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Interview: EMERGENCY GATE
Titel: Notausgang für jedermann

Diese überaus ambitionierten bayerischen Schwermetaller stammen aus verschiedenen Orten und Kleinstädten im Landkreis Ebersberg, welcher im Südosten Münchens angenagelt ist. Mangelnde Eigenständigkeit kann man der Formation keinesfalls vorwerfen, sogar ganz im Gegenteil.

Denn Emergency Gate tradieren zwar den guten alten Heavy Metal mit Inbrunst, doch sie bringen neben interessant verarbeiteten Power- und Thrash-Querverweisen nebst moderneren Einflüssen auch eine gehörige Portion signifikante Individualität ein.

Das aktuelle Album „Nightly Ray” kündet davon in erschöpfender Weise. Bassist Mario Lochert, der auch noch als Produzent und Arrangeur aktiv ist, plaudert sehr gerne so einiges zu seiner Truppe aus.

„Wir spielen eine Mischung aus den alten Metallica und Nu Metal mit einer guten Prise Melodic Metal. Es ist immer wieder sehr schwer für mich, dies adäquat zu beschreiben, aber das gibt zumindest eine gewisse Richtung an. Die Musikfachleute und vor allem möglichst viele Hörer sollen sich da ihren Stil doch am besten selbst rausfischen“, gibt mir der Tieftöner eingangs kund.

„Unsere Instrumente spielen wir alle schon seit vielen Jahren, immer wieder mal in der Band oder in einer anderen. Vor ein paar Jahren sind wir uns zufällig, oder über Schule oder über Freunde, das weiß ich aufgrund der Vielzahl an damaligen Ereignissen in diesem Kontext nicht mehr so ganz genau, über den Weg gelaufen. Klassisch: Der Funke sprang bei einem spontanen Jam über – die Band war geboren. Über viel Arbeit und das Reinschnuppern an diverse Kontakte, konnte dann im letzten Jahr der Traum der professionellen Albumaufnahme verwirklicht werden. Dann Labelsuche- und Findung etc. Ein harter Weg, aber es macht Spaß und wir hoffen natürlich mit diesem Album-Erstling auf offene Ohren zu stoßen.“

So wollten Emergency Gate was komplett Neues machen; ja, sie mussten es laut Mario aufgrund der verschiedenen Musikgenres geradezu, denen jeder aus der Band individuell verfallen ist. Ziel war demnach, einen Stil zu kreieren, der möglichst viele Fans aus dem Metal-Genre ansprechen sollte, so der Bassist.

„Natürlich, Träume hat jeder, aber das sind die üblichen, wie sie andere Musiker auch haben. Jeder will erfolgreich werden, mehr als nur seinen Lebensunterhalt mit diesem Traumberuf bestreiten können. Wir wollen allerdings nicht verträumt durch die Musikwelt laufen und nicht nur hoffen, dass es schon irgendwie klappen wird, sondern beinhart in diesem Biz arbeiten und durch harte Arbeit, gute Musik, und hervorragende Liveshows überzeugen. Denn, dass es in diesem Metier nicht nur mit Glück und Dusel, vielmehr mit Ärmelhochkrempeln langfristig funktionieren kann, das war und das ist uns bewusst. Denn auf seinen Lorbeeren kann man sich nie ausruhen, wenn man es zu was bringen will. Aber freilich hoffen wir schon auch auf einen gewissen Spaßfaktor, auf interessante Erfahrungen und Begegnungen. Wichtig für uns ist es, das Publikum zu begeistern und für unsere Musik zu gewinnen – dann ist das allergrößte Ziel eigentlich schon erreicht; eine geilere Belohnung gibt es für einen Musiker ja nicht.“

Wie nachfolgend in Erfahrung zu bringen ist, hören die Band-Members tatsächlich die unterschiedlichsten Sachen.

„Unser Gitarrist und Sänger Cem zieht sich gerne In Flames, Amon Amarth, Soilwork, Death etc. rein – aber auch Reggae und Musik, die ich besser nicht nenne, damit meine ich aber nicht Hip Hop. Gitarrist Vladi steht auf In Flames, Evergrey, Grind und Metal-Core, Opeth, Killswitch etc. – Keyboarder Chris hingegen fährt auf Das Ich, Rammstein und Amon Amarth ab, hört aber auch gerne Wave/Gothic. Drummer My T.P. frönt Speed- und Thrash Metal der alten Schule als auch Bands wie Annihilator, Kreator, Slayer, Devil Driver oder Nevermore. Ich selbst kann mich für Bon Jovi, Guns N' Roses, Evergrey, Edguy und In Flames erwärmen.“

Emergency Gate versuchen, so Mario, immer einen Teil des bisher persönlich Erlebten beim Komponieren in die Songs mit einzubringen.

