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Interview: OCEANS
Titel: Profunde Seelenkunde

Positiv außergewöhnlich in multiplen Belangen zu würdigen, können diese fähigen Newcomer mühelos mit ureigener Modern Extreme Metal-Stilistik überzeugen. Explosive Aggressionen und sehnsüchtige Visionen reichen sich dabei ständig die versöhnende Hand, so macht man aus dem Chaos Harmonie.

Die aufwühlenden Songs des Debütalbums „The Sun And The Cold“ fühlen sich sinnbildlich an wie ein verdammt intensiver, kantiger Schlag, der mit edel bestickten Samthandschuhen vollzogen wird. Tiefe Gefühle, echte Regungen, menschliche Ausbrüche sind das Ding der Band.

Die Einflussbandbreite ist beachtlich weit, doch Oceans verquicken sämtliche Ideen und Inspirationen so homogen und funktionell, dass es sich anhört wie aus einem einzigen Guss. Bassist Thomas legt die Formel kurz dar:

„Ich glaube, dass die Mischung verschiedener Stilmittel, die sich aus den musikalischen Vorlieben der Bandmitglieder ergeben, den Sound von Oceans ausmachen. Diese gehen zwar sehr weit auseinander, aber das stellt für uns kein Problem, weil wir das kanalisieren und unsere eigene Essenz daraus ziehen können.“

Wie Sänger und Gitarrist Timo ungezwungen offenbart, hat er sich in dieser Welt noch nie so richtig zuhause gefühlt.

„Ich bin auf dem Land aufgewachsen und dort habe ich mich eigentlich während meiner kompletten Jugend als Freak gefühlt. Ich war kein Einzelgänger, hatte eigentlich immer Freunde und eine durchaus behütete Kindheit in einem tollen Elternhaus, aber die Welt habe ich trotzdem nie so recht verstanden. Fairerweise muss man aber wohl sagen, dass mich wohl auch keiner so Recht verstanden hat. [lacht] Die aktuellen Zeiten sind da im Grunde nicht anders. Die Rahmenbedingungen haben sich gewandelt; Social Media hat unsere Gesellschaft maßgeblich verändert, aber im Großen und Ganzen denke ich mir nach wie vor die meiste Zeit ‚was zum Teufel mache ich hier eigentlich?‘“

Wie der Fronter weiter ausführt, war die erste EP „Into The Void“ ursprünglich gar nicht geplant - die Songs waren eigentlich für das aktuelle Debütalbum gedacht. „Das Release-Datum für das Album ist nach dem Label-Signing aber so weit nach hinten gerutscht, dass wir einfach etwas rausbringen wollten. Daher haben uns dann plötzlich vier Songs fürs Album gefehlt. Wir hatten zwar noch einige auf Halde liegen, aber keine, die ins Gesamtbild des Albums gepasst hätten. Also mussten in recht kurzer Zeit neue Songs her. Trotz des Zeitdrucks hat das wunderbar geklappt. Es ist einfach nur wunderschön zu sehen, wie kreativ wir zusammen sind. Damit war das Album wieder komplett, uns haben aber natürlich auch noch die Videos gefehlt. Auch da haben wir mit unserer großartigen Crew noch neue drehen können, die jetzt Stück für Stück veröffentlich werden. Da quasi alles was wir tun im Do-It-Yourself-Verfahren entsteht, zehrt das aber natürlich auch hier und da an den Nerven. Oceans als Ganzes ist wirklich das Ergebnis von richtig viel harter Arbeit, die wir aber mit enormer Leidenschaft gerne machen.“

Das gesamte Songwriting und Ausarbeiten des Materials für „The Sun And The Cold“ nahm circa drei Jahre in Anspruch, berichtet Axeman Patrick.

