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Interview: MYSTIC CIRCLE
Titel: Okkulte Ekstase

Niemand hatte nach all den Jahren der kalten Totenstille ihre Rückkehr erwartet. Geschweige denn ein so mächtiges neues Album!

1992 aus inbrünstig-ketzerischem Treiben entstanden, spielten sich die Schwaben mit ihren ersten drei Langspielern ebenso rasch wie massiv ins damalige Schwarzmetallgeschehen - wobei Mystic Circle mit ihrem voll ausgelebten Hang zur Theatralik nicht wenig polarisierten.

Nach ihrem eher schwachen 2006er Album zog sich Anführer Graf von Beelzebub mitsamt Mitstreitern zurück. Das ewige Aus schien unweigerlich satanisch besiegelt - bis mit „Letters From The Devil“ eine höllisch starke Vorab-Single überraschte.


Wie die Audienz beim dunkelgräfischen Mystikzirkler zutage bringt, haben ihn die okkulten Thematiken einfach nicht verlassen wollen. Der Vokalist und Tieftöner lässt wissen:

„Es fühlt sich richtig gut an, dass ich zusammen mit Drummer und Axeman A. Blackwar nun wieder am Start bin - wir sind tatsächlich die Gründungsmitglieder der Band. Die ersten drei Alben habe ich mit ihm zusammen geschrieben. Wir fahren beide nach wie vor voll auf das Dunkle, das Düstere, das Epische - aber auch auf Horrorthemen und entsprechende Filmmusik ab! Nicht zu vergessen spielt auch noch immer das klassische Heavy Metal eine ganz gewichtige Rolle in unser beider Schaffen. Die Melody-Lines der neuen Songs bewegen sich daher im klassischen Bereich des Genres - und erinnern dabei nicht selten an Iron Maiden.“

Auch in Blackwar köchelte die Flamme in den letzten Jahren immer heißer, was die Reaktivierung der Formation angeht. Beelzebub:

„Er wollte mich eigentlich schon vor circa zwei Jahren kontaktieren - verschob es aber laufend - bis er mich im Dezember 2020 schließlich doch konsultierte. Es folgte eine lange Unterhaltung, als er mich gleich am nächsten Tag dann mit seinen Ideen und Vorschlagen besuchte - worin wir auch erneut ausleuchteten, worum es uns beiden in Mystic Circle schon seit jeher ging, was der Sinn hinter der Band ist und was das kunstbildnerische Selbstverständnis darin ausmacht. Glücklicherweise gerieten wir schlagartig auf einen gemeinsamen Nenner, was aber ehrlich gesagt nicht allzu groß überrascht hat, denn wir denken beide in sehr vielen Bereichen ziemlich gleich.“


Gesagt, getan - nachfolgend wurden die neu entstandenen Stücke von dem Duo im Studio - zunächst als Demo - komplett aufgenommen. „Es ist einfach wie von selbst gelaufen, nach gerade mal vier Monaten hatten wir das Ding im Sack. Nachfolgend ging es für uns so richtig ins Studio, um die neue Platte sozusagen ‚auszuproduzieren’ - mit Keyboards, Samples, Sound-Effekten etc.“

Das Songwriting unterlag keinerlei bestimmten Kreativparametern, man ging es einfach motiviert an, wie zu erfahren ist. „Die alte Chemie stellte sich sofort wieder ein, es gab kein Halten und wir gingen voll nach vorne. Es lieft sogar so dermaßen gut, dass ich bereits jetzt schon wieder zwölf neue Mystic Circle-Songs in der Tasche habe! Es fließt eben wieder, ich kann es einfach nicht anders sagen.“

Zugute kam dem Ganzen, wie der Frontmann postuliert, dass er musikalisch nach wie vor sehr offen ist.

