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Interview: INSOMNIUM
Titel: Selbsteinsichten

Diese gleichermaßen stiltreuen wie auch bemerkenswert originell agierenden Tränenmeister sind ohne den geringsten Zweifel eine der emotionalsten Combos dieses Planeten. Ihr mit abstrusen Stimmungen und einer gehörigen Portion an Selbstverlorenheit einhergehender Melodic Death Metal orientiert sich – im Gegensatz zur mannigfaltigen Konkurrenz – an keiner anderen Band, außer an Insomnium selbst.

Die vorhergehende, qualitativ allerdings umstrittene Veröffentlichung, die 2004er Scheibe „Since The Day It All Came Down“, liegt schon einige Zeit zurück. Dennoch waren die überaus beschlagenen finnischen Seelenbluter alles andere als den ganzen Tag auf der faulen Haut und in den Nebelschwaden ihrer herbstlichen Heimat gelegen.

Das neue Studioalbum „Above The Weeping World” offenbart wieder die hohe kreative Klasse, welche bereits mit dem damaligen Debütalbum „In The Halls Of Awaiting“ beschritten wurde. Vokalist und Tieftöner Niilo Sevänen ließ sich erneut gern beim Sezieren vergilbter Notenblätter stören.

Und der düster dreinblickende Finnenmann drischt gleich mal zum Interview-Beginn eine der meistgebrauchten Phrasen in diesem Geschäft.

„Unserer Meinung nach ist das neue Album das bisher beste Werk von Insomnium. Auch nicht wenige andere Hörer sind bisher dieser Meinung. Wir sind jedenfalls verdammt stolz auf `Above The Weeping World`. Bislang habe ich erst wenige Interviews zum neuen Album gegeben, von daher bin ich sehr neugierig auf die weiteren Reaktionen der vielen Schreiberlinge.“

Auf das in vielen Punkten zwiespältige Vorgängeralbum angesprochen, ergeht sich der Frontmann folgendermaßen: „Gravierende stilistische Veränderungen findet man bei uns ja ohnehin nicht vor, das dürfte mittlerweile bekannt sein. Jedoch haben wir für die neue Platte beinahe alles besser gemacht als dies bei `Since The Day It All Came Down` der Fall war. Wir vertrauten während des Kompositionsprozesses massiv auf unsere alten Stärken, auch funktionierte die Bandchemie diesmal wirklich hervorragend. Letzteres ist immer von diversen persönlichen Faktoren der Beteiligten abhängig, da hat eine Band leider vergleichsweise wenig Einfluss drauf. Auf diese Weise gelangen uns auf jeden Fall bessere Songs als zuvor. Auch die dazugehörenden Arrangements gerieten uns viel anspruchsvoller und mannigfaltiger. Ob Refrains, Hooklines, Harmonien oder Keyboard-Linien, wir steigerten glücklicherweise sogar die melodische Eingängigkeit der neuen Stücke. Unnütz erscheinende oder schlecht passende Parts wurden diesmal eben erst gar nicht zur Verwendung in Erwägung gezogen. Überhaupt, das ganze neue Produkt kann als Steigerung gesehen beziehungsweise gehört werden. Die Konsumenten werden meine Worte während des Hörens von `Above The Weeping World` bestimmt schnellstens nachvollziehen können.“

Genau so spricht die Überzeugung im Menschen.

Und dieses Mal schlägt sich der ergiebige Zündfunke der glücklichen Eingebung auch in der grafischen Gestaltung des aktuellen Tonträger-Produkts nieder, so Niilo.

„Sowohl Front-Cover als auch Booklet-Gestaltung wurden wieder von einem engen Freund von uns übernommen. Dieser hat uns seine Foto- und Layout-Künste bereits beim Debütalbum offeriert. Wir waren und sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Die Käufer der neuen Scheibe können sich auf sehr atmosphärische Shots und stimmiges Bildmaterial gefasst machen, welches perfekt zu unserer Musik passt.“

Beileibe nicht einfach zu kommentieren ist für den Finnen die explizite Nachfrage nach seiner persönlichen charakterlichen Entwicklung im Zusammenhang mit dem Schaffen in Insomnium. Er versucht es trotzdem, stellenweise lachend.

„Älter sind wir auf jeden Fall geworden. Und hoffentlich auch weiser. Was meine Sicht der Dinge anbelangt, so ist diese mittels Insomnium sicherlich tiefgründiger geworden, als dies damals vor der Band noch der Fall war. Durch das intensive Befassen mit meinen textlichen Inhalten ging dieser Reifeprozess ganz automatisch vonstatten. Eigene, persönliche Lyriken zu verfassen ist eben so viel mehr, als nur irgendwelche Bücher zu lesen und nach ihren Vorgaben zu leben.“

Auf musikalischer Ebene wissen die finnischen Facettenbeleuchter nun zumindest ganz genau, wie es so im Studio zugeht und wie eine Platte Stück für Stück auf Konserve aufgenommen wird.

„Wenn ich nachträglich bedenke, was wir doch einst noch für Grünschnäbel auf diesem Sektor waren“, entfährt es dem Bassisten dazu noch herzhaft schmunzelnd.

Er ergänzt anschließend noch:

„Im Nachhinein ist es für mich sehr wichtig, bestimmte Fehler gemacht zu haben, denn sonst hätte ich aus ihnen nichts für die Zukunft lernen können. Ich kann somit aufrechten Hauptes behaupten, dass wir als Musiker enorm gereift sind. Das gilt ganz besonders auch, was die Arrangements bei Insomnium anbelangt. Ganz speziell eben wie erwähnt nach unserem zweiten Studioalbum.“

Dabei wollte das Songwriting für „Above The Weeping World” trotzdem anfänglich gar nicht so recht ins Rollen kommen, resümiert der Bandboss abschließend.

„Man kann da trotz aller vorgeblichen Routine nichts erzwingen. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des zweiten Albums hatten wir schon wieder mehrere Stücke fertig, dies war so ungefähr die Zeit zu Weihnachten 2005. Danach machte sich eine unerwartete kreative Flaute breit. So hatten wir uns zum gebuchten Studiotermin für das aktuelle Werk ziemlich zu sputen. Glücklicher Weise kam dann doch noch alles termingerecht unter Dach und Fach. Wir sind höchstwahrscheinlich also eine derjenigen Metal-Truppen, die unter Druck noch am besten arbeiten können.“

© Markus Eck, 11.09.2006

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