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Interview: MY INSANITY
Titel: Schwer einzuordnen

Aus der schönen Lutherstadt Eisleben stammt diese wohl in allen künstlerischen Belangen ungewöhnliche Musikergruppe, die für ihr aktuelles drittes Album „Scattered Soul Puzzle“ erneut ausgedehnte Expeditionen in bisher weitgehend unbetretene kreative Pfade unternahm.

Dabei fanden die vier mutigen Teilnehmer wiederholt neue Ressourcen aus dem Gothic Rock-, Doom- und auch Dark Metal-Bereich. Wieder mit in den Probenraum genommen wurden aber auch zahlreiche elektronisch erklingende Fundstücke samt diversen Independent-Mitbringseln.

Gegründet wurde My Insanity im Frühjahr 1996, und ihr neuestes Klangwerk wirft so manche Frage auf. Einigen davon stellt sich die Band.

„`Scattered Soul Puzzle` ist eindeutig unser bisher bestes und eigenständigstes Album, da wir uns in keiner Weise an irgendwelchen Trends orientiert haben, sondern uns musikalisch als auch persönlich von nichts und niemanden beeinflussen ließen. Ich denke, nur so konnte es zu solch kaputten Mischungen aus Reggae und Doom kommen, wie zum Beispiel bei dem Song `Tiefenrausch`. Das gesamte Album entstand in unserem eigenen Studio, dem Out-Sane Studio, wo wir uns für ein halbes Jahr mit genügend Bier, Kippen und Kaffee eingeschlossen haben. Bis auf den einen Abend, an dem wir mit Sängerin Marie Therese Gabrowitsch den Song `Cocaine` aufgenommen haben. Man hört auf diesem Album Akustikgitarren, Drum`n`Bass-Beats und sogar Einflüsse von Elvis. Und es rockt trotzdem wie nie zuvor. Es ist wirklich alles von uns selbst produziert worden. Selbst für das Album-Cover war diesmal keine Grafikfirma, sondern ein guter Freund von uns verantwortlich“, legt Sänger Christian Faust zu Beginn der Unterhaltung los.

Rhythmusgitarrist Mario Ermisch resümiert zu diesem Kontext ebenfalls: „Die Aufnahmen haben uns unheimlich zusammen geschweißt. Wir haben manchmal bereits gegen halb fünf Uhr in der Früh angefangen, die Gitarrenparts aufzunehmen. Natürlich gab es dabei auch immer wieder mal Punkte der Uneinigkeit, aber die haben sich während der Aufnahme-Sessions meistens schnell wieder in Wohlgefallen aufgelöst. Es gab keine zeitliche Begrenzung, da alles in unserer Heimatstadt Eisleben passierte. Manchmal haben uns selbst Diskobesuche inspiriert.“

Auf „Solar Child“, das Vorgängeralbum von My Insanity, angesprochen, ergänzt Drummer Sascha Schettler: „Es war wie schon beim Debütalbum `Still Dreams In Violent Areas`, dass finanziell am Ende nicht viel dabei für uns heraus kam. Wir erhielten gute Kritiken aus aller Welt. Natürlich kann man es am Ende nicht jedem recht machen. Mir persönlich gefällt der Sound nicht besonders. Es war in der kurzen Zeit, die wir im Woodhouse-Studio verbrachten, leider nicht anders zu regeln. Es gibt gar ein paar Songs, die in diversen Ländern richtige Undergroundhits geworden sind, wie beispielsweise `Supervisor`. Bis auf `Some Days` sind die aktuellen Songs alle von Juni letzten Jahres 2004 bis zum Abschluss der Aufnahmen, im Dezember entstanden. Das `Gehirn` von My Insanity ist eindeutig Faust. Er sitzt stets an seiner Orgel und klimpert irgendwas vor sich hin. Dann sagt meistens irgendeiner von uns: `Wow, das ist geil`, und auf diesem Gerüst entstehen die meisten Songs bei uns. Somit ist Faust wohl der Meister in unserem Clan. Wir sind schon neugierig, wie die Leute unsere neuen Lieder aufnehmen werden.“

Und laut dem sich für das vorhergehende Kollegenlob höflich bedankenden Faust stellt ihre individuelle Musik für die Band primär die allerbeste Möglichkeit dar, jedes auch nur erdenkliche Gefühl, das in ihnen steckt, zum Ausdruck zu bringen:

„Um nicht jede Woche zum Psychiater zu rennen, versuchen wir uns auch nicht an einer speziellen musikalischen Richtung zu orientieren. Das Gefühl, welches die ganze Band hat, wenn ein neuer Song für uns großartig erscheint, ist unbeschreiblich und treibt uns wahnsinnig an. Der Sänger hängt dem an, wiederum seinen Mitmusiker Sascha beschreibend: „Für die lyrischen Belange ist allein unser Drummer Sascha verantwortlich. Er lässt sich dabei von der Musik inspirieren und versteht es auf einzigartigartige Weise, eine Verbindung zwischen Musik und Text zu erschaffen.“

