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Interview: EDENBRIDGE
Titel: Kunstvoll theatralisierte Klangkaskaden

So zahlt es sich nun letztlich doch vollauf aus, wenn man sich selbst ganze zwölf Jahre nicht nur stilistisch unerschütterlich treu bleibt, sondern seinen Stil auch noch kontinuierlich optimierend ausfeilt.

1998 gegründet, hielten Edenbridge nämlich seit den damaligen Anfangstagen bis heute an ihrer individuellen Vorstellung von allerfeinstem Symphonic Melodic Metal fest. Ein triftiger Freudengrund zum Feiern für Band und Anhänger also: Denn den vorläufigen Zenit hat das betont schöngeistige Epikerschaffen der beständigen Österreicher Sehnsuchtsseelen um Sängerin Sabine Edelsbacher auf dem aktuellen Wohlklangalbum „Solitaire“ erreicht.

Und dieser phänomenal instrumentierte siebte Langspiel-Ästhetizismus zeigt das gleichfalls erfreulich überlegt aufspielende wie bekanntlich erhebend monumental orchestrierende Ensemble nicht nur von seiner bislang am meisten verspielten und teils härtesten Anspruchsseite, sondern gibt simultan auch die bis dato schlüssigsten Kompositionsfacetten überhaupt frei.

Sabine hat sich eingangs einer Frage zu stellen, die sicherlich viele – sowohl Befürworter als auch Gegner – immer wieder beschäftigt: Was genau bedeutet für die Vokalistin das Kreieren von solcherlei bombastischer und feinsinniger Musik?

„Interessant, dass hier Gegner erwähnt werden. Mir fällt da ein afrikanisches Sprichwort ein, das besagt: `Wenn dich etwas kratzt, dann sitzt es im eigenen Fell.` In diesem Sinne gibt es für mich nur Leute, denen unsere Musik gefällt und jene, die sich lieber was anderes anhören – und das ist völlig in Ordnung so. Wenn du meinst, dass wir polarisieren, dann finde ich das nur gut. Denn das bedeutet, dass wir wahrgenommen werden. Für mich persönlich ist es jedoch wichtiger, wie es mir selbst mit unserer Musik geht und da mache ich die Erfahrung, dass sowohl meine Erdverbundenheit als auch meine Intuition sich im gleichen Ausmaß verfeinern. Ich weiß nicht inwieweit die Musik hierbei auf mich einwirkt, oder ob meine Entwicklung auf die Musik einwirkt. Ich denke jedoch, dass es ein Wechselspiel gibt und dass Kunst dadurch lebendig bleibt“, weiß mir die sehr spirituell veranlagte Dame zu berichten.

Wie sie gleich nachfolgend preisgibt, hatten Edenbridge in der Zeit nach dem vorhergehenden Album viel weniger geprobt und sind viel länger getourt. „Mir ist es sehr gut dabei gegangen, weil wir eine Menge Spaß hatten; wenn’s auch ziemlich anstrengend war.“

Ein idealer Tag beginnt für Sabine um acht Uhr morgens, wie sie noch offenbart:

„Wobei ich sagen muss, dass ich das meist nicht schaffe, weil ich eigentlich eine Nachteule bin. Ich mache mir dann einen schwarzen Kaffee zum Munterwerden und genieße mein Frühstück, weil ich an meinem idealen Tag vormittags nirgends hin muss. Dann setzte ich mich an den PC und checke Emails. Anschließend beschäftige ich mich mit den Inhalten meiner Homepage, die ich gerade aufbaue. Zwischendurch mache ich ein paar Stimm- und Wahrnehmungsübungen am Klavier; dabei fallen mir die besten Sachen ein. Zu Mittag werde ich asiatisch bekocht, oder ich koche auch gerne selbst. Keinesfalls darf es Fertigkost sein; das schmeckt mir nicht unbedingt. Nachmittags treffe ich mich mit einer Freundin zum Tee oder gehe alleine spazieren oder joggen. Frisch und munter mache ich mich über einen neuen Song her und singe diesen rauf und runter solange ich das Gefühl habe ich kann daran arbeiten ohne dass die Luft raus ist. Weil’s mich so richtig gepackt hat werde ich durch die Uhrzeit begrenzt, denn nach 22.00 Uhr möchte ich meine lieben Nachbarn nicht überstrapazieren. Aufgeladen durch das Singen ist mir das Sitzen beim Fernseher zu langweilig und ich mache lieber die übrig gebliebene Büroarbeit oder lese in einem spannenden Buch. So um Mitternacht richte ich über das Meditieren und gehe dann schlafen.“

Neben dem neuen Edenbridge-Album „Solitaire“ gibt es auch sonstiges wichtiges Neues bei Edenbridge, so Sabine. „Konzerte in Indonesien sowie eine Amerika- und eine Europatour sind in Planung. Wir sind erstmalig dabei ein Video zu drehen und beschäftigen uns daher zurzeit viel mit der visuellen Umsetzung unseres Songs `Higher`. Inhaltlich geht es dabei darum zu erkennen, dass wir bei Kämpfen in Wahrheit immer gegen uns selbst antreten und daher nie gewinnen können. Sobald wir uns aber selbst in allem erkennen, haben wir schon gesiegt und das höchste aller Ziele erreicht.“

Die Songs des neuen Werkes, so die Vokalistin im Anschluss, sind insgesamt vielleicht etwas melancholischer und atmosphärischer, aber auf jeden Fall abwechslungsreicher als auf dem „MyEarthDream“-Album:

„Bei einer Bandbreite von thrashigen Riffs bis zu Ambient Soundscapes haben wir, so denke ich, wieder neues Terrain erklommen, ohne unsere Trademarks zu verlassen.“

Musikalische Einflüsse für die neue Veröffentlichung gibt es laut Sabine wieder keine, weil Gitarrist Lanvall sich im Songwriting-Prozess noch immer möglichst die Ohren frei hält. Wir erfahren:

„Grundsätzlich ist er aber bis heute von seinem klassischen Lieblingsmusiker Anton Bruckner inspiriert, dessen Orchesterarrangements er intensiv studiert hat und dadurch gelernt hat die Partituren für das Orchester selbst zu schreiben. Damit erzielt der Orchesterklang bei Edenbridge natürlich auch eine gewisse Einzigartigkeit im Metal-Bereich.“

Wie sie weiter offenbart, lief der Kompositionsprozess für „Solitaire“ generell sehr entspannt ab.

„Nach unserer 2008er Tour mit Rage, die fast sechs Wochen dauerte, genehmigte sich Lanvall zwei Monate Auszeit. Aber schon in dieser Zeit sammelte er erste Ideen für das aktuelle Album. Das war im Sommer 2008. Im Herbst tourten wir dann noch in Korea, Benelux und Norwegen und dann ging es direkt an die Organisation und Nachbearbeitung unseres Live-Albums `LiveEarthDream`, das nur über unseren Fanshop erhältlich ist. Die Hälfte des Songmaterials war also bis November 2008 geschrieben, die andere Hälfte dann vom Frühjahr bis zum Sommer 2009. Im Sommer schrieb Lanvall dann sämtliche Lyrics für `Solitaire`.“

Die künstlerischen Ziele von Edenbridge sind immer sehr hoch angesetzt, so die Frontfrau. „Von Lanvall weiß ich, dass er sich musikalisch nicht wiederholen will, weil das für ihn keinen Sinn ergibt. So klingt jedes Album auch immer etwas anders und es ist erfreulich, dass sowohl unsere alten Alben bis hin zum letzten sich immer noch gut verkaufen und nicht in der Versenkung verschwinden. Die Musik entwickelt sich mit uns mit oder wir mit ihr und man gibt zu jeder Zeit sein Bestes, sonst würde es ja gar keinen Spaß machen.“

Sieht Sabine besagte Ziele nun aktuell vollends erfüllt? „Absolut. Ich bin zufrieden mit dem Resultat und schon gespannt, welche Facetten ich nach einer längeren Pause des Hörens und Singens selbst wieder entdecken werde. Wenn ich heute zum Beispiel unser erstes Album `Sunrise In Eden` höre, habe ich eine gänzlich andere Wahrnehmung als damals – und dies meine ich keinesfalls wertend; das ist schon spannend und freut mich auch.“

Was ihre sonstigen Bekannten, also außerhalb der Musikszene, zu ihrem Mitwirken beziehungsweise zur Musik von Edenbridge so sagen, erzählt sie ebenfalls gerne:

„Das ist ganz unterschiedlich. Wenn ich neue Leute, abseits der Metal-Szene kennen lerne, so löst das immer Verwunderung aus. Dieser Szene haftet wohl ein Image an, in dem ich ihrer Meinung nach nicht einzuordnen wäre. Früher habe ich es sehr genossen, die Leute damit zu erschrecken, weil ich diese Power in mir spürte, welche mir optisch nicht anzusehen war [lacht]. Meine besten Freundinnen, die allesamt keinen Metal hören, sind Liebhaber unserer Balladen und würden am liebsten ein Balladenalbum in Auftrag geben. Ihre Männer vertragen erfreulicherweise die ganze Bandbreite und sind unsere größten Fans.“

Das Gespräch dreht sich nachfolgend darum, wie sehr Edenbridge eigentlich weltweit erfolgreich sind. Sabine: „Unsere Alben wurden von Beginn an weltweit lizenziert und wir hatten somit einen sehr guten Start in einem Ausmaß, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Unsere Fanschicht scheint sehr konstant zu sein, selbst wenn der Markt generell starke Einbrüche erleben musste. Asien scheint ein besonderes Interesse an uns zu haben, was mich sehr freut, weil ich die asiatische Kultur sehr spannend finde und gerne dort bin. Natürlich arbeiten wir stetig daran unsere Fanschicht zu erweitern, wobei uns hoffentlich auch das neue Video behilflich sein wird.“

Was relevante Einflüsse und Inspirationen wie beispielsweise Bücher, Gedichte und Filme etc für die Lyriken der neuen Kompositionen anbelangt, so weiß Sabine zu berichten:

„Filme und die Natur sind hierfür meistens die Inspiration. Unsere Texte sind immer sehr metaphorisch und hintergründig geschrieben sind, wodurch auch die Mystik zum Ausdruck kommt. Manches muss der Hörer einfach für sich selbst erkunden – oder lässt einfach nur die Musik auf sich wirken und erfasst somit die Texte intuitiv.“

So geht es im Titelsong „Solitaire“ laut anschließender Aussage der Vokalistin zum Beispiel um die universelle Kraft in uns Menschen, die über die Jahrhunderte immer da war und immer existieren wird.

„Es ist der Diamant in uns, der unzerstörbar und einzigartig ist. Er kommt aber erst in der Kette so richtig zur Geltung. So wie auch jeder Wassertropfen einzigartig ist, aber in der Verbindung mit allen anderen Wassertropfen das Meer ergibt. Bei `Brothers On Diamir` geht es um die Geschichte der beiden Messner-Brüder Reinhold und Günther, die 1970 den Aufstieg auf den Nanga Parbat, zum ersten Mal über die damals noch unbestiegene höchste Steilwand der Erde, die Rupalwand, wagten. Den Abstieg von Nanga Parbat unternahmen sie aber über die Diamir-Flanke, wo Günther von einer Lawine verschüttet wurde und ums Leben kam. Seine Leiche wurde erst Jahre später vom Eis freigegeben. Die Freude über den errungenen Sieg der Wand und der Schmerz über den Verlust des eigenen Bruders liegen nah beieinander. In `Come Undone` geht es um einen Ort, wo man durch die Kraft, die dort herrscht, aufgeht und den man am liebsten niemals mehr verlassen würde. In Lanvall’s Fall war die Inspiration dafür ein hochgelegener Ort in den Tiroler Bergen.“

Die Produktionsphase begann für das neue Album Ende August 2009 mit den Drumrecordings im Wild One Studio in Wien, so Sabine – dann folgte eine Headliner Europatour im September. „Von Oktober bis Dezember 2009 folgten Gitarren, Bass und meine Vocalrecordings sowie akustische Instrumente in Lanvall’s Farpoint Station Studio. Dennis Ward hat seine Chöre wieder in seinem Studio aufgenommen und Robby Valentines Chöre hat Lanvall bei Robby in Holland aufgenommen. Im Januar flog er dann schlussendlich nach England zu Karl Groom ins Thin Ice Studio, um die CD in zwölf Tagen abzumischen, das Mastering wiederum erfolgte dann im Februar in den Finnvox Studios von Mika Jussila.“

Wenn sie selbst mit einer Emotion wie Wut oder Ähnlichem beschäftigt ist, so Sabine, dann singt sie keine wichtigen Aufnahmen.

„Weil es nicht funktioniert. Ich hätte in diesem Fall nicht meine ganze Bandbreite zur Verfügung, da ungelöste Themen und somit unangenehme Emotionen automatisch muskulär zumachen und sich damit der Raum für Ausdrucksmöglichkeit verkleinert. Was jedoch sehr wichtig ist, ist die Fähigkeit wie ein Schauspieler in eine Emotion reingehen zu können. Dafür muss man sehr wohl diese Gefühle kennen und in sich zulassen können. Um mich aber rein und wieder raus-switchen zu können, muss ich mich selbst total frei fühlen.“

Kennt ein lebensnaher Mensch wie sie, der so sehr in der eigenen Musik aufgeht, überhaupt so was wie echten Frust?

„Ja, wie du so schön meinst, bin ich ein lebensnaher Mensch und keine Elfe auf Wolke Sieben. Für mich ist nur wichtig, mich mit meinen Themen intensiv auseinander zusetzen und nicht auf immer und ewig im Leid zu baden. Am meisten habe ich gelernt, wenn es mir so richtig dreckig gegangen ist. Erfreulicherweise habe ich danach auch immer bemerkt, dass ich dadurch stets auch stimmlich zugelegt habe – ohne dass ich allzu intensiv geübt hätte.“

Ich erkundige mich zu diesem Kontext, was die ansehnliche Sängerin andererseits immer wieder auf dieser Welt erfreut. Sie antwortet ausholend: „Intensive Farben, beispielsweise die bunten Tulpen in meiner Vase am Wohnzimmertisch. Oder dass ich heuer zum ersten Mal an einem Hundeschlittenworkshop teilgenommen habe und Bekanntschaft machen durfte mit dem wunderschönen Husky namens Beauty. Dass ich tolle Freunde habe, mit denen ich endlos lachen kann, aber die mir auch zur Seite stehen wenn ich sie brauche. Und dass die Welt im Umbruch ist und wir erkennen dürfen, dass Regeneration möglich ist, wenn wir lernen, wieder auf unser Innerstes zu hören und uns damit Rückverbinden mit der Natur. Oder dass meine Oma heuer 89 Jahre alt wird und sich trotz Hörapparat gerne mal ein Edenbridge-Konzert ansieht.“

Apropos, Bühnenauftritte vor Publikum empfand die Kehlenkünstlerin sowohl als eine große Herausforderung als auch meistens als einen unheimlich schönen Energieaustausch zwischen Publikum und Band, wie sie wissen lässt. „Somit überwiegend als Bereicherung.“

Ich bitte die Frau im Weiteren, die Stellung von Edenbridge im weltweiten Symphonic Melodic Metal-Genre einzuschätzen.

„Wir befinden uns in einem stabilen Mittelfeld, das wir ständig bestrebt sind zu erweitern. Dafür sind wir aber nicht gewillt, uns angesagten Strömungen zu unterwerfen. Diese Überzeugung mag einerseits unsere Stabilität begründen, andererseits ist der große Durchbruch vielleicht auch nur möglich, wenn man Musik macht, die gerade den Zeitgeist trifft und in ist. Vielleicht sind wir das sogar auf eine bestimmte Art und Weise mit unserem neuen Album, wer weiß? Ich denke daneben auch, dass wir in Sachen Albumproduktion, nach jahrelanger Erfahrung sagen können, dass wir eine gewisse Selbstsicherheit entwickelt haben, die es uns eben ermöglicht unseren Weg zu gehen ohne blind zu sein was um uns geschieht. Ob all die Jungs in der Band immer bestens in sich ruhen, wage ich zu bezweifeln; es ist vielmehr immer etwas in Bewegung und birgt somit auch immer wieder Herausforderungen.“

So erhofft sie sich, wie sie sagt, dass das neue Album in die Charts kommt. „Ja, wünschen würde ich mir, dass unsere Musik diesmal so richtig einschlägt und auch jene erreicht, die uns vielleicht aus früheren Tagen kennen, aber unseren Entwicklungsweg nicht mitverfolgt haben.“

Die stimmstarke Österreicherin verkündet an dieser Stelle gerne noch einige letzte Worte an die treuen Edenbridge-Anhänger: „Vielen Dank, dass Ihr uns nun schon so lange begleitet und Euch an unserer Musik erfreuen könnt. Unser nunmehr siebtes Album lässt nicht mehr lange auf sich warten und wird in Europa am zweiten Juli veröffentlicht. Neuerungen rund um das Album erfährt Ihr auf unserer Homepage beziehungsweise via Newsletter. Alles Liebe für euch, eure Sabine.“

© Markus Eck, 21.04.2010

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