Interview: | PATRIARKH |
Titel: | Opulente Orthodoxie |
In den vergangenen Jahren füllten diese Polen die Musikmedien ebenso viel mit begeistertem Lob über ihre faszinierenden Lieder als wie auch von anhaltenden Line-Up-Querelen und Band-Zwist mitsamt vielfältigen Schuldzuweisungen zu lesen war - irgendwann gab es dann auf einmal zwei Batushka-Bands.
Das Brodeln in der Gerüchteküche, es hörte und hörte nicht auf - bevor da irgendwann keiner mehr so recht durchblickte, ließ Bandkopf und Vokalist Bartłomiej „Варфоломей“ Krysiuk alles hinter sich und suchte den Neuanfang.
Letzterer wurde dieses Jahr dann auch mit Patriarkh gefunden - und das grandiose Konzept-„Debütalbum“, auf Deutsch „Prorok Ilja“ betitelt, tröstet so viel mehr als über alle verdutzten Gedanken hinweg. In seiner düsterfestlich-konspirativen Erhabenheit schier unglaublich sakraler, religiös-folkloristischer, vollmelodischer und damit betörend spiritueller Black Doom Metal, wie man ihn so derart kolossal, monumental, facettenreich und metaphysisch beseelt gar überhaupt noch nicht vernahm.
Wie es Варфоломей in der Audienz mit kontemplativer Stimme formuliert, stellen die gegenwärtigen Tage für ihn den Höhepunkt der arbeitsreichsten Zeit in der Geschichte der Band dar.
„Primär also ein bisschen Aufregung und Abwarten in einem, wie dieses Album ankommen wird. Kommende Live-Konfrontationen und Konzerte sind dabei das, was ich am meisten an dem mag, was wir tun. Ich bin somit ebenso gespannt, wie das ganze Album, denn so wie es ist, wollen wir es von Anfang bis Ende spielen, live wirken wird. Das ist das, worauf ich mich am meisten freue.“
Da ist dann also eine entsprechend zelebrierte Schwarzmetallmesse der inhaltlichen Superlative zu erwarten.
Auf den neuen Bandnamen angesprochen, nimmt die Miene des Mannes mildere Züge an.
„Man muss dazu primär wissen: Ein Patriarkh ist ein Priester mit einem höheren Rang als ein gewöhnlicher Batushka. Es ist also ein bisschen so zu verstehen wie eine ‚Batushka-Ordination‘ hin zu einem ‚Batushka-Upgreat‘, wo nachfolgend dann alles besser sein soll.“
Für seine Rückkehr hat sich Meister Krysiuk also nicht nur rein musikalisch „selbst ins Gebet genommen“, sondern der beharrliche polnische Spiritualist widmete sich mit seiner neuen Band auch einem zeitlosen Thema: Dem Werden, Sein und Vergehen eines sagenumwobenen Sektenführers - so geschehen in seiner Heimatregion Podlachien!
Thematisch dreht sich alles um die fesselnde Geschichte des titelgebenden „Propheten“ Eliasz „Ilja“ Klimowicz, welcher es in den 1930er und 40er Jahren in Krysiuks Heimatregion zum östlich-orthodox gesinnten Sektenführer brachte.
So richtet „Prorok Ilja“, das enorm tiefgründige Konzept-Debütalbum von Patriarkh, mit inbrünstigsten Black-Doom-Metal-Anrufungen den geistigen Blick zurück in die Zeit ab den 1930er Jahren, als es dem analphabetischen Bauern Eliasz „Ilja“ Klimowicz dort gelang, mit prophetisch inszeniertem Seelen-Magnetismus viele - spendable - Gläubige, Pilger etc. für sich zu gewinnen.
Zunächst auf den direkten Vergleich zwischen dem 2019er Batushka-Album „Hospodi“ und „Prorok Ilja“ angesprochen, stellt Варфоломей klar: „Das war etwas völlig anderes - ‚Hospodi‘ wurde als ‚Hit-Album‘ konzipiert, die Lieder darauf erschließen sich daher relativ schnell. ‚Prorok Ilja‘ hingegen ist als geschlosseneres, konzeptionelles Album angelegt, bei dem alles zusammenarbeitet - und diese Magie funktioniert, wenn man das Album kontinuierlich als Ganzes hört. Es ist ein viel schwierigeres Werk, komplizierter zu hören, aber das war auch die Absicht. Man muss dieser Musik Zeit widmen, man muss sich darauf einlassen, und das ist es, was wir in der Ära des sehr selektiven und fragmentarischen Musikhörens wollten - wir servieren damit einen ziemlich großen Riegel, der aber nur im Ganzen gegessen wird!“
Pastorale Theatralik
Mit der neuen Band wurde die Komfortzone, wie der Mainman es nennt, bewusst verlassen.
„Und damit das geschlossene, vielleicht etwas klösterliche Konzept, das Batushka charakterisierte. Patriarkh gab uns neue Möglichkeiten, uns zu entwickeln und in natürliche musikalische Bereiche vorzudringen, die mit der Orthodoxie verbunden sind, damit meine ich primär Folk und Ethno. Aber wir fügten auch unsere eigenen Elemente hinzu, symphonische und klassische Musik, sowie Elemente des Hörspiels und des Theaters. Es ist eine sehr vielfältige Musik geworden.“
Den Löwenanteil des Songwritings für das neue Material wurde von ihm mit Gitarrist Архангел Михаил erbracht, doch laut Варфоломей war es letztendlich eine Teamleistung.
„Jeder war für etwas verantwortlich und am Ende haben wir ein sehr kohärentes Werk. Wir sind in perfekter Symbiose verbunden, sowohl im Studio als auch bei Konzerten, wir sind sozusagen ein Organismus.“
Derartige Konzeptalben wie „Prorok Ilja“, die sich so interessiert und seriös mit historisch realen Ereignissen aus dem spirituellen und religiösen Bereich auseinandersetzen, sind in solcherlei anspruchsvoller und authentischer Weise selten so glaubwürdig umgesetzt worden.
„Bekanntlich schreibe ich in einer Band während des gesamten Prozesses immer alle Pläne zur kreativen Umsetzung vor - und hierzu muss ich sagen, dass es mir zum ersten Mal gelungen ist, 99 % davon umzusetzen, worüber ich verdammt glücklich und stolz bin. Was das Früher angeht, so muss ich zugeben, dass ich schon zufrieden war, wenn 70 % der fokussierten Ziele während der gesamten Phase erreicht wurden, aber dieses Mal war es ganz anders. Und, was die im Album enthaltene Geschichte betrifft, so reifte das Konzept mehrere Jahre lang. Ich sammelte in dieser Zeit viel an Material, besuchte Orte, die mit Eliasz Klimowicz in Verbindung stehen, las, studierte, analysierte, etc. - bis schließlich alles eine reale Form annahm und hier ist es. Alles war mir nahe und natürlich, ich bin schließlich selbst auch auf dem Land aufgewachsen und ich liebe diese Atmosphäre.“
Die aktuell vertonte Geschichte aus dem Sektenkultdorf Grzybowszczyzna ist sogar in ganz Polen bekannt, wie zu erfahren ist. „Ja, das geht weit, weit über Podlasie selbst hinaus. Als Teenager habe ich einmal das Theaterstück ‚Prophet Ilja‘ mit berühmten polnischen Schauspielern im Fernsehen gesehen. Seitdem lebt diese Geschichte in mir, und ich hatte einmal die Idee, dass es doch schön wäre, sie musikalisch umzusetzen. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis ich das gesamte Konzept perfektioniert hatte, und dies ist jetzt das endgültige Bild in Form eines Tonträgers.“
Spannend: Der Sänger stützte sich bei seinen Recherchen auch auf profunde Informationen von Leuten, welche Sektenmitglieder kannten. „Und ich habe mich auch in die Werke von Włodzimierz Pawluczuk vertieft, der die Sekte und auch die soziologischen Bedingungen jener Zeit in den 1970er und 1980er Jahren ausführlich beschrieben hat - Iljas Treiben wurde daraus ja in gewisser Weise ‚geboren’. Unsere Musik basiert auch auf einem Theaterstück von Tadeusz Słobodzianek. Die Orte, die mit dem Propheten in Verbindung gebracht werden, wie die Siedlung Wierszalin selbst, kenne ich auswendig, sie haben etwas Magisches, ja Märchenhaftes an sich. Ich bin hier in Podlasie geboren, das ist eine ganz besondere und sogar periphere Region Polens - so war es einfacher für mich, das alles zu verstehen und es dann in eine musikalische Vision zu übertragen. Letztlich ist es ein bisschen wie ‚Musik vom Ende der Welt‘, aber eben von unserem idyllischen Fleckchen hier.“
Noch faszinierender wird das Ganze, wenn man erfährt, dass niemand - auch nicht das Internet - eigentlich so ganz genau sagen kann, wie all die Jünger aus nah und fern damals ihren Herrn und Meister verloren.
