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Interview: HÄMATOM
Titel: Aufrüttelnde Message

Mit den knackigen Coverversionen auf ihrer 2014er Retrospektive „X“ haben sie definitiv Blut geleckt, was Eingängigkeit im Songmaterial angeht.

Denn das neue Album „Wir sind Gott“ zählt zum griffigsten und stimmigsten, was bislang von den fränkischen Hartschädeln um Sänger Nord kam. Eine ebenso interessante wie überzeugende Wandlung ist aktuell zu erleben, welche die populäre Truppe bis heute vom Modern Thrash Metal zum aktuellen, deutlich differenzierteren Klangbild unbeirrbar durchgezogen hat.

Wie Gitarrist Ost zu berichten weiß, erachtet er „Wir sind Gott“ auch auf lyrischem Terrain als bisher reifste Leistung seiner Band.

„Es kann durchaus sein, dass wir fürs neue Werk von der ,X‘ gezehrt haben. Die Veröffentlichung war ein richtiger Überraschungserfolg. Damit hatten wir in dem Ausmaß nun nicht unbedingt gerechnet. Wir konnten mit diesem Album zu unserem kleinen Jubiläum tatsächlich Platz 16 in den deutschen Albumcharts erreichen. Auf gewisse Weise hat das Ganze musikalisch eben einfach prima miteinander funktioniert. Ich stimme zu, dass sich der neue Release oftmals positiver anhört, als dies in der Vergangenheit bei uns noch der Fall war. Wir haben zwar die kritischen Themen beibehalten, gehen aber auf ,Wir sind Gott‘ musikalisch etwas anders damit um.“

Einmal schwungvoll in Redefluss gekommen, knüpft der Kopfgestachelte fast nahtlos an: „Wir haben uns dennoch nicht komplett neu erfunden. Es geschah ganz einfach im Zuge einer Weiterentwicklung, die sich so ja bereits auf dem 2013er Album ,Keinzeitmensch‘ angedeutet hat, wie ich denke. Da hatten wir schon ziemlich viel Synth-Zeug mit dabei. Das hat damals eine komplett neue Ebene in unseren Sound eingebracht. Letztlich hat sich vor allem der persönliche Musikgeschmack in der Band in den letzten Jahren ganz massiv weiterentwickelt. Wir lassen uns von Sachen die wir gerne hören auch ebenso gerne beeinflussen.“

Gewichtigen Anteil am frischen und Laune machenden Gesamtsound des neuen Hämatom-Drehers hat vor allem auch Produzent Kristian ,Kohle‘ Kohlmannslehner, so Ost.

„Wir hörten im Zuge der Arbeiten an ,X‘ das von ihm produzierte Album ,We Are the Mess‘ von Eskimo Callboy, und wussten dann echt ziemlich schnell, dass wir für die neue Platte auch unbedingt mit ihm arbeiten wollten. Der wunderbar moderne Sound dieser CD ist auf gewisse Weise an typisch amerikanische Klangspektren angelehnt, was wir gut finden. Wir waren allesamt schlagartig begeistert. So gingen wir im bislang bewährten Produktionsteam vor, doch Kohle übernahm mit unseren entsprechenden Wünschen im Sinn in seinen Kohlekeller Studios den wichtigen Endschliff für das neue Album. Und mit dem Resultat sind wir jetzt auch vollauf zufrieden, die Lieder profitieren ganz enorm davon.“

Ganz besonders möchte der Klampfer in diesem Zusammenhang den Song „Offline“ hervorheben. „Der wurde relativ schnell zu einem meiner absoluten Lieblingssongs auf dem Album. Ich finde ihn vollauf stimmig. Auch textlich, denn mit dem Thema kann sich jeder befassen, weil man es gegenwärtig massiv zu spüren bekommt. Die Menschheit scheint immer abhängiger von all den mehr oder weniger sozialen Netzwerken zu werden.
Meiner Auffassung nach ist das Stück musikalisch wie auch textlich sehr gut umgesetzt. Der Text soll zum Nachdenken anregen, wir erheben auch hierin keinerlei Zeigefinger.“


Mit letzterem Statement hat der Saitenartist schon indirekt auf den Titelsong der neuen Hämatom-Liedersammlung angespielt.

„Das Meiste, was auf der Welt passiert, geschieht unter dem Namen von oder für einen Gott. Ich habe vor einiger Zeit mal gehört, dass es auf dieser Welt sage und schreibe über 6.000 Religionen geben soll. Und alle behaupten jeweilig, sie seien die einzig wahre davon. Alles was uns tagtäglich so umgibt, vor allem die großen Krisen der Welt, da steckt immer irgendwo das Wort ,Gott‘ dahinter. Und war es wichtig, bei diesem Song zu sagen, das ist aber nicht Gott. Ob es ihn, Gott, letztlich nun gibt oder nicht - das, was auf der Erde alles passiert, ist komplett menschengemacht. Die Essenz des Songs ist: Wir Menschen haben nicht nur John F. Kennedy in den Kopf geschossen, wir haben auch ,Yesterday‘ geschrieben. Soll sagen: Die Menschheit hat bei allem Irrsinn auch - ebenfalls ohne einen Gott - viele sehr gute Sachen hervorgebracht. Dieses Stück soll eine thematische Brücke schlagen - von den alten Ägyptern mit Kleopatra usw. bis hinein in die Jetztzeit mit dem Aufhängen von Saddam Hussein.“

Just zum Veröffentlichungsdatum des neuen Album-Querschlägers werden Vokalist Nord, Drummer Süd, Tieftöner West und Axeman Ost gemäß den Pseudonymen vier spezielle Shows in den vier Himmelsrichtungen Deutschlands zocken: Wild bespielt werden dabei ab 25. März jeweilig Bremen, Berlin, Bochum und München.

© Markus Eck, 19.02.2016

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