Interview: | SALTATIO MORTIS |
Titel: | …halten den Spiegel direkt vors Gesicht! |
Für ihr neuestes und bereits neuntes Studioalbum „Das schwarze Einmaleins“ knöpften sich die ebenso wandelbaren wie anhaltend fleißigen Karlsruher Mittelalter Rocker diesmal auch einige ziemlich brisante Themenbereiche vor. Erreichten sie mit dem betont rockig angelegten 2011er Albumvorgänger „Sturm aufs Paradies“ gar das bislang erfolgreichste Ergebnis der gesamten Bandhistorie überhaupt, so war den Beteiligten rein gar nicht an einer einfach auf Nummer Sicher gehenden Wiederholung dessen gelegen.
Vielmehr, so Schlagzeuger und Lyriker Lasterbalk im aktuellen Zwiegespräch, gingen die Kerle der baden-württembergischen Populärformation in verschworener Gesamtheit nur zu gerne vor allem auf seine jüngsten, sehr sozialkritischen Songtexte ein, was allein schon viel frischen Wind in die Geschicke seiner Mannschaft brachte.
„Ja, so einige Songs bewegen sich eben ganz nach dem historischen Motto der klassischen Spielleute aus dem Mittelalter! Die ja bekanntlich überwiegend auch überhaupt nicht davor zurückschreckten, ja, es frech liebten, Missstände unverblümt und schelmisch anzuprangern, ganz gleich welcher Art. Ich teile diese Einstellung eigentlich schon immer grundsätzlich. Nachdem all der durch ,Sturm aufs Paradies‘ einhergegangene Trubel mir etwas mehr Zeit zum Philosophieren ließ, ging mir mal wieder durch den Kopf, wie übel es auf diesem eigentlich wunderbaren Globus doch um die Menschheit beziehungsweise über ihre Moral, über ihre Einstellungen und ihr Verhalten noch immer bestellt ist“, macht sich der sehr freigeistig empfindende Drummer Luft.
Als Grundlage für die instrumentelle Umsetzung des neuen Songmaterials verwendete der Rest der Band diesmal schlicht und einfach und nur zu gerne Lasterbalks Wortvorgaben.
Und das klappte reibungslos, so der Denker:
„Da die Jungs die aktuelle Weltlage und viele andere Dinge genauso kritisch und oftmals verärgert sehen wie ich, kam sozusagen eins zum anderen. Die Ideen sprudelten nur so aus ihnen heraus, als sie sich mit meinen Texten beschäftigten. Jeder konnte seinen Input dazugeben, die Band funktionierte schier perfekt, was den Werdegang des neuen Songwritings anbelangt.“
Er fügt dem Gesagten nahtlos an: „Es kommt einem beinahe so vor, als hätte rein niemand auf der Welt etwas in den letzten paar Tausend Jahren dazugelernt. Man braucht ja, um sich dessen zu vergegenwärtigen, nur ganz kurz einmal am Tag diverse Massenmedien wie Fernsehen, Radio oder Zeitungen zu konsumieren, um zu sehen, wie die reine Menschlichkeit immer mehr und scheinbar immer noch schneller den Bach runtergeht.“
So ist der aufmerksame Saltatio Mortis-Schlagwerker immer mehr verwundert darüber, wie er es benennt, wie wenige der zwischenmenschlichen Werte tatsächlich noch wirklich hochgehalten werden.
Er nimmt wiederholt kein Blatt vor den ehrlichen Künstlermund: „Ebenso finde ich es gleichzeitig schon wirklich schlimm, wie schnell mittlerweile nicht wenige wichtige Leute dazu gebracht werden können, sich und ihre eigentlichen Werte zu prostituieren! Ich ecke damit auch laufend an, wie ich ständig bemerke. Ich bin eben ein Mensch, der wirklich das sagt was er denkt, und dabei ist es mir halt auch ziemlich egal, wer mir letztlich dabei gegenüber sitzt. Wenn sich jemand wie ein Arschloch verhält, dann sage ich ihm das auch. Und dasselbe verlange ich auch mir gegenüber, also, dass man mich stets objektiv betrachtet, einschätzt und ebenso mit mir kommuniziert.“
Wie er dazu in aller Offenheit bekennt, hat Lasterbalk in seinem persönlichen Lebensverlauf wie wohl jeder andere auch schon selbst Situationen erlebt, in denen er nicht gerade durch Empathie auffiel.
„Darauf hingewiesen, mich danebenbenommen zu haben, hatte ich nämlich die wichtige Chance, mein Verhalten aus einer anderen Perspektive heraus zu überdenken und dazu zu lernen. Niemand von uns ist perfekt, ganz egal, wie viel Weisheit er auch vorgaukelt. Fehler sind ganz einfach menschlich, doch es sollte dann auch der Arsch in der Hose vorhanden sein, um sie dann auch wieder geradebiegen zu können.“
Und wie der Rhythmusmann laut eigener Aussage zu diesem Kontext jedoch auch noch zugeben muss, haben gewisse global agierende Interessenkreise das immer mehr entmenschende Kommunikationsverhalten des Homo Sapiens bewundernswert perfide in die Hand genommen.
„Schon wirklich verflucht gut gemacht, was da so alles aufzogen wurde, vor allem in den letzten zehn Jahren. Größtmögliche Ablenkung vom Wesentlichen und ständige Zerstreuung, darum scheint es denen zu gehen, welche die ,Meinungsfäden‘ in der mächtigen Hand halten. Strategisch einfach genial inszeniert und bis ins Letzte durchdacht. Auf gewisse Weise Segen, auf gewisse Art Fluch, alles in einem.“
So kommt die weltweite Raffgier vieler (arg)listiger Konzerngiganten und beängstigend rigide agierender Wirtschaftslobbyisten auf „Das schwarze Einmaleins“ wirklich alles andere als gut weg, wie der Stockschwinger erläutert.
„Vor allem der zweite Song auf der Platte, ‚Wachstum über alles‘ betitelt, bringt unsere große Abneigung gegen die rücksichtslose Profitmaximierung vollauf korrupter Industrieller zum Ausdruck. Die Musik dazu wurde von Alea, Frank, Luzi Jean und Samoel mit großer Begeisterung für das Thema geschrieben. Uns liegt daher vor allem dieses Stück und seine Bedeutung sehr am Herzen, weswegen es auch als Single aus dem Album ausgekoppelt wird. Und wir haben den Song auch ganz bewusst als Impulsgeber für ‚Das schwarze Einmaleins’ ausgewählt.“
Was viele ihrer Genrekollegen also doch nur allzu oft vermeiden, Saltatio Mortis stochern ebenso mutig wie tief darin herum. „Beispielsweise der dritte Track, ‚Krieg kennt keine Sieger’, haut eigentlich in genau dieselbe Kerbe“, so Lasterbalk, „für den die Musik von Luzi und Alea komponiert wurde.“
Doch konnte der Schlagzeuger seinen Jungs, wie er dem Gesagten gut gelaunt und mit besonnener Stimme nachschiebt, auch mit positiven Vorgaben zu großem Enthusiasmus im Probenraum verhelfen.
„Wir mögen zwar alle der neuen Songs, aber sehr viel Freude haben wir noch immer am fünften Track, ‚My Bonny Mary’, der auf einem alten schottischen Traditional von Robert Burns basiert. Wir haben es auf eine eigene Weise interpretiert, die sehr homogen zum Rest passt. Doch möchte ich auch ‚Randnotiz nennen, den letzten Song der neuen Scheibe, für den wir sogar keine Geringere als Emma Härdelin von der bekannten schwedischen Folk-Band Garmarna als Gastsängerin gewinnen konnten. Ich mag deren Musik sehr.“
© Markus Eck, 15.06.2013
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