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Interview: ELVELLON
Titel: Wenn das Leben anklopft …

Wer sich stets nach eigenständigem, gehaltvollen und zeitlosem Symphonic Metal sehnt, der ist bei den geschmackvollen Nordrhein-Westfalen um Sängerin Nele Messerschmidt genau richtig.

Für das zweite Album „Ascending In Synergy“ griffen die Beteiligten noch tiefer in die eigene kreative Kiste, was sich vollends gelohnt hat. Was Elvellon mit dem 2018er Debütalbum „Until Dawn“ vorlegten, war ohnehin bereits eine Klasse für sich - und nun präsentiert das Quintett seinen Sound um einige Facetten und Nuancen verfeinert.

Von den vielen positiven Rückmeldungen zur ersten Single „A Vagabond’s Heart“, veröffentlicht am 12. März, ist die Band komplett überwältigt, wie Bassist Jan Runkel voller Freude vermeldet. Kein Wunder, zum Interviewzeitpunkt zeigt YouTube knapp 57.000 Views an.

„Besonders gut tut dabei das Feedback, dass unsere Musik vielen Leuten wirklich etwas bedeutet und wir teilweise sehr emotionale Kommentare bekommen. Im Gegensatz zum ersten Album haben wir die neuen Songs vorher nie live gespielt. Dementsprechend ist das Gefühl einfach anders und wir sind sehr gespannt, wie jeder Song ankommen wird.“

Die Frage zum absolvierten Videodreh für „A Vagabond’s Heart“ greift Nele gerne auf.

„Jeder unserer Songs ist darauf ausgelegt, dem Hörer so viel Fläche zur Eigeninterpretation wie möglich zu geben. Der lyrische Grundriss im Song besteht darin, dass der Protagonist auf eine Reise geht. Die eigene, innere Reise. Da wir diese in den letzten sechs Jahren seit unserem Debut selbst unternommen haben. Es gab viele Hürden und wir alle haben uns individuell entwickelt. Das brauchte Zeit. In dieser haben wir häufig die Frage gestellt bekommen, ob es uns noch gibt und auch ob bald wieder musikalisches von uns zu erwarten sei. Das Video zu unserer ersten Single steht für unseren jeweilig individuellen Weg, der uns aber dennoch zusammen gehalten und näher zusammen gebracht hat. Wir alle sind auf unsere eigene Weise musikalische Perfektionisten. Der Videodreh selbst lief daher auch nahezu reibungslos. Wir stecken viel Arbeit in die vorherige Planung – auch wenn sich beim Dreh selbst meist Dinge ergeben, die vorher nicht absehbar waren. So hatten wir speziell aber bei unserem ersten Dreh viel Glück.“

Gitarrist Gilbert Gelsdorf ergänzt: „Hierfür haben wir mit unserem langjährigen Freund Mirko Witzki zusammen gearbeitet. Mit ihm haben wir bereits unser aller erstes Musikvideo zu ‚Born From Hope‘ in 2015 umgesetzt. Er war zwar nicht selbst hinter der Kamera, weil es terminlich etwas eng wurde, hat sich aber um die technische Planung und den Schnitt gekümmert. Die Kooperation lief dabei sehr entspannt. Wir hatten zwar eine klare Vorstellung von dem Video, waren aber für spontane Änderungen oder Anpassungen offen. Das ist immer gut für so eine Kooperation und hat uns in der Vergangenheit bereits bei solchen Drehs geholfen. So sind wir mit dem aktuellen Ergebnis definitiv zufrieden. Wenn wir überhaupt etwas auszusetzen haben, dann dass wir für die Kürze des Songs doch etwas viel an ‚Story‘ geplant haben, was am Ende für eine hohe Schnittdichte gesorgt hat. Mit ‚Story‘ meinen wir alle Szenen bei denen wir nicht die Instrumente spielen bzw. den Song performen. In unseren Köpfen und auch auf dem Papier wirkte die Geschichte, die wir da erzählen wollen, kompakter. Nun bekommt unser Co-Star Ralph - das Pferd - gar nicht so viel Screentime, wie er eigentlich verdient hätte“, wird herzig lachend postuliert.

Darum gebeten, den lyrischen Hintergrund der neuen Lieder auf „Ascending In Synergy“ inhaltlich auszuleuchten und was für sie als Vokalistin jeweilig das Besondere, das Reizvolle, das Einzigartige daran ist, zeigt sich Nele ebenso positiv berührt wie mitteilungsfreudig.

