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Interview: EDENBRIDGE
Titel: Für den bewusst gelebten Augenblick

Die Österreicher präsentieren sich auf der neuen Liederkollektion „The Great Momentum“ überraschend von ihrer bis dato druckvollsten Seite.

Dazu trägt nicht zuletzt auch der 2016 neu eingestiegene Schlagzeuger Johannes Jungreithmeier bei, der auf dem Werk seinen Einstand gibt. Und auch auf orchestralem Sektor konnten sich die 1998 gegründeten Edenbridge steigern, wie jetzt mit noch opulenteren und oftmals pompösen Arrangements aufgezeigt wird.

Die Symphonic Metal-Band um Lead-Sängerin Sabine Edelsbacher investierte mehr als ein Jahr Arbeit und Hingabe in dieses neunte Album, was im Weiteren zu bislang facettenreichster, musikalischer Vielseitigkeit führte.

Wie Gitarrist, Keyboarder und Maincomposer Arne ‚Lanvall’ Stockhammer berichtet, haben sich seit dem 2013er Langdreher mehrere Projekte in der Zwischenzeit angesammelt.

„Nach Beendigung von ‚The Bonding‘ reizte es mich etwas gänzlich Neues zu machen. Und so entstand das Akustikprojekt Voiciano zusammen mit Sabine. Die Idee wurde eigentlich schon 2010 bei einem gemeinsamen Akustikgig in Vietnam geboren. Ziel war es dabei, so viel wie möglich live einzuspielen und fast gänzlich ohne Clicktracks zu arbeiten. Und es durften nur akustische Instrumente sein. 2014 kam also das erste Album ‚Everflow‘ heraus, das wir in Eigenregie und über Crowdfunding finanzierten. Im selben Jahr hatte ich die spontane Idee, dass es Zeit wäre für eine DVD, die unsere ersten 15 Jahre abschließt. Aus dieser Idee wurde dann ein volles Jahr Arbeit.“ 



Und aus „A Decade And A Half … The History So Far“ wurde dann nicht eine, sondern sechs DVDs mit neun Stunden Spielzeit.

„Als dieses Projekt vollendet war, machte ich mich im Frühling 2015 sofort an die Arbeiten zu ‚The Great Momentum‘. Zudem schreibe ich seit 2014 kontinuierlich in einem Team von sechs Leuten Musik für ein Riesenprojekt, das sich ‚Über Österreich‘ nennt und mein Heimatland mit sensationellen Bildern aus der Hubschrauberperspektive zeigt. Die ersten vier Episoden wurden im Frühjahr 2016 ausgestrahlt, Fortsetzung folgt. Man sieht, auch wenn dreieinhalb Jahre zwischen den beiden Edenbridge-Alben liegen, es ist ständig alles in Bewegung und mir wurde nicht langweilig.“



Die neue Veröffentlichung „The Great Momentum“ erscheint nun nach mehr als drei Jahren Release-Pause. Lanvall offenbart, praktisch eineinhalb Jahre fast täglich mit den neuen Songs beschäftigt gewesen zu sein.

„Gerade der Mix war dann nochmals eine besonders anstrengende Zeit für mich. Aber die Begeisterung ist immer noch sehr groß. Ich bin wirklich unheimlich zufrieden mit dem Album. Ich denke dass wir sowohl in Sachen Heaviness und Dynamik nochmal gehörig nachgelegt haben. Die Refrains und Orchesterparts kommen noch bombastischer rüber und Sabines Stimme hat unfassbare Kraft und großen Ausdruck.“


Die Anhänger der Formation freuen sich auf das neunte Album seit dem 2000er Debüt „Sunrise In Eden“.

Der Mann hinter Edenbridge hoffte von Anfang an, lange als Musiker mit der Band dabei zu sein, wie er wissen lässt.

„Natürlich. Mein Ziel war es immer, von der eigenen Musik leben zu können, und das kann ich seit über 15 Jahren. Wenn du dir selber treu bleibst, dann gehen die Fans mit dir. Damit meine ich allerdings nicht, sich ständig zu wiederholen, sondern konsequent seinen Weg zu gehen: Neue Dinge erforschen und die Musik ständig weiterentwickeln.“

Sein stärkster Antrieb, Lieder zu machen beziehungsweise zu komponieren, ist nach wie vor die Musik an sich, sagt Lanvall.