„Ganz geruht habe ich daher nie. Ich höre neben Metal ja auch ganz gerne Hardcore oder Punk - so habe ich beispielsweise auch in einer Punkband gespielt in der Zwischenzeit. Das machte mir Spaß, aber mehr brauchte ich irgendwie nicht mehr. So hätte ich bis vor eineinhalb Jahren auch gar nie damit gerechnet, dass ich wieder eigene Songs schreiben werde beziehungsweise, dass ich das überhaupt noch kann. Ich kann in dem Punkt auch für Blackwar reden, es kommt einfach aus uns heraus, was jetzt neu zu hören ist und auch noch zu hören sein wird. Es ist Inspiration pur. Wir zwei unterhalten uns auch immer wieder länger über dies und das - dabei haben wir uns im Zuge der Entstehung des neuen Albums auch felsenfest entschlossen, nichts mehr herauszugeben, hinter dem wir nicht hundertprozentig stehen!“


Seine 14 Jahre der kompletten Abstinenz vom öffentlichen Musikpodium hat Gevatter Beelzebub eher unbekümmert überstanden, wie er unumwunden bekennt. „Ich bin ohnehin kein Mensch, der sich gerne in Szenen gefangen halten lässt oder der sich einfach so und vorbehaltlos in selbige hineinbegibt. Ich denke, man wird da relativ schnell ein wenig festgefahren enden - oder gar nicht selten engstirnig, wenn man unbedacht eingleisig fährt. So versuche ich daher immer noch, in dem Kontext eher außen zu stehen. Ich bin im Grunde genommen ziemlich vielfältig und Old School zugleich - deswegen kann ich die Sache als Ganzes sehen. Als ich 2007 den ‚Cut‘ vollzog und mich aus dem Schwarzstahl zurückzog, war das ehrlich und echt. Genauso ehrlich und echt fühlt es sich es jetzt aber für mich an, wieder dabei zu sein - und, interessant und bestätigend für mich selbst zugleich: Ich liebe den Black Metal tatsächlich heute mehr denn je, weiß ihn gar heute mehr als je zuvor zu schätzen. Ich musste wohl Abstand gewinnen, um mich wieder so richtig annähern zu können. Das macht jeder anders, bei mir verhält es sich dahingehend halt so.“

Auf den erfrischend unverbrauchten, überzeugenden und wunderbar eingängigen Stil des selbstbetitelten Häretikermanifests angehauen, lässt der Kerl erfreut vom Stapel:

„Ja, Heavy Black Metal trifft es schon auch ganz gut. Wir wollten es einfach so klassisch und stimmig wie möglich haben. Dennoch, Black Metal mit seinen Facetten stellt für mich und Blackwar eine so große und vielseitige Kunstform dar, die uns einfach immens viel Freude bereitet. Ich bin der Ansicht, das letzte Statement erklärt den Stil und die Dynamiken der neuen Platte doch ganz gut.“

Was künftige optische Darbietungen von Mystic Circle anbelangt, so müssen die Fans bis auf Weiteres mit reinen Videoproduktionen vorlieb nehmen.

„Für uns ist die Entscheidung relativ rasch klar gewesen, wir werden - auch pandemiebedingt - so schnell nicht wieder auf Tour gehen, sondern uns rein auf möglichst aufwändige Musikvideos wie das zu ‚Letters From The Devil’ konzentrieren. Sollte es für uns noch mal eine Konzertreise geben, werden wir diese auf jeden Fall mit all unserer Erfahrung und all unserer Vorausschau so durchdacht und so akribisch wie nur irgend möglich planen. Wir haben jedenfalls Bock auf ein großes Spektakel - die Umstände müssen aber eindeutig günstig sein, wir wollen da ganz einfach auf Nummer Sicher gehen. Ganz in dem Sinne, wie wir nur noch einzig die Songs nach draußen kommen lassen, die gänzlich unsere Vorstellung entsprechen. Und an vorderster Stelle stehen demnächst ja ohnehin die Aufnahmen zum nächsten Album.“

© Markus Eck, 13.01.2022

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