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Interview: KORPIKLAANI
Titel: Mit ganz viel Gefühl

Ob die spielfreudigen Waldmänner um Sänger Jonne Järvelä sich einen Zaubertrank brauten, der ihnen gesteigerte Kräfte verleiht, kann nicht gesichert verkündet werden.

Doch die überraschend druckvollen und schier grenzenlos quirligen Songs des neuen, zackigen Albums „Jylhä“ lassen zumindest darauf schließen. Wie Sami Perttula, seit 2013 Akkordeonist in der durstigen Horde, berichtet, fühlt sich das Ganze trotz der dynamisch-ungestümen Ausbrüche vollauf natürlich an.

„Jedes Mal, wenn wir Aufnahmen beendet haben, fühlt es sich für uns so an, als hätten wir das beste Korpiklaani-Album aller Zeiten gemacht. Auch ‚Jylhä‘ fühlt sich wie das vollständigste Werk an, das wir gemacht haben - und ich kann ganz ehrlich hinter meinen Worten dazu stehen. Die Songs sind ebenso klar wie eingängig und auch die Arrangements sind gut gemacht. Es ist ein Album mit hoher Qualität. Es ist einfach das Ergebnis dessen, dass wir diesmal sehr viel Zeit mit Demos und Arrangements verbracht haben.“

Selbst der Gesamtsound knallt diesmal um einiges fetter aus den Boxen - auch Sami freut sich:

„Dafür zeichnet Janne Saksa verantwortlich. Er ist auch als Produzent für die Folk Metaller Turisas sowie die beiden Thrash-Bands Stam1na und Mokoma unter vielen anderen bekannt geworden. Es ist angenehm einfach, mit Janne zu arbeiten und alle unsere Aufnahmesessions mit ihm sind wirklich reibungslos verlaufen.“

Korpiklaani wollten nach dem 2018er Vorgänger „Kulkija“ primär ein energiegeladenes und schnelles Album machen, so der Tastenkönner.

„Gleichzeitig wollten wir dafür auch besser sein als je zuvor, das stand schnell fest für uns. Wir haben mit Samuli Mikkonen seit 2019 einen neuen, hochqualifizierten Schlagzeuger, der keine Beschränkungen zu haben scheint, was die Art von Songs angeht, die wir mit dieser Band schreiben können. In dem aktuellen Line-Up existiert somit viel mehr Freiheit für musikalische Ideen.“

Als mit eines seiner wichtigsten Erkenntnisse aus dem Entstehungsprozess zum neuen Release nennt der Finne, dass der Begriff ‚Alter’ für ihn wirklich nur eine Zahl ist. „Auch wenn man diese Band als Veteranentruppe bezeichnen kann, so ist es schön zu hören und zu sehen, dass jeder darin immer noch große Lust hat, Musik zu entwickeln und als Musiker vorwärts zu gehen.“

So dominieren neben den gemächlicheren Teilen sehr lebendige Songs, was laut Sami eben an der speziellen Art und Weise liegt, wie Jonne Lieder schreibt beziehungsweise wie unterschiedlich seine eigene Musik in ihm selbst jeweils ankommt.

„Anfangs stand sogar die ursprüngliche Idee im Raum, ein schnelles und härteres ‚Painkiller‘-Album zu machen, wegen des neuen Einflusses von Samuli - aber der erwünschte Fluss der Songs endete mit dieser einen Art von Emotion viel zu schnell. Es war dann zu dem Zeitpunkt bereits auch klar, dass das Grundthema der neuen Texte düsterer werden würde. Wir schreiben Kompositionen einzig so, wie wir uns gerade fühlen, lassen sozusagen einzig die Musik selbst aus uns heraus sprechen und komponieren nicht, wie wir denken, dass es sein sollte. Der allererste Song, der für ‚Jylhä‘ geschrieben wurde, war ‚Niemi‘, welcher schnell und schwer ist.“

Landsmann Tuomas Keskimäki von den Melodic Black Metallern Hiidenhauta hat auch aktuell die Lyriken für Korpiklaani geschrieben, so lässt der Akkordeonist verlauten. „Und diese sind ja wirklich um einiges schwerer als dies in ‚Kulkija‘ der Fall ist. Trotzdem ist die Musik dazu immer erhebend und kraftvoll, selbst, wenn viele der neuen Themen von Morden und Depressionen handeln, welche auf finnischer Folklore und alten Erzählungen basieren. Ich persönlich mag es, wenn Geschichten hinter den Texten stehen, so etwas kann einem Song eine völlig neue Bedeutung geben, wenn man selbst den Kontext kennt.“

Die härtesten und schwierigsten Passagen im bewältigten Songwriting-Prozess beschreibt der fingerfertige Klimpermaxe mit einem breiten Grinsen:

„Ich denke, es ist in etwa dasselbe, als wenn man versucht, einen schweren Gegenstand von einem Ort zum anderen zu bekommen - nachdem man ihn erstmal in Bewegung gebracht hat, ist es nicht mehr so schwer, ihn zu schieben. Damit meine ich im Genaueren, dass es wichtig ist, zuerst in den Song hineinzukommen. Ich sehe Lieder tatsächlich als menschliche Wesen an, die verschiedene Persönlichkeiten und Bedürfnisse haben, somit ist es für mich persönlich am schwierigsten, den ganz eigenen Charakter hinter beziehungsweise in einem Song restlos zu verstehen.“

Im Zuge dessen fällt auch sein Statement zu speziellen musikalischen Einflüssen, die im neuen Material eventuell zu hören sein könnten, einzig völlig individuell aus. „Für mich selbst versuche ich, das gleiche Gefühl einzufangen, als wenn man zum ersten Mal interessante Musik hört und sich gleich in das verliebt, was man da hört. Das hebt im optimalsten Falle den Adrenalinspiegel, lässt das Herz schneller schlagen und verursacht verschiedene Arten von Emotionen, die sich größer anfühlen als die Realität!“

© Markus Eck, 15.01.2021

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