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Interview: THE RASMUS
Titel: In sich zuhause

Seit 1994 aktiv und dann für einige Jahre im heimatlichen Finnland schon mal beachtlich erfolgreich, gelang den facettenreichen Alternative Rockern erst 2003 der europaweite Durchbruch, was nicht wenig an einer gehörigen Dosis Verpoppung lag - ältere Semester werden sich noch gerne an den Hit „In The Shadows“ erinnern, der es damals sogar auf Platz eins der deutschen Musikcharts schaffte.

Das elfte Album mit dem als programmatisch zu verstehenden Titel „Weirdo“ als Nachfolger zum 2022er Output „Rise“ nun präsentiert den bestens bewährten Stil der Band um Sympathikus und Sänger Lauri Ylönen auf höchstem Reife-Level und dabei so spannend vielfältig wie durchgehend unvorhersehbar!

Lauri, der einige Zeit in den USA lebte und dort laut eigener Aussage für ihn mannigfaltig wichtige Eindrücke und Erfahrungen sammeln konnte, befindet sich zum Zoom-Date fürs Interview gerade zum Relaxen bei seiner Hütte inmitten abgelegen-malerischer finnischen Natur.

Inmitten von ausgelassenem Vogelgezwitscher ist zu hören:

„Ja, eine bereits lange andauernde Karriere liegt hinter uns, wir haben dabei so viel erlebt. Und auch diesmal hat sich wieder so einiges bei uns geändert, doch glücklicherweise ausschließlich zum Positiven! Ich kann aus eigenem Empfinden heraus nur betonen, wie ungemein wichtig es doch ist, das Ganze individuell für sich so angenehm wie nur irgend möglich zu gestalten, um durch echte Freude am Schaffen auch optimale Ergebnisse erzielen zu können. Ich gehe dabei sogar so weit, zu proklamieren, dass man als Bandmitglied bzw. als Künstler an sich ganz bewusst in gesundem Maße egoistisch denken und auch handeln sollte. Man hat sich zunächst mal voll und ganz selbst zu entdecken, damit geht es als ersten Schritt los.“ 


Wie Lauri mit bedächtigen Worten anschließend dazu wissen lässt, weiß er heute umso mehr von was genau er da so redet - schließlich erwägte er vor einigen Jahren gar, The Rasmus zu verlassen.

„Das war eine ziemlich anstrengende und immens verdrießliche Zeit für mich - es ging da um unseren früheren Gitarristen Pauli Rantasalmi, der die Band 2022 verließ. Er wollte so einiges nicht mitmachen, was ich im Sinn hatte - wie z.B. gemeinsames Songwriting mit Desmond Child - und auch über unsere Teilnahme am Eurovision Song Contest in dem Jahr war Pauli wirklich alles andere als begeistert. Das zog mich schon ziemlich runter, denn bei The Rasmus lief es immer eher familiär ab, da wiegen Unstimmigkeiten oder Disharmonie einfach vielfach schwerer.“

So ging eine Tür zu - und eine andere auf: Emma „Emppu“ Suhonen kam als Ersatz. „Ich konnte endlich wieder ‚atmen‘, es fühlte sich so großartig an. Mit ihr ist es so schön und erfreulich zusammenzuarbeiten, ich schätze sie neben ihren musikalischen Fähigkeiten auch sehr als Geist und als Charakter - Emppu ist bspw. engagiert im Tierschutz aktiv, was eine Menge über sie als Mensch aussagt.“



Die wiederholte Kooperation mit dem US-amerikanischen Star-Songwriter und -Produzenten Desmond Child erlebte Lauri einmal mehr als ein pures Vergnügen, aber auch wiederholt maximal interessant, (heraus)fordernd und insgesamt lohnend lehrreich. 



„Desmond ist über die Jahre seit unserem allerersten Treffen tatsächlich wie ein Vater für mich geworden, der Mann ist einfach rundum genial. Er wirkte bereits aktiv bei unseren Alben ‚Black Roses‘ und ‚Rise‘ mit. Für das neue Album taten wir zwei uns mit dem ebenfalls aus USA kommenden und ebenso hoch etablierten Songwriter und Produzenten Marti Fredriksen zusammen, um auf der griechischen Insel Folegandros am Songmaterial zu arbeiten - als ich dort ankam, hatte ich aber schon auch eigene, bereits verarbeitete Ideen für die Lieder dabei; es war eine klasse Zeit dort.“

Im Juli 2023 reisten Child und Frederiksen wiederum nach Finnland, um als Produktionsleiter im dortigen Studio Demos von allen fertig geschriebenen Kompositionen aufzunehmen.

„Sie arbeiteten und feilten die Songs im weiteren Verlauf dann bis zur Fertigstellung gemeinsam aus. Für uns als Band und Desmond ging die Reise dann nach Nashville, wo Fredriksens Sienna Studios stehen - hier nahmen wir das Ganze dann auch endlich auf. Abgemischt wurde ein Teil der Lieder nachfolgend von dem Kanadier Chris Baseford in Vancouver, dessen Arbeit man von Größen wie Nickelback, Shinedown und Daughtry kennt sowie von Claudius Mittendorfer in London, der primär mit innovativen Acts wie bspw. Panic! At The Disco Bekanntheit erlangte. In Los Angeles wiederum machte sich Joseph McQueen ebenfalls dahingehend ans Werk, um Stücken wie ‚Creatures Of Chaos‘ den nötigen Wumms und die erforderliche Intensität zu geben, die man von seinen Auftraggebern wie As I Lay Dying her kennt. Eine ziemlich internationale Gesamtproduktion also - aber es hat sich vollauf gelohnt, den ganzen Aufwand genau so zu betreiben“, kommt es dem Sänger milde schmunzelnd über die Lippen.

Als der Dialog zum Albumtitel „Weirdo“ übergeht, spricht sich Lauri Essentielles von der Seele. „Der Titel hatte ich schon länger in mir ‚am Köcheln‘ - und für mich selbst stellt diese oft abfällig gebrauchte Bezeichnung ein eher positiv klingendes Wort dar. In Amerika, wo ich die letzten zehn Jahre verbrachte, ist der Begriff im Gegensatz zu Europa eher schätzend und würdigend im Sprach- und Meinungsgebrauch verbreitet. Man tituliert damit ganz gerne gewissermaßen tapfere und bewusst individuell und eigenwillig agierende Menschen, die ein gesundes Selbstwertgefühl haben und die eben nicht unreflektiert ‚mit der Masse schwimmen’ - grundsätzlich also positiv aufgeladen, vor allem auch im kreativen Sinne bei Künstlern. Ich hatte im Laufe meines Lebens viel zu oft das Gefühl, mich für dies und das rechtfertigen zu müssen etc., und es ging mir nie gut dabei. Vor allem als Jugendlicher musste ich mich andauernd ‚Sonderling‘ und ‚Freak‘ nennen lassen, wollte mich aber umso weniger ändern, je mehr ich mit Derartigem, oft ziemlich verletzend, konfrontiert wurde. Ich blieb mir also in vielen tiefen Eigenheiten und Dingen treu - was sich als Segen herausstellen sollte, denn heute erachte ich genau das bewusste Anderssein als eine meiner absoluten Stärken. Ich interessiere mich daher auch immens für gleichgesinnte ‚Weirdos‘ und lasse mich nur gerne von solchen inspirieren.“



Als der bekennende Naturfreund das sagt, scheint er mit der strahlenden Sonne an dem Tag um die Wette zu lachen. So hat Lauri schon seit dem Beginn seiner Band immer wieder ambitioniert ganz bestimmte Songs über das Anderssein geschrieben, wie er sagt. „Denn dieser Kontext liegt mit seit jeher eng am Herzen - es ist also eigentlich schon immer die Hauptbotschaft von The Rasmus. Und es freut mich zutiefst, dass es jetzt zu unserem 30-jährigen Jubiläum ein Album mit so einem Titel gibt.“

© Markus Eck, 02.07.2025

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