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Interview: TANZWUT
Titel: Erneuertes zum Jubiläum

Den respektablen Würdigungstag der „Silbernen Hochzeit“ feiern bekanntlich nur noch die Allerwenigsten der jüngeren Ehen - umso schöner also, wenn Teufel und Konsorten mit einer neuen Veröffentlichung aufkreuzen, mit der 25 Jahre so (spiel)freudig gefeiert werden!

Ja, all die neu aufgenommenen Songs sind tatsächlich ein Fest für alle treuen Band-Nostalgiker. Die erfreulichen Medien- und Fan-Reaktionen zum letzten Studioalbum „Die Tanzwut kehrt zurück“ wurden im Lager der Berliner Formation begeistert registriert, so lässt Teufel rückblickend wissen.

„Vor allem haben wir es wirklich gefeiert, daß wir das erste Mal in den Charts auf Platz 11 waren. Die CD ist bei den Fans sehr gut angekommen und wir haben unglaublich viel schönes Feedback bekommen. Viele haben gesagt, daß es eine der wenigen CDs ist, die man insgesamt von vorne bis hinten anhören kann. Wir haben versucht die CD wie ein Live-Musikprogramm zu gestalten und das scheint uns auch gelungen zu sein. Wir konnten wirklich viele Titel davon auch in unserem Liveprogramm spielen. Unser Plattenlabel hat auch eine sehr gute Arbeit geleistet. Leider hat uns am Ende Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht und wir konnten keine Tour zum Album spielen. Das war sehr schade. Trotz allem sind wir sehr glücklich mit der CD und den Liveauftritten nach der Veröffentlichung.“

25 Jahre, ein Vierteljahrhundert - befragt, was in ihm vorgeht, wenn er innerlich eine komplette Zeitreise rückwärts zu den Anfängen macht, offenbart der Rotgehörnte:

„Als wir die neue CD aufgenommen haben, begaben wir uns schon auf Zeitreise. Die Gedanken schwelgen in Erinnerungen und viele Sachen tauchten in mir wieder auf. Es waren die guten und die schlechten Zeiten die wir mit Tanzwut durchlebt haben. Der Gedanke, Mittelalter Rock zu machen liegt ja einige Jahre vor dem Beginn von Tanzwut. Der erste Versuch war mit Feeling B. Mittelalter und Punkrock zu verbinden. Paul Landers schenkte damals Brandan eine Gitarre und das waren dann auch die ersten Versuche Rockgitarre und Dudelsäcke zu verschmelzen. Mit Michael Rhein war ich als Pullarius Forcillo fünf Jahre unterwegs. Mit seiner damaligen Band Noah probten wir die ersten Mittelalterrock-Songs. Solche Lieder wie ‚Ai vis lo lop‘ und die Ballade vom roten Haar sind aus dieser Zeit. Als wir uns trennten ging ich zu Corvus Corax und Michael Rhein gründete In Extremo. Ich begann dann mit Brandan in unserem feuchten Probenraum die ersten Songs für Tanzwut zu schreiben. Das ist jetzt mittlerweile über 25 Jahre her. Irgendwie der Wahnsinn.“

Zu seinen damaligen Eindrücken befragt, wenn er an die allerersten - größeren - Mittelaltermärkte Ende der 90er in Deutschland zurückdenkt, lässt der Musikidealist wissen:

„Wir haben ja schon vor der Wende in der ehemaligen DDR ein paar Jahre auf Mittelaltermärkten gespielt. Da liegen also unsere Wurzeln. Und einer der großen Veranstalter dieser Szene war Sven Erik Hitzer. Der veranstaltete in den neunziger Jahren jedes Jahr zwei Monate einen riesigen Mittelaltermarkt auf dem Potsdamer Platz. Damals standen dort noch keine riesigen Hochhäuser. Das war wie eine Welt für sich. Zwei Monate lebten dort die Händler und Musiker. Es bildet sich eine eigene ganz spezielle Welt. Später, als wir unterwegs waren, gingen wir dann auf Mittelaltermärkte die weniger Patina hatten und mehr geschäftsorientiert waren. Das hatte zwar auch seinen Reiz, war aber lange nicht mehr so ursprünglich wie einst. Wir haben versucht unsere Vorstellung von Mittelaltermusik auf diese Märkte zu projizieren. Das war manchmal sehr interessant, da wir hinter der Mauer - in der DDR - unsere eigene Vorstellung vom Mittelalter und der damaligen Musik entwickelt hatten. Es trafen also zwei Welten aufeinander. Heute hat sich vieles vermischt und ist dadurch sehr vielfältig geworden. Es gibt so viele unterschiedliche Bands, Gaukler und Spielleuten auf diesen Märkten und ich bin immer noch gerne dort unterwegs.“