„Nicht umsonst gibt es auf dem neuen Album zwei Songs, die diese Liebe zur Musik auch versuchen, in Worten auszudrücken. ‚The Greatest Gift Of All‘ und ‚Until The End Of Time‘. Musik zu komponieren und arrangieren ist einer der spannendsten Prozesse überhaupt. Zu sehen wie sich ein Werk wie ‚The Great Momentum‘ von den ersten Demos hin zum fertigen Album entwickelt. Wenn die programmierten Drums von den echten ersetzt werden, die Vocals dazukommen, die fetten Chöre, das Orchester und schlussendlich der fertige Mix.“

Tiefer befragt, ob sich diesbezüglich mit erweitertem Erfahrungshorizont und angestiegener menschlicher Reife über die Jahre etwas geändert hat in ihm, erwidert er mit froher Miene: „Ich denke, all die Erfahrungen, die man sammelt, die Dinge, die man erlebt, die Reisen, die man unternimmt und die Leute, mit denen man sich umgibt, bringen einen als Mensch selber weiter und lassen den persönlichen Horizont anwachsen. Das spiegelt sich im idealen Fall natürlich auch in der eigenen Musik wider. Ich denke, dass dieser Prozess auch bei uns ganz deutlich zu sehen ist. Niemals auf dem Erreichten stehenbleiben, sondern immer einen Schritt weiter.“

Eine Lied-Auslese für das neue Album ging der finalen Trackliste nicht voraus, wie in Erfahrung zu bringen ist.

„Es gab keine Songauswahl, weil ich nur an diesen neun Songs arbeitete. Ich sammle kontinuierlich Riffs, Harmonien und Akkordstrukturen, Gesangsmelodien und schreibe die immer auf. Es gab einen großen Pool an Ideen in meiner Mappe, die ich im Frühjahr 2015 begann auszuarbeiten. Und daraus entwickelten sich diese neun Kompositionen. ‚Until The End Of Time‘ hat insofern eine interessante Geschichte, als dass der Song ein Akustikstück auf dem Voiciano-Album war. Ein lieber Freund brachte uns auf die Idee, warum wir daraus nicht eine Rockballade machen. Gesagt, getan und ich denke der Song hat dadurch auch noch um einiges gewonnen.“


Für das neue Material legte Lanvall den größten Wert auf Dynamik, wie er resümiert. „Alles muss seinen Platz im Sound finden. Wenn jedes Riff mit anderem Schickschnack zugekleistert wird, verliert das Ganze an Heaviness. Wenn man das Orchester permanent einsetzt, verliert man an Bombast. Ganz wichtig ist mir übrigens auch eine spezielle Laut/Leise-Dynamik. Und über allem stehen natürlich die Gesangsmelodien und Hooklines der Refrains!“

Gegenüber den Album-Vorgängern gibt es auf ohnehin so einiges Neues auf „The Great Momentum“ zu hören, freut sich der österreichische Ästhet. „Der Gitarrensound ist um einiges heavier. Wir haben diesmal andere Amps verwendet um den tiefen Sound der siebensaitigen Gitarren mehr zu unterstützen. Dadurch blieb frequenztechnisch mehr Raum für Stimme und Orchester. Die Orchesterparts sind meiner Meinung nach noch konsequenter eingesetzt als bisher. Der Bombast bei den Refrains wurde ebenso noch erhöht. Im Schlagzeugbereich klingt alles viel natürlicher, weil wir kaum Samples verwendet haben. Thomas Strübler von Crystallion und Juvaliant hat die Backings und Chöre eingesungen, es war eine echte Freude mit ihm zu arbeiten. Sabine singt schlichtweg phänomenal auf dem Album. Und Songs wie ‚The Visitor‘ und ‚A Turnaround In Art‘ gab es in der Form bei Edenbridge noch nie.“



Gastvokalist Erik Martensson war schon auf dem Titelsong des letzten Albums mit von der Partie.

Ansonsten ist Erik primär als singender Gitarrist bei der Stockholmer Melodic Rock-Truppe Eclipse tätig. Lanvall schwärmt:

„Es ist schön ihn auch dieses mal wieder an Bord zu haben. Erik ist ein phänomenaler Sänger und ein absolutes Multitalent.“

Der Albumtitel „The Great Momentum“ wirkt auf dezente Weise von spiritueller Thematik erfüllt, was Lanvall bestätigen kann.