„Das läuft immer so bei uns, ganz gleich, ob es unsere Balladen sind, in denen wir Liebeskummer und die entsprechende Melancholie oder aber das warme Gefühl des Verliebtseins beschreiben. Andererseits auch in den knallharten Songs, in denen Aggression oder Unverständnis als Hauptthema zum Vorschein kommen wie beispielsweise beim sechsten Song `Discre-Pantz`. Zitat daraus: `I´ll spit – you love to swallow, no matter what…, I won´t follow`. Dies ist bezogen und schön verschleiert gegen alles beziehungsweise alle, die einem im Leben was vorgeben wollen. Egal, ob es gut oder schlecht ist – keiner setzt sich dagegen zur Wehr. Etwas wird einfach geschluckt, um ja nicht in der Masse aufzufallen – keiner sagt seine Meinung! Was die Texte betrifft, haben wir schon ein breites Feld vor uns, das abgegrast werden muss und auch wird. Natürlich versuchen wir auch die richtigen Töne dazu zu finden. Wie ich meine, ist uns das auch gelungen, denn die Emotionen sollen durch die bestmögliche Kombination von ausdruckstarkem Sound und greifbaren Lyrics vermittelt werden. Also, mit dem Lyrischen beschäftigen wir uns wie gesagt sehr, auch sind unsere Lieder aus dem Herzen geschrieben und wir stehen 100 % hinter dem, was wir ausdrücken wollen. Wir beschönigen nichts und stellen auch Sachen nicht anders dar, als sie wirklich sind. Für uns ist die Musik der direkteste Draht zu den Menschen. Oft lauschen Musikliebhaber nur dem Sound, aber diejenigen, die sich mit unseren Texten wirklich befassen wollen, werden auch spüren, was sich Emergency Gate denkt, wenn die Band Songs schreibt. Teilweise schreiben wir auch Texte während einer Party, wir ziehen uns zurück und dann kommt das wie aus Geisterhand aufs Papier. Die Ideen sprudeln in solchen Momenten geradezu.“

Jeder Beteiligte in der Band soll dabei auch seine eigenen Ideen unterbringen können, berichtet mir der Tieftöner.

„Daher stammen die Inspirationen am ehesten aus dem Alltag, vergangenen Erlebnissen sowie Träumen und vielleicht auch gewissen Ängsten oder Befürchtungen. Wichtig dabei ist eine gewisse Vielseitigkeit und Abwechslung – sowohl bei der musikalischen Ausrichtung als auch in der Themen- und Textauswahl. Sodass man unsere Musik in allen Situationen hören kann: Bei der Arbeit, bei Liebeskummer, wenn man Stress hat etc. und natürlich muss es einen bei den Eiern packen, was den Schub betrifft. [lacht] Was musikalische Einflüsse von außen betrifft: Natürlich ist man nicht immun gegen positive Einwirkung durch Bands aus dieser Branche. Wenn man was Geiles hört, kann man schlecht die eigene Wahrnehmung komplett dagegen verschließen. Aber wir haben genügend eigenen Saft in den Gehirnzellen, um wirkliche Songs zu produzieren, die unseren Stempel tragen, nicht aufgedrückt von läppischen Mode-Erscheinungen oder angesagten Trend-Rockbands.“

Das aktuelle Albumcover hat Georg „Schlumpf“ Huber gemalt, der bereits unter anderen für Walt Disney gearbeitet hat, und der vor kurzem den internationalen Kunstpreis „Arno Art Award“ gewonnen hat. Mario:

„Zusätzlich sind in diesem Cover zwei Messages versteckt. Erstens: Spiele nicht mit übernatürlichen Dingen. Zweitens: Selbst wenn du von Dunkelheit umgeben bist und keinen Ausweg mehr weißt, kann dir dein Glaube den richtigen Lichtblick beziehungsweise Weg zeigen oder weisen. Ich kenne Georg schon sehr lange und er ist immer hinter Emergency Gate gestanden. Und er wird es auch weiter tun – Abwerbung für andere Bands daher nur über meine Leiche! Nein, Spaß beiseite, für seine tolle Arbeit wollen wir ihm auch danken, genau wie unserem ganzen Team: Besonders meinem Freund und Co-Produzent Spike Streefkerk [Melissah Etheridge, Def Leppard, Deep Purple etc.; A.d.A.] sowie Oliver Oswald, unserem Promoter und Manager, ehemals Sony BMG-Press Manager und Editor für unzählige nationale und internationale Acts, u.a. Velvet Revolver, Bonfire, Soil, Santana und Gotthard.“

Musik an sich ist für diese Bayern eine Berufung. Sie verbringen laut Mario allesamt jeden Tag damit – speziell für meinen Gesprächspartner beginnt der Tag mit Musik, er hört sie den ganzen Tag, bis in die Nacht hin. Der Bassist ist süchtig danach.

„Ich glaube, uns ist die Begeisterung zur Musik in die Wiege gelegt worden. Und mit der Band hat jeder seinen Arbeitsplatz, an dem er dieser Berufung nachgehen kann. Insofern ist es sehr wichtig, als Band zu existieren und, wenn erfolgreich, dann umso schöner.“

Als Emergency Gate gegründet wurde, war es einfach nur ein geiler Bandname, der den Musikern schlichtweg gut gefallen hat. Zunächst ohne große Bedeutung. Aber das hat sich sehr schnell geändert.

„Ich würde sagen, wer sich mit unserer Musik auseinandersetzt, für den haben wir kleine Tipps, wie er seine Situation meistern kann, ein Notausgang für jedermann; na ja, das reimt sich sogar. [lacht] Ich glaube, das war eine übersinnliche Eingebung damals.“

Freizeit: Wenn man viel davon hätte, müsste der Tag laut Aussage von Mario eigentlich glatt 48 Stunden haben. „Die meisten von uns verbringen den Tag wie gesagt mit Musik: Hören, schreiben und daran tüfteln; wie könnte es auch anders sein? Aber wenn wir dann schon mal Freizeit haben, dann sind selbstverständlich die Familie, Freunde, Festivitäten vor allem im Sommer etc. an der Reihe. Einfach mal kurz abschalten bis es mit Volldampf weitergeht. In unserer Region haben wir einen guten Stand in der Heavy-Szene, zwischendurch spielen wir auch gerne in unserer Gegend. Es ist auch ein Konzert in München zum Release des aktuellen Albums geplant und ein Festival namens `Emergency Gate and Friends`: Das wird allerdings erst im Herbst 2006 stattfinden. Herzlichen Dank für das ausführliche Interview, Markus!“

© Markus Eck, 04.04.2006

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