„‚Unbound‘ ist der Song, der das Album eröffnet. Musikalisch ist es ein Song, der mir beim Hören jedes Mal Gänsehaut verpasst. Es steckt so viel Power und Hoffnung in diesem Lied. Es beschreibt die Realisierung dessen, dass egal, wie hart der Weg war, danach wieder etwas Wundervolles folgt. Dies kann aber durchaus zunächst ein ungewohntes Gefühl sein. Der Song besinnt sich dabei vor allem auf die kleinen Dinge, die zusammen dieses großartige Gefühl in mir hervorrufen. In einem Satz sagt der Song: ‚Fühlen ist möglich – also wage dich und es ist möglich, Großes zu erleben!‘

„A Vagabond’s Heart“ beschreibt wie erwähnt die eigene, innere Reise. „Eine Reise durch und mit mir selbst. Es ist eine spannende, ganz bestimmt auch aufreibende Reise, mit vielen Stopps – aber sie ist es wert. Es geht darum, in sich selbst hinein zu horchen, hinzusehen, mit sich selbst in Kontakt zu treten. Es ist eine ‚unwiderstehliche‘ Einladung, zu sagen ‚Ich tue dieses oder jenes jetzt. So bin ich. Das möchte ich wirklich und dafür gehe ich nun diesen Weg.’“

Kollege Martin ‚Maddin’ Klüners, seines Zeichens Drummer bei Elvellon, schließt sich da gerne an und spricht zu „My Forever Endeavour“.

„Diese Komposition trifft meine sehnsüchtige Seite - es geht darin um die Verantwortung, welche wir alle tragen müssen, wenn wir eine schmerzliche Entscheidung getroffen haben. Irgendwann sind die Abschiede genug beweint und die Erinnerungen genügend durchlebt. Ab diesem Zeitpunkt blieb mir nichts anderes als jene Erfahrungen liebevoll zu umarmen und in mein Leben zu integrieren. Die meisten sogar als eine Art Bereicherung. Und doch bleibt an manchen Stellen einfach der Gedanke: ‚Wenn Du doch jetzt hier bei mir sein könntest. Dieser Platz wird immer Deiner sein.’“

Wie Nele wiederum nachfolgend angeregt offenbart, handelt „Ocean Of Treason“ vom Kampf mit sich selbst und vom Betrug an sich selbst.

„Es ist ein für mich sehr persönlicher Song, da ich mich häufig in solchen Momenten wiederfinde, in denen es sich anfühlt, als kämpfe ich stetig gegen einen sehr dunklen Teil von mir selbst. Er hält mich von Dingen ab, versucht meinen Selbstwert zu mindern etc. Es gibt Momente, in denen es schwierig ist, diesem kraftvollen, betrügerischen Teil in einem zu widerstehen und ihm keinen Glauben zu schenken. Für mich ist das häufig ein enormer Kraftaufwand. Diese Kraft symbolisiert für mich das Meer. Es ist ein Meer von Gefühlen, die sich nicht immer einfach ordnen lassen und einen schnell übermannen können. Doch der Kraftaufwand kann sich lohnen. Ich wollte das Gefühl transportieren, wie triumphal jedes Mal ist, in dem ich gegen diesen dunklen Teil in mir, der aber dennoch untrennbar zu mir gehört, gewinne. Und das ist gut so.“

Der Song „The Aftermath Of Life“ handelt laut Gilbert zunächst von Krankheiten und dem generellen, körperlichen Zerfall, der uns alle mit dem Alter erreicht und dem Leid und der Verzweiflung, die so etwas im Innern auslösen kann.

„Wichtig war mit beim Schreiben aber, dass man diese natürlichen Veränderungen als solche akzeptiert und sie als Beweis versteht, dass man überhaupt lebt. Und so hat der Song auch musikalisch zwei Gesichter einer Medaille: Die meiste Zeit ist er eher düster und gibt – in für Elvellon eher ungewöhnlicher Härte – auch mal auf die Zwölf, aber der Refrain bildet dazu einen harmonischen, fast schon poppigen Kontrast. Ich persönlich finde diese Mischung geht hier sehr gut Hand-in-Hand und macht den Song dadurch zu etwas Besonderem.“

„Last Of Our Kind“, so Maddin, äußert in einer kleinen Fantasiegeschichte seine Liebe zur Sprache und der Tiefe, die unseren Worten innewohnt. „So vielseitig und manchmal sogar erleuchtend, wie diese eben sein können, gefiel mir der Gedanke, dass uns die Worte zum Geschenk gemacht wurden. Von einer Gruppe, die über Generationen einzig dafür gelebt hat, uns Menschen die Gabe der Sprache nahezubringen und danach zu denen aufzusteigen, die sie geschickt hatten. Eigentlich sollte der Titel für diesen Song ‚Star Wanderers‘ lauten. Aber ‚Last Of Our Kind‘ - was sogar die ganze Zeit als Arbeitstitel hergehalten hat - klang im letzten Moment doch etwas mehr nach eben dieser Geschichte.“

„Into The Vortex“, so Nele, ist ein Song, der sich an „Ocean Of Treason“ anlehnt: „Denn anders als in diesem Stück, ist der Triumph über die innere, dunkle Seite nicht immer gewiss. ‚Into The Vortex‘ beschreibt so im Grunde, wie es sich anfühlt, mitten im Sturm zu stehen – ohne zu wissen, was danach sein wird.“

Für „A Legacy Divine“ holt die Dame dann weiter aus.
„Ich hatte häufig Momente, in denen ich realisieren durfte, wie schön das Leben sein kann. Häufig sind wir in unserem Alltag so sehr damit beschäftigt, unsere To-Do-Listen abzuhaken, hin- und her zu hetzen, uns abzuschuften, zu ärgern und das Negative zu fokussieren – häufig so sehr, dass wir sogar den Grund für all unser Tun aus dem Blick zu verlieren scheinen. ‚A Legacy Divine‘ lässt das Leben selbst als Erzähler zu Wort kommen. Es klopft auf so viele verschiedene Weisen an unsere Tür und hofft, dass wir es bemerken. Es zeigt uns unser wertvolles ‚Vermächtnis‘. Es ist an uns, diese Tür zu öffnen und dem Leben Einlass zu gewähren. Beim Schreiben des Textes saß ich zwischenzeitlich auf einer Halde, auf der jährlich ein großes Metalfestival stattfindet, was ich sehr liebe. Dort zu stehen, mit Blick auf unser Ruhrgebiet, wenn alles ganz winzig klein aussieht, ließ viele wunderbare Erinnerungen lebendig werden und mich realisieren, dass genau das Momente sind, in denen das Leben anklopft und sagt ‚Ich bin da, ich gehe nicht weg - und du und ich sind ein untrennbares Gespann.‘ Es zeigt uns unser wertvolles ‚Vermächtnis‘ - unser Leben selbst.“

Zu „The Aeon Tree” gibt Maddin im Weiteren preis:
„Dazu hat mich tatsächlich unser eigener Song ‚Shore To Aeon’ inspiriert. Während sich in ‚Shore To Aeon‘ alles um den Übergang vom Leben hin zu einer unbekannten Reise dreht, sollte ‚The Aeon Tree‘ nicht nur von einem Ende oder einem einzelnen ‚Schicksal‘ erzählen. Ich wollte für diesen Song etwas Größeres schaffen. Etwas, was den Frieden nicht nur am Ende einer Reise, sondern auch währenddessen greifbar macht. Ein Verständnis in Form eines Baums am Ufer des Aeon River. Eine Entität die mit nichts zu vergleichen ist, als mit sich selbst. Und so dachte ich darüber nach, wie unvergänglich die Natur ist und doch irgendwann endet. So sehe ich mittlerweile alles in dieser Welt. Die Anfänge sind unumkehrbar. Eine Geschichte, die wir nicht verändern können. Und so viele Geschichten sind bereits zu Ende erzählt, ohne die niemals neue entstanden wären. Und manchmal, wenn ich anfange zu zweifeln, gibt mir der Gedanke großen Halt, dass nichts aus dem Nichts passiert ist. Dass alles Gute und auch alles Schlechte, uns zu diesem, jetzigen Punkt geführt hat. Ob Menschen oder Momente – wir sind jetzt und hier – als Eins. Und dieser große Baum verkörpert diese ‚Wahrheit‘ für mich. Alles passiert. In alle Richtungen. Immer und immer schon.“

Nele beschreibt schließlich noch „Epiphany Of Mine“ - das Lied beginnt mit einer Metapher, die zwei Dinge vereint, so erläutert sie: „Der Baum als Symbol der Weisheit und der Apfel als Symbol der Fruchtbarkeit bzw. des Neubeginns. Der Apfelbaum selbst steht nochmals für das Leben und die Liebe. Es geht um eine Seele, die sich nun auf die Reise des Lebens gemacht hat, erschöpft ist, das Gefühl hat, nicht weiter zu kommen. Oft lähmen uns Angst und das Gefühl, wir seien nicht genug, sodass uns alles vielleicht sogar sinnlos erscheint. ‚Epiphany Of Mine‘ spricht davon, dass alles, was wir brauchen, um zu erreichen, was wir uns wünschen, schon längst in uns steckt. So kann selbst die kleinste Tat einen Fortschritt bewirken. Eine große Inspiration war mir ein Zitat von Physiker Paul Dirac : ‚Pick a flower on earth and you move the farthest star‘, was sich im Refrain des Songs abgewandelt wiederfindet. Wir mögen es nicht immer bemerken, aber alles, was wir tun, hat eine Auswirkung, macht einen Unterschied und jeder von uns zählt.“

Am 24. Mai werden Elvellon eine exklusive Album-Release-Show in ihrer Heimatstadt Moers im Bollwerk 107 spielen, zusammen mit euren langjährigen Freunden von Snow White Blood als Support-Act. Keyboarder Pascal Pannen nickt freudig:

„Natürlich freuen wir uns riesig auf die Show! Die Vorbereitungen sind auch schon im vollen Gange und laufen super. Wir bereiten viel von ‚Ascending In Synergy‘ vor, werden aber auch alte Klassiker spielen, die unserer Meinung nach auf einem Elvellon-Konzert nicht fehlen dürfen. Am Ende wollen wir eine gute Show bieten und den Anlass gebührend feiern.“

© Markus Eck, 26.04.2024

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