„Den Titel hatte ich bereits im Hinterkopf, als wir noch an ‚The Bonding‘ arbeiteten. ‚The Great Momentum‘ bedeutet für mich ‚Der absolute Augenblick‘, ‚Das zeitlose Jetzt‘. Das zieht sich auch wie ein roter Faden durch viele Texte des neuen Albums. Es war nicht einfach, diesen Titel für das Frontcover der Scheibe auf graphisch adäquate Art umzusetzen. Dann kam beim gemeinsamen Brainstorming die zündende Idee mit der Steinfigur in Meditationshaltung und dem Energienetz. Ich denke, es ist unser bestes Cover bisher!“


Das Stück „Shiantara“ wurde vorab als Single-Auskopplung präsentiert. Lanvall:

„‚Shiantara‘ ist in meinen Augen der perfekte Opener des Albums, weil er sehr viele unserer Trademarks vereinbart. Da wir dieses Mal auch ein Lyric Video vor dem eigentlichen Videoclip veröffentlichen wollten, hat sich ‚Shiantara‘ dafür angeboten. SPV wollte den Song dann auch gleich als Vorab-Digital Single veröffentlichen, was am 16.12. dann auch passiert ist.“

Spannend in Sachen Lyrics war insgesamt die Tatsache, so der Gitarrist, Keyboarder und Maincomposer, dass sich Sabine erstmals an den Texten beteiligt hat. „So entstanden fünf der neun Songs gemeinsam. ‚The Greatest Gift Of All‘ und ‚Until The End Of Time‘ habe ich bereits erwähnt. ‚The Die Is Not Cast‘ handelt von der Thematik, dass es einem jeden Tag freigestellt ist, sich neu zu entscheiden; sinngemäß bedeutet der Titel ‚Die Würfel sind nicht gefallen‘.“

„Shiantara“ und „The Visitor“ hingegen sind zwei, von „Star Trek Deep Space Nine“ inspirierte Songs. Bei „Shiantara“ handelt es sich gar um ein spezielles Ritual. Man erfährt hierzu: „In der Serie gibt es eine symbiontische Lebensform genannt ‚Trill‘. Der Symbiont wird dabei über Jahrhunderte an neue Wirte weitergegeben. In diesem Ritual werden die Erinnerungen der vorigen Wirte in aktuelle Freunde transferiert, um dem aktuellen Wirt die Möglichkeit zu geben seine vorigen Wirte besser kennenzulernen und ihnen Auge in Auge gegenüberzustehen.“

„The Visitor“ wiederum handelt von einer speziellen Vater-Sohn-Beziehung.

„Durch einen Unfall wird der Vater in den Subraum gezogen und taucht nur mehr sporadisch für kurze Zeit auf. Für den Vater bleibt die Zeit stehen, während der Sohn altert. Der Sohn versucht ab nun, sein ganzes Leben an Möglichkeiten zu arbeiten, den Vater in seine Raum/Zeit-Konstellation zurückzubekommen und verpasst damit, sein eigenes Leben zu leben und zu gestalten.“

„The Moment Is Now“, der erste Videoclip, spricht für sich selbst und ein ähnliches Thema wie „The Visitor“ an, so Lanvall.

„Lebe im Moment, nicht im Gestern, nicht im Morgen.“

„A Turnaround In Art“ beschreibt im Großen und Ganzen, dass es hoffentlich bald einen tiefgreifenden Wandel in der Kunst geben möge. „Viele Bands können oder wollen sich gar nicht mehr die Zeit nehmen, intensiv an einem Album zu arbeiten, auch durch den Druck, möglichst schnell wieder auf die Bühne gehen zu müssen. Dadurch werden entweder halbgare Produkte auf den Markt geworfen oder Alben, die nur mehr auf den Live-Markt zugeschnitten sind und die möglichst auch jeder gleich beim ersten Anhören mitsingen kann.“

„Only A Whiff Of Life“ ist ein sehr persönlicher Text von Sabine und ihm selbst, der sich fast von selbst erklärt. „Auch ‚The Visitor‘ und ‚The Greatest Gift Of All‘ liegen mir besonders am Herzen.“

Er selbst ist ein spirituell ausgerichteter Mensch, wie Lanvall offenbart. „Ja, anders könnte man die Art von Musik und Texte auch nicht glaubhaft schreiben und rüberbekommen. Spiritualität hat für mich aber nichts mit Religion und Kirche zu tun. Und auch nicht mit der Pseudo-Esoterik-Räucherstäbchenwelt.“


In welchen speziellen Momenten - vor allem, mit welcher Musik? - ergeht es einem wie Lanvall wohl am allerbesten, das werden sich viele Edenbridge-Fans fragen. Und hier kommt die Antwort:


„Das können viele Dinge sein. Ich genieße beispielsweise im Winter das Skifahren, ganz generell das Gefühl in den Bergen zu sein. Oder das Meeresrauschen im Sommer. Gutes Essen, gute Musik, zu viele Dinge um die hier alle aufzuzählen.“

Die Zusammenarbeit der Band für die neue Veröffentlichung „The Great Momentum“ klappte großartig, freut sich Lanvall aus voller Seele.

„Wir hatten noch nie eine so stressfreie Produktion wie dieses Mal. Wir haben im Juni 2016 mit den Drumrecordings begonnen und ich produzierte dann den ganzen Sommer in meinem Studio weiter. Nur im November/Dezember wurde es mit Fotosession, Artwork und Videodreh dann etwas eng. Johannes, unser neuer Drummer, hatte dabei einige kurze Nächte, da er zuerst das Cover finalisierte, das Lyric Video schnitt und dann für das komplette Booklet Design verantwortlich war, was er alles großartig hinbekam.

Songwriting und Arrangements für das neue Werk dauerten in etwa ein Jahr. „Dann hatten wir nochmals drei Monate Aufnahmezeit und weitere zwei Wochen für den Mix.“

Dazu befragt, worin er selbst die allergrößten Stärken der neuen Kompositionen sieht, entgegnet er in aller Offenheit: „Es erzählt dir sicher jeder, dass das neue Material das beste ist, was er je geschrieben hat. So leid es mir tut, auch ich muss das so behaupten, das aber, weil ich auch wirklich voll und ganz davon überzeugt bin. Ich denke, dass unser neues Album eine spannende Entdeckungsreise ist.“

Das Ganze kommt erneut als 2-CD, mit den Instrumentalversionen der Songs auf der zweiten CD. Mehr dazu:

„Wir hatten schon beim letzten Album die instrumentale Version als Bonus-CD dabei und ich finde die Idee aus mehreren Gründen gut. Einerseits kann man noch detaillierter die Feinheiten im instrumentalen Bereich hören, die natürlich oft zugunsten der Vocals und Chöre in den Hintergrund treten müssen. Zudem werden im Fernsehen die instrumentalen Versionen als Untermalung bevorzugt. Unsere Musik wird beispielsweise häufig bei den Formel 1 Übertragungen im ORF gespielt. Und als Karaoke-Versionen macht es natürlich auch Sinn.“

Edenbridge werden für kommende Konzerte die Stücke des neuen Albums auswählen, die auch live adäquat umzusetzen sind, lässt der Lockenkopf verlauten.

So wird die Band u.a. sogar auch in Vietnam auftreten.

„Sabine und ich sind 2010 eingeladen worden, auf dem ‚1000 Jahre Hanoi Fest‘ eine Akustikperformance zu spielen. Wir hatten einen Zehn-Minuten-Auftritt mit drei Songs in einem piekfeinen Theater und unser Aufenthalt in Vietnam dauerte gerade mal 48 Stunden. Unsere Konterfeis hingen als riesige Fahnen vor dem Theater. Dem Veranstalter sind wir anscheinend in guter Erinnerung geblieben. Der hat mittlerweile seine eigene monatliche Live TV-Show in Danang City, die im 36. Stock eines Fünfsternehotels produziert wird und in dieser werden wir am 5. März performen. Zudem sind noch zwei weitere Konzerte in Hanoi und Ho Chi Minh City in Planung, wofür gerade die staatlichen Genehmigungen eingeholt werden müssen.“

Der letzte Song des neuen Album heißt „The Greatest Gift Of All“. Was hält der Österreicher persönlich für das größte Geschenk, welches das Leben ihm bislang gemacht hat? „Musik!“

Er ist überzeugt davon, dass die Edenbridge-Anhänger vom neuen Album begeistert sein werden. „Und bin zuversichtlich, dass wir damit auch einige neue Fans gewinnen werden. Ansonsten stehen hoffentlich etliche großartige Livekonzerte und Erfahrungen für uns an!“

© Markus Eck, 15.01.2017

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