Die Idee zu „Silberne Hochzeit“ und damit neu aufgenommene Songs zu veröffentlichen kam laut Teufel während der alles beherrschenden Coronapandemie auf. „Wir überlegten was wir machen könnten um unser 25-jähriges Tanzwut-Jubiläum zu feiern. Wir hatten gerade ein neues Album herausgebracht und daraufhin schwebte die Idee von einer Re-Recording-CD im Raum. Ich muss ehrlich sagen, daß ich diesen Gedanken höchst reizvoll fand. Und selbst da kamen schon viele Erinnerungen und Gedanken auf. In welchen Studios wir die ersten CDs aufgenommen haben beispielsweise … und verschiedene Geschichten wurden dann erzählt. Wir saßen lange und überlegten welche Songs infrage kommen würden. Wir beschlossen, nur Stücke aus den allerersten Anfangszeiten zu nehmen. Als ich die Songs zum ersten Mal wieder bewusst hörte, fühlte ich mich in jene Zeit zurück versetzt. Selbst mit unserer Plattenfirma NoCut bzw. Mono Inc. konnten wir Erinnerungen teilen. Sie waren damals bei unserer Labyrinth der Sinne-Tour noch als unsere Vorband unterwegs. Unglaublich.“

„Silberne Hochzeit“ - was hält jemand wie Teufel persönlich eigentlich vom Thema ‚Ehe‘, werden sich bestimmt einige fragen. Der sogenannte ‚Bund fürs Leben‘ und all die damit einhergehenden Klischees … man könnte sagen, das sei mittlerweile doch reichlich antiquiert. Es ist ja auch so vielfach zu erleben: Erst wird vor dem christlichen Altar pseudo-romantisch ewige Treue ‚geschworen‘, dann schwupps, geht es sogleich danach ab zum Notar, um einen sogenannten ‚Gütertrennungsvertrag‘ amtlich zu unterzeichnen. Als man vor Jahrhunderten im Schnitt nicht älter als 30 wurde, konnte man wohl leichter schwören, ‚bis das der Tod uns scheidet‘, oder?

Teufel bemerkt dazu breit grinsend: „Wenn du in einer Band spielst, ist das automatisch wie in einer Ehe. Und wenn ich zurück denke wie oft ich mich scheiden lassen musste, weiß ich, daß es nichts für die Ewigkeit ist. Ich persönlich bin ja für Vielweiberei. Dennoch, ich kenne alte Leuchten, die immer noch glücklich miteinander sind. Das Verhältnis untereinander verändert sich in Laufe der Jahre.“

Als das Gespräch zur aktuellen Songauswahl übergeht, lässt der Frontmann wissen: „Natürlich war es nicht einfach die Songs auszuwählen. Das geht mir aber jedes Mal so, auch wenn ich ein neues Programm für einen Bühnenauftritt mache. Wir beschränkten uns auf zwölf Songs. Da waren noch einige andere Favoriten von mir, die ich gerne dazu genommen hätte. Und sicher wird es Leute geben die sagen, ‚warum habt ihr denn nicht meinen Lieblingssong mit auf die CD gemacht?‘ Aber vielleicht gibt es ja beim 30. Jubiläum eine weitere Chance für ein solches Album.“

Tanzwut wollten die Stücke im neuen Glanz erstrahlen lassen, informiert Teufel. Mehr: „Die Arrangements sind so geblieben und wir haben versucht auch den alten Spirit beizubehalten. So, daß die Fans von damals noch einmal in Erinnerung schwelgen können. Vielleicht fragt sich der ein oder andere dabei wo die erste Begegnung mit Tanzwut war, welches Erlebnis sich damit verknüpft und so weiter.“

Beim neuen Einspielen der Stücke war er natürlich in seinen Erinnerungen gefangen, so bekennt Gevatter Rothörnchen.

„Konzerte und Tourneen, viele Begebenheiten, Studio und Geschichten, die das Leben schreibt. Mir wurde an dieser Stelle bewusst, daß wir 25 Jahre Rock'n'Roll gelebt haben. Ein Auf und Ab, ein Ritt durch Himmel und Hölle. Das ist die Achterbahn meines Lebens.“

Die Berliner Spielleute werden 2023 im Frühjahr - April und Mai - eine kleine Tour zum Album spielen und sind für viele Festivals im Frühjahr und Sommer gebucht. „Wir freuen uns sehr auf 2023! Im letzten Jahr konnten wir schon wieder fast zur Normalität als Musiker und Künstler übergehen und heuer gibt es dann endlich wieder eine Tournee zur CD. Laßt uns durchdrehen!“

© Markus Eck, 12.01.2023

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