„Nun, es gibt mehrere Versionen, wie die Geschichte des Propheten endete. Kein Mensch kann bisher bestätigen, was da wirklich geschah … Berichte besagen, dass er nach dem Einmarsch der Bolschewiken in Polen 1939 einfach erschossen wurde, andere sagen, dass er lebenslänglich nach Sibirien geschickt wurde und dort Verbrechen beging. In meiner Version der Story bringe ich ihn jedoch nicht um, sondern er wird auf einem brennenden Wagen in den Himmel gefahren, genau wie der biblische Prophet Elias, mit dem er verglichen wurde.“
Mindestens genauso spannend ist die Liste der speziell für das Album verwendeten Folkinstrumente wie Tagelharpa, Mandoline, Mandocello, Drehleier und Hackbrett - es muss aufregend und inspirierend gewesen sein, sie zu besorgen, zu erlernen und dann einzubringen.
Варфоломей nickt mit demütigen Augen: „Wir haben einige dieser Instrumente bereits auf der vorherigen Veröffentlichung, der EP ‚Carju Niebiesnyj‘ verwendet. Auf dem neuen Album entwickeln wir diese Instrumente einfach weiter. Sie waren aber auch ohnehin notwendig, um diese Geschichte angemessen präsentieren zu können. Wir haben dafür die Hilfe meines Freundes Marek Walczuk in Anspruch genommen, mit dem ich in den 1990er Jahren in der Band Dominium gespielt habe. Er ist fasziniert von Folk- und mittelalterlichen Instrumenten, hat ein riesiges Arsenal davon und spielt sie allesamt auch sehr gut. Als wir vor kurzem auf Tournee waren, beschloss ich, ihn mitzunehmen, um ein paar Shows mit uns zu spielen, und es hat live fantastisch funktioniert. Man kann Marek auch in dem Musikvideo zum Song ‚Wierszalin III‘ sehen. Er wird auf jeden Fall in Zukunft noch öfter bei uns zu sehen sein.“
Dass diesmal sogar mit einem Sinfonieorchester und umfangreichen Chören gearbeitet wurde, verleiht der Veröffentlichung den finalen sakralen Schliff. „Mann muss wissen: Dem liegt auch eine verkorkste Geschichte zugrunde. Wenn mir vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass ein Orchester zu Batushkas Musik hinzugefügt würde, hätte ich diese Idee gnadenlos ins Lächerliche gezogen. Aber dann kam die Zeit, als wir ‚Carju Niebiesnyj‘ aufnahmen und wir beschlossen, zu experimentieren und ein Orchester zu einem Song hinzuzufügen - der Effekt verblüffte uns schon gleich im Studio, es wurde großartig. Bei der Planung neuer Songs schwebte mir also ein Arrangement für ein Orchester vor, und hierfür habe ich auch ein Tandem von Kollegen, die sich tagtäglich mit solchen Dingen beschäftigen, im Rücken. Somit hat das sehr gut geklappt, sowohl was das Arrangement angeht als auch die Aufnahmen im Studio selbst waren ein Vergnügen. Der Effekt ist bereits sehr gut - aber ich denke, dass wir in Zukunft eine gar sensationelle Wirkung damit erzielen werden“, schließt der Rauschebärtige milde schmunzelt ab.
© Markus Eck, 20.11.2024
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