Der Schlagzeuger, auf den Plan gerufen, hierzu: „Am Ende macht sich jeder sein eigenes Bild von den Lyrics, aber auf `Scattered Soul Puzzle` halte ich mir und dem Rest der Welt den Spiegel vor das Gesicht. Ob es jemanden interessiert ist mir egal. Es ist mein persönliches Statement zu dieser komischen Zeit in der wir Menschen uns momentan befinden. Keiner weiß wie es morgen mit der Welt weitergeht, aber trotzdem, jeder denkt nur noch daran seinen eigenen Arsch zu retten. Vielleicht mache ich das ja unbewusst auch; das macht mir Angst. Wir träumen doch alle von einer besseren Welt, aber wir machen im Endeffekt nichts dafür.“

Die musikalische Vielfalt von My Insanity ist dermaßen enorm, dass sich Axeman Mario dazu äußern musste, was seiner Meinung nach einen wirklich guten Song auszeichnet. Er stellt fest: „Wenn man beim Hören nachfühlen kann, was der Song vermitteln will, das stellt meines Empfindens nach einen guten Song dar.“

Laut Kehlenakrobat Faust hat der sprunghafte Eislebener Vierer beim Songwriting für „Scattered Soul Puzzle“ eigentlich keine speziellen Ziele verfolgt. „Wir wollten unseren Fans ein interessantes Album bieten, welches so abwechslungsreich ist, dass man nicht schon nach dem Lesen des Musikstils weiß, was einen erwartet. Und es ist definitiv kein reines Gothic Rock-Album geworden. Wir denken, es ist noch viel schwerer einzuordnen als die ersten beiden Alben. Es existieren aktuell eine ganze Menge musikalischer Unterschiede zu unseren früheren Kreationen, da wir im Laufe der Zeit noch offener und unabhängiger von anderen Musikrichtungen geworden sind. So sind selbst Punk-Parts oder Akustikballaden auf diesem neuen Album vertreten und trotzdem klingt es nach wie vor nach My Insanity. Dieses ganze Album ist für mich außergewöhnlich, zu meinen Song-Favoriten zählen unter anderem `Tiefenrausch`, `Some Days` oder `Three Monkeys`. Wobei mir das Stück `Wake Up… Prisoners!` durch seine eigenartig positive Stimmung schon auch sehr am Herzen liegt“, so der Vokalist.

„Ich bin von den Keyboards ans Schlagzeug gewechselt und habe dabei meine allererste Platte an den Trommeln eingespielt. Es war auch das erste Mal, dass Faust sich als Produzent bewährt hat, und das verdammt gut, wie man hört. Diese Aufnahme hat uns als Menschen und als Band zu einer wunderbaren Gemeinschaft reifen lassen. Das macht mich und die anderen Jungs wahnsinnig stolz“, bringt Schlagwerker Sascha mit erfreuter Miene zutage.

Ihn löst hier erstmals Bassist Tobias Below ab, Bezug nehmend auf die privaten Hörgewohnheiten des Quartetts:

„Bei dem Fakt, das wir alle extrem unterschiedliche Musik hören, ist es überhaupt verwunderlich, dass wir am Ende zu einem Stil finden. Unser Gitarrist Mario zieht sich Bootsy Collins rein, das sagt glaube ich schon alles. Ich persönlich steh mehr auf Nin Inch Nails, Tool und den ganzen Kram aus dieser Richtung. Faust mag Tori Amos und Sascha steht auf Death Metal und Sido.“

Das anfänglich angesprochene Cover-Artwork wurde nochmals Gegenstand des Gesprächs, Faust expliziert: „Das Artwork stammt von Thomas `Chess` Szczesny. Er ist ein guter Freund von uns und sehr talentiert. Wir haben ihm unsere Visionen vom `Scattered Soul Puzzle` geliefert und er hat sie umgesetzt. Das Frontcover hat unser Label aber noch einmal abgeändert. Die neue Version war im ersten Moment eher unpassend für uns, aber wenn man sich daran gewöhnt hat, ergibt es einen Sinn.“

Wie Tieftöner Mario weiter berichten kann, holen sich My Insanity für Live-Gigs noch einen Gastgitarristen namens Thorsten `Hollie` Hollstein an Bord. „Sodass wir die Songs so nah wie möglich am Original spielen können. Wir sind immer auf der Suche nach der perfekten Kombination aus Show, Sound und Licht. Unsere Songs kommen live viel härter als auf Platte rüber, um dem Publikum die Energie, die wir in die Alben stecken, auch live abzuverlangen.“

Pläne für die nähere Zukunft gibt abschließend Faust preis: „Wir wollen natürlich noch ein paar Alben auf die Menschheit loslassen und so viel wie möglich live spielen, weil das immer noch das Beste am Musikmachen ist.“

© Markus Eck, 22.09.2005

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