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Interview: GRAVEWORM
Titel: Ergreifende Dramen

Wenn man das neue Album von Graveworm erstmals zu Gehör bekommt, fragt man sich unweigerlich, wie weit diese italienische Band eigentlich bei der Perfektionierung ihres Melodic Black Gothic Metal-Stiles noch zu gehen imstande ist.

„Scourge Of Malice“, so der Titel des aktuellen Werkes, kann erneut die bisherigen charakteristischen Trademarks der talentierten Italiener in einer nochmalig gesteigerten Variante aufweisen.

Verzweifelte Bestialität, welche sich in opulenter symphonischer Umrahmung bis zum letzten auszutoben scheint sowie gehässig geifernde und boshafte Artikulierung, die mittels gigantischer pompöser Arrangements und druckvoller Spielweise gar ergreifende musikalische Dramen zu inszenieren weiß und prägender Melodienreichtum haben dabei bereits in der Vergangenheit für Furore gesorgt.

Doch haben sich Graveworm keinesfalls damit zufrieden gegeben, sondern strebten nach künstlerisch Höherem.

Und es ist überdeutlich zu hören, welch´ verzehrende und dunkle Passion den Klängen dieses ausgefeilt intensiven neuen Tonträgers der Band entspringt. Die angehobene musikalische Klasse kann sich dadurch mit Leichtigkeit manifestieren.

Diese aus jeder gespielten Note spritzende Leidenschaft kann wahre Höhepunkte solcherlei Musizierens ermöglichen.

Sänger Stefan Fiori beantwortet meine Fragen mit aufrichtiger Natürlichkeit und bringt uns die sechsköpfige Gesandtschaft der Nacht etwas näher.

„Die Band wurde 1992 gegründet und ich bin einer der Ältesten oder besser gesagt, einer, der am längsten in der Band ist. Ich wurde damals ganz spontan angesprochen, ob ich Lust hätte zu singen, und ich sagte zu. Ich bin Graveworm mittlerweile mit Leib und Seele verschrieben. Es war immer schwierig, neue Members zu finden. Und so taten wir uns auch nicht leicht, geeignete Leute zu finden, als uns jemand verließ. Denn für uns ist auch die Person an sich wichtig. Lieber also jemand, der nicht begnadet Gitarre spielen kann, aber um so mehr ein Freund ist. Wir alle finden, daß wir eine große Familie sind, die durch dick und dünn geht und bei der jeder weiß, daß er sich auf die anderen verlassen kann. Doch bei uns weiß auch jeder, was auf dem Spiel steht und wir alle stehen jeder 100%ig hinter der Band.“

Graveworms Black Metal-lastiger Stil findet in den Lyrics keine Entsprechung. Den Dunkelmetall-Stil der Band vorschnell als gezielt bombastisch inszenierten Black Metal-Trendsound zu kategorisieren, läge eigentlich nahe. Doch finden die gekonnt gepriesenen Inhalte des hier Gebotenen trotz ähnlich klingender Stilmittel beileibe keinerlei Korrelat zum sonstigen Durchschnittsschaffen der Szene. Dazu ist das Schaffen dieser Gruppe zu vieldimensional. Und das steht Graveworm auch am besten zu Gesicht.

Doch bedient sich das Südtiroler Düster-Orchester aller erdenklichen Stilmittel, die in dieser Branche kursieren.

So verwenden die Beteiligten einen schier unerschöpflichen Fundus an frischen Ideen und können damit enormen kompositorischen Anspruch für sich verbuchen.

Mystische Chöre sowie viele der Klassik entlehnten Instrumente und eine stellenweise erdrückende Gänsehaut erzeugende Atmosphäre können bei entsprechender Gefühlslage regelrecht zu einer anhaltenden Desolation im Inneren der Hörer führen. Wie sieht Stefan die Sache eigentlich?

„Ich finde, jeder sollte sich seine eigene Meinung bilden. Ich bin keiner, der sagt, `so oder so ist unsere Musik zu verstehen`. So auch bei den Texten: Ich bin für jede Interpretation offen und kann nur sagen, daß man viel dazulernt, wenn man mit Außenstehenden über die Lyrics spricht. Man sieht die Dinge dann von einem ganz anderen Fokus. Wichtig ist uns nur, daß der Hörer merkt, daß unsere Musik von Herzen kommt. Und nicht wie so viele dieser seelenlosen Ergüsse, die der Markt bietet.“

Der weitere Interview-Disput dreht sich darum, wer bei Graveworm für die geschriebenen Songs verantwortlich zeichnet. Und wir erfahren zu diesem Kontext von dem Vokalisten:

„Die Musik wird von Steve, unserem Gitarristen und Sabine, unserer Keyboarderin geschrieben. Woher sie die Inspirationen beziehen, kann ich dir nicht beantworten. Aber ich glaube, daß die Umgebung, in der wir wohnen, uns doch mehr beeinflußt, als wir es wahrhaben wollen. Wir sind umgeben von riesigen Bergketten und die visuellen Eindrücke, die man auf sich wirken läßt, sind schon gewaltig. Die Graveworm-Lyriken werden alle von mir geschrieben und ich beziehe meine Inspirationen aus Büchern, Filmen usw. Auch das Mittelalter ist mir sehr wichtig. Wenn man bedenkt, daß `Braveheart` unser Lieblingsfilm ist, kann man sich alles Weitere ja denken, oder?“

Gibt es ein spezielles Konzept, Stefan? „Konzept gibt es keines. Die Ideen müssen einfach jedem von uns gefallen und es werden auch persönliche Eindrücke mit verarbeitet. Das macht unsere Stücke aber um so abwechslungsreicher.“

Und wie steht es denn mit der Live-Präsenz von Graveworm?

„Wenn wir live spielen, verwandeln wir uns in andere Menschen. Ich persönlich gehe auf die Bühne, schalte ab und dann geht´s los. Ich fühle mich in dem Moment wie jemand anders. Ansonsten ist bei uns Headbangen total angesagt. Es gibt nichts Besseres, als seine Aggressionen während einer Show raus zu lassen. Und das merkt das Publikum auch. Wenn man mit Leib und Seele spielt, hat man die Besucher schnell auf seiner Seite. Und so soll es doch auch sein.“

Nach dem Release von „As The Angels Reach The Beauty“, eurem zweiten Album, hörte ich einige Stimmen, die das darauf zu sehende Cover anprangerten. Der Sänger hierzu:

„Das Cover für dieses Album war nicht gerade das Beste für uns. Nichts gegen den verantwortlichen spanischen Zeichner Luis Royo; aber es gab eine Unmenge Leute, die daraufhin dachten, wir wären eine Power Metal-Band. Eine nackte Frau, ein Schwert und dann unser Bandname. Aber zum Glück haben wir es immer wieder geschafft, die Fans zu überzeugen und uns eine Chance zu geben. Und ich hoffe, wir haben sie nicht enttäuscht. Auch für das neue Album haben wir uns wiederum an Royo gewandt. Diesmal ist das Cover düsterer ausgefallen, obwohl auch wieder eine Frau drauf zu sehen ist. Aber man kann es sowieso nicht allen recht machen. Aber dazu kann ich nur noch sagen, daß Royo einer der besten Zeichner dieser Sparte ist und ein Bild von ihm bestimmt eine Bereicherung für jedes Metal-Album darstellt.“

© Markus Eck, 08.07.2001

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