„Wir haben im Frühjahr 2017 angefangen, über die Gründung einer Band nachzudenken und der Entschluss wurde dann sehr schnell gefasst. Thomas und ich hatten für ein Projekt einige post-rockige Stücke geschrieben und Timo ist eigentlich immer am werkeln. Als er dann in Wien noch Jakob als Drummer gewinnen konnte, gab es kein Halten mehr - wir haben alles in einen Topf geworfen und angefangen gemeinsam am Material zu feilen. Dieser Prozess hält seitdem konstant an. Wir schreiben im Grunde immer an neuen Liedern.“

Laut Thomas wurde alles musikalisch Erarbeitete gemeinsam mehrfach gehört und grunddemokratisch entschieden, was für eine Veröffentlichung infrage kommt und was nicht. „Diese Songs wurden dann tatsächlich noch weiter akribisch ausgefeilt und teilweise sogar über Jahre hinweg immer wieder verfeinert. Neben dem fertigen Album sind daher also bereits einige weitere Songs geschrieben, auf die wir uns beizeiten stürzen werden, um unsere zweite Scheibe vorzubereiten. Aber jetzt geht es erst mal auf die Bühnen, um den Leuten unser Debütalbum zu präsentieren.“

Das völlig individuell erklingende, emotional so eindringliche Konzept seiner Formation kommt nicht von ungefähr, lässt Timo ergänzend wissen. „Jeder von uns hat auf die eine oder andere Art, ob nun persönlich, beruflich oder im privaten Umfeld, mit Themen wie Depressionen oder psychischen Krankheiten zu tun. Daher ist es nicht unbedingt oft eine sonnige Grundstimmung, die uns zur Kreativität treibt. Ich kann auch gar nicht anders. Wenn ich mich hinsetze und schreibe wird es einfach meist traurig. Alle diese Erfahrungen spiegeln sich in unserer Musik und unseren Texten wider. Dabei ist uns aber das größte Anliegen, Aufmerksamkeit für diese Thematik zu schaffen! Psychische Krankheiten sind keine Hirngespinste, nur weil man sie nicht sehen kann. Unsere Musik ist nicht nur eine Katharsis für uns selbst, sondern wir wollen allen die mit sich selbst kämpfen Kraft geben weiterzumachen.“

Konkret dazu befragt, was es seiner Ansicht nach erwähnenswertes Neues und Innovatives in der aktuellen Musik gibt, was so noch nicht bei Oceans zu hören war, gibt Patrick zu Protokoll: „Wir leben so ein bisschen den Spirit der 90er und vereinen Musikrichtungen, die auf den ersten Blick nicht so recht vereinbar sind. Aber es funktioniert! Die Songs sind trotz der konträren Stilmittel wie aus einem Guss, so finde ich. Wir machen Postrock ohne eine Postrockband zu sein und haben 90er Jahre-NuMetal-Einflüsse, ohne dass wir diesem Genre zuzuschreiben sind. Natürlich machen das einige andere Bands auch, aber ich denke unser ‚Rezept‘ ist am Ende doch sehr individuell. Ich finde vor allem die Mischung aus Timos tiefen Growls und seinem Clean-Gesang macht die Sache spannend.“

Songtexte, die ihm auf dem neuen Werk immer wieder ganz besonders unter die Haut gehen, gibt es durchaus, so Jakob:

„‚Hold my hand, all you want, though you try, you’ll never understand …’. Bei diesem Textteil von ‚Paralyzed‘ könnte ich jedes Mal wieder heulen. Er drückt für mich eine große und grundlegende Einsamkeit aus, die ich schon von frühen Kindesbeinen an kenne und die auch heute noch manchmal sehr schwer auszuhalten ist. Die Musik und die Band sind für mich wichtige Hilfen, um damit umzugehen.“

Patrick erzählt abschließend noch über seinen stärksten Antrieb, Musik zu machen:

„Wir durchleben gerade einen enormen Motivationsschub. Das Kreieren von etwas Neuem, ohne dabei Kompromisse eingehen zu müssen, gibt uns allen Aufwind. Wir machen Musik seit unserer Jugend und sind nach vielen Jahren im Business nun endlich angekommen. Oceans ist unser Hafen, in dem wir uns sicher fühlen. In dem wir uns ausleben können. Mit all unseren musikalischen Bedürfnissen, aber auch mit den Dämonen, die uns begleiten. Es ist ein starkes Gefühl, Musik mit einer positiven Message machen zu dürfen. Wir präsentieren die Dunkelheit in all ihren Facetten, ohne diese zu glorifizieren. Stattdessen wollen wir diese Dunkelheit besiegen. Wir wollen die Zuhörer ermutigen, gegen die Dämonen zu kämpfen. Diese Message, gepaart mit der Musik die wir alle lieben, dass ist es, was uns vorantreibt. Wir haben unendlich viel Spaß an dem was wir machen und ich denke, diese Ambition merkt man uns und dem Album auch an.“ 


© Markus Eck, 27.12.2019

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