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Interview: DISMAL EUPHONY
Titel: Momentaufnahmen geträumter Psychosen

Mit ihrem aktuellen vierten Longplayer sind Dismal Euphony derzeit in aller Munde. Denn die etablierte Gothic Metal-Band ist auf „Python Zero“, wie schon der abstrakte Albumtitel des neuen Klangspektakels lanciert, erstmals grenzüberschreitend zu Werke gegangen.

Psychopathisch und abgedreht, uferlos, schräg und verloren, aber auch löblich innovativ und vor allem höchst interessant nimmt sich die aktuelle Veröffentlichung des Mut zu Neuem beweisenden Quintetts aus Stavanger aus. Denