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Interview: FIDDLER’S GREEN
Titel: Explosiv, aber bescheiden

Es ist soweit: 2020 feiern die Erlanger Speedfolker ihr 30-jähriges Bandjubiläum. Eine lange Zeit, voller Höhen und Tiefen - doch nun ist erst mal wieder Höhe angesagt! 2019 erschien das letzte Longplayer „Heyday“, heuer wird ein Akustikalbum kommen.

Bassist Rainer Schulz freut sich dieser Tage schon sehr auf den zweiten Akustikdreher in der bewegten Historie seiner Fiddlers. Er blickt aus aktuellem Anlass zunächst weiter zurück.

„Das erste Akustikalbum ‚Acoustic Pub Crawl’ erschien 2012 direkt im Anschluss an unsere erste ausgesprochene Akustiktour. Damals waren wir selbst wohl am meisten von unseren Akustikversionen überrascht. Da hatte es sich förmlich aufgedrängt eine Aufnahme davon zu veröffentlichen, zudem Aufnahmen von gleich mehreren Auftritten gemacht wurden. Das geht heutzutage technisch ja recht einfach. Als wir in die Recordings reingehört hatten, waren wir alle völlig begeistert! Uns blieb förmlich nichts anderes übrig als die Songs abzumischen und in Albumform zu veröffentlichen. Da war es fast das Schwierigste, viele Songs auszusortieren damit alles auf CD passt.“

Die allerersten Anfänge besagten ‚Acoustic Pub Crawls‘ hatten, so der Tieftöner, wie so vieles bei Fiddler’s Green, ihre Wurzeln im purem Blödsinn:

„Unser Album ‚Sportsday At Killaloe‘ entstand in einer Phase der Band, in der wir alles gemeinsam im Studio live eingespielt hatten. Während der ein oder anderen Aufnahmepause kam es dazu, dass wir von manchen Songs teils recht absonderliche neue Versionen eigentlich nur für uns aus Spaß vor uns hin ‚gejammt‘ hatten. Das hat sich dann alles verselbstständigt – und inzwischen spielen wir glaube ich schon die fünfte Acoustic Pub Crawl-Tour. Unser Akustikkonzept unterscheidet sich ja sehr deutlich von dem anderer Bands. Während da ansonsten doch eher besinnliche und ruhige Songs entstehen, ist bei uns deutlich der Spaß an der Sache im Vordergrund. Und das nicht nur beim Publikum - sondern auch bei uns selbst!“

Befragt, wie leicht es den Beteiligten von der Hand geht, die fulminante Power ihrer dynamischen Abgeh-Nummern in eher besinnliche Akustikversionen zu transformieren, kommt der Mann ins Grinsen. „So wirklich besinnlich ist das bei uns ja nicht. Wir spielen ja unter anderem mit Bechern, Kochtöpfen, Bierflaschen, Plastikröhren, Glockenspiel, Waschbrett und Klobürste. Trotzdem fühlen sich immer wieder Fans dazu animiert, über die Köpfe ihrer Nachbarn zu klettern und das Konzert crowdsurfend zu genießen. Die Power ist also offensichtlich noch immer da!“

Die Spielfreudigen werden sicherlich jede Menge neue Versionen altbekannter Fiddlers-Klassiker im Programm haben, so ist zu erfahren. „Auch vom letzten Studioalbum. Außerdem kommen aber auch noch viele Folk-Klassiker auf den Zettel, die nur darauf warten von uns im Acoustic Pub Crawl aufgegriffen zu werden. Wir haben da bereits das ein oder andere vorbereitet – man darf äußerst gespannt sein!“

Zum 30-jährigen empfängt die Combo einen herzlichen Glückwunsch - Rainer dankt und bilanziert:

„30 Jahre sind ja wirklich eine sehr lange Zeit. Von uns hätte keiner gedacht, dass wir so lange zusammen mit dieser Vision Musik machen werden. Anfangs war es nur ein Spaßprojekt beim Bandwettbewerb im heimischen Jugendzentrum. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir uns aber vor Auftrittsanfragen kaum retten. Seitdem ist die Band ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens geworden. Zwischen den Tourneen gibt es immer wieder teils längere Phasen in denen wir keine Musik zusammen machen - das kommt uns immer endlos lange vor und wir sind heilfroh wenn‘s dann wieder auf die Straßen und Bühnen geht! Wir haben hier, so glaube ich, schon das große Los gezogen, mit soviel Freude unseren Lebensunterhalt verdienen zu können!“

So haben sich Fiddler’s Green auch dazu entschieden, das gesamte Jubiläumsjahr zu zelebrieren - und nicht den gesamten Fokus auf ein einziges Konzert zu legen. „30 Jahre kann man denke ich sehr gut auf ein ganzes Partyjahr verteilen. Hier wollen wir die gesamte Bandbreite unseres aktuellen Schaffens zeigen: Beginnend mit der Akustiktour grasen wir im Sommer sehr viele europäische Festivals fast aller Genres ab. Im Herbst geht’s dann auf Hallentour - da ist sicher für jeden was dabei!“

Einen absoluten Höhepunkt in der Laufbahn der Gruppe kann Rainer gar nicht nennen. Sondern: „Wie sicherlich jeder verstehen kann, gibt es da eine ganze Menge - und bei der Vielfältigkeit innerhalb unserer Band sind die Höhepunkte auch unterschiedlich verteilt. Seit über zehn Jahren haben wir unser eigenes Festival: Das Shamrock Castle Festival. Das ist immer einer der absoluten Höhepunkte des Jahres. Ansonsten ist nicht unbedingt die Größe eines Konzerts entscheidend. Ich für mich persönlich fand die kurze Kneipen-Tour zur Veröffentlichung unseres letzten Studioalbums als eines der absoluten Highlights des Jahres 2019. Da war es wieder wie in den ersten Tagen. Die großen Festivals wie Wacken oder Summerbreeze sind natürlich auch immer Höhepunkte. Und nicht zu vergessen die Shows beziehungsweise Festivals im Ausland. Da ist der vorherrschende Effekt, dass man erst einmal davon ausgehen kann, als nahezu unbekannte Band auf die Bühne zu gehen. Wenn dann am Ende der gesamte Platz durchdreht, ist das schon der Wahnsinn. Und wenn, wie in Moskau oder Tokio, plötzlich fast die Hälfte der Besucher die Songs mitsingen können, dann geht das auch extrem unter die Haut.“

In den 30 Jahren ihrer Karriere hatten Fiddler’s Green einige Male Umbesetzungen, wie Rainer sich erinnert.

„Das stellte uns im ersten Moment immer vor große Schwierigkeiten bei denen recht unklar war wie und ob wir sie meistern können. Aber die Neuanfänge haben dann jedes Mal einen kreativen Schub mit sich gebracht und wie eine Frischzellenkur unsere Energien aufgeladen. So hart wie es klingen mag waren die vermeintlichen Tiefschläge dann eigentlich in erster Linie positive Motivationsmomente und im Nachhinein wichtige Abschnitte in der Bandgeschichte.“

So lange und mit so viel Freude mit der Band durchzuhalten, hätte von den Beteiligten damals niemand gedacht, wie zu erfahren ist. „Wir hatten ja anfänglich nicht die Absicht längerfristig als Band zu bestehen. Es gab keinen Plan oder eine Vision. In den ersten Monaten bzw. Jahren hat sich das dann natürlich geändert. Aber ohne den Spaß und die Freude kann man glaube ich nicht lange bestehen. Und darauf kommt es ja schließlich an. Um viel Geld zu verdienen sollte man sich eh einen anderen Job suchen – da ist man im Musikbusiness selten gut aufgehoben.“

Man muss das, was man als Musikgruppe tut, schon unbändig lieben um so lange am Start zu bleiben - gutes Stichwort, Liebe; was liebt Rainer am allermeisten beim Musizieren mit den Fiddlers?

„Im Grunde ist es dann doch immer der Spaß an der Sache – und die Freundschaften intern. Ich könnte mir nicht vorstellen dauerhaft Musik in einer Band machen zu können in der man sich untereinander nicht gut versteht. Oder in der es eine Hierarchie gibt – mit Chef und Unterhund. Das wäre so gar nicht mein Ding. Wir sind alle völlig gleichwertig untereinander. Das macht es denke ich aus.“

So sieht er sich dann auch in 30 Jahren „irgendwie“ noch immer auf den Bühnen, beschließt er, milde grinsend. „Eventuell mit etwas weniger Action.“

© Markus Eck, 13.03.2020

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