieden. Aber wie bei allem bezahlen wir auch einen Preis dafür“, verhallt auch dieses Bekenntnis in der eiskalten Gruft.

Nachfolgend von mir auf sein benötigtes rotes Lebenselixier angesprochen, fügt er krächzend hinzu: „Ich fühle es ständig, ich brauche Blut zum Leben. Nicht nur wir Vampire brauchen es zum `Leben`, auch ihr. Dieser köstliche Saft fließt ununterbrochen durch euch durch, ohne könnte keiner existieren. So auch wir. Blut ist etwas Machtvolles: Menschen kommen in Blut zur Welt, es hört erst beim Tod auf zu fließen. Frauen verwandeln sich während sie ihre monatliche Menstruation haben, mitunter in ihren Mitmenschen charakterlich völlig fremde Wesen. In diesem einen Punkt hat sogar die Bibel ausnahmsweise einmal Recht: Das Blut ist wirklich das wahre Leben in uns allen.“

Schon irgendwie gruselig, dieser Lord Vampyr. Eine weitere konsumierte Knoblauchzehe ermöglicht mir daher eine fortlaufend gefahrlose Fragestellung, welche im Weiteren die breite Anhängerschaft von Theatres Des Vampires in Erfahrung bringt.

„Überwiegend werden unsere Platten von Liebhabern des extremen Metal und Gothic Metal-Fans erworben. Doch haben wir auch Fans dazu gewonnen, welche normalerweise Bands wie beispielsweise Sisters Of Mercy, Das Ich oder Christian Death hören, alles Goth-Liebhaber eben. Für uns ist es das Wichtigste, daß die Leute anfangen zu kapieren, daß wir von Theatres Des Vampires keine Cradle Of Filth-Clones sind. Denn das wollen wir nicht und das haben wir auch nicht nötig. Wir spielen unsere Musik schon seit mehr als zehn Jahren. Wir kreieren zwar keinen Black Metal, aber eine extreme Form von Gothic Metal und wir haben eine extreme Attitüde, mit der wir unsere Songs versehen.“

Nur verständlich. Auch seine Freude über Folgendes: „In einigen amerikanischen Musikmagazinen stand bereits zu lesen, daß manche der dortigen Bands `wie Theatres Des Vampires klingen`, und das ist auch gut so. Denn nach über zehn Jahren sehr harter Arbeit an und in der Band fangen `sie` nun endlich an zu verstehen, daß wir in gewisser Sichtweise einmalig sind.“

Einmalig in der Musikwelt sind sie mit Sicherheit, diese zelebrierten Bösehymnen an die tiefe Nacht. Und in diesem Teil des Tages sind auch unsere Italiener am kreativsten:

„Natürlich verspüren wir des Nachts die größten und stärksten Inspirationen, wie man sich denken kann. Speziell unser Keyboarder Fabian alias Necros hat immer wieder Tausende von genialen Einfällen. Sobald er anfängt, Musik für uns zu komponieren, arbeiten ich an den Textzeilen dafür und die ganze musizierende Vampirtruppe zieht augenblicklich mit.“

Sehr interessant ist es abschließend zu erfahren, daß sich auch Vampire gerne gute Filme ansehen. Alexander nennt uns seine Faves. „Mein Lieblingsfilm ist nach wie vor `Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens` von Friedrich Wilhelm Murnau, welcher zweifellos ein wahres Filmgenie auf diesem thematischen Gebiet war. Auch `The Addiction` vom Regisseur Abel Ferrara mag ich sehr gerne, denn der Film legt exakt unseren wirklichen, den realen Vampirismus dar. Ein weiterer grandioser Film dieser Thematik, den jeder gesehen haben muß, der auf das Blutsauger-Genre abfährt.“

New Age-Movies wie „Blade“ dagegen werden von den Darstellern des italienischen Vampirtheaters mit gerümpften Kaltnasen verpönt. „Die sind amerikanischer Quatsch, wir hassen solchen surrealen Blödsinn, diesen ganzen `Buffy`-Vampirjäger-Mist. Das ist etwas, was wohl ganz gut ist für die amerikanischen Teenager, aber nicht für uns Europäer. Glücklicherweise herrscht in dieser Hinsicht ein riesengroßer Unterschied zwischen den USA und Europa.“

© Markus Eck, 10.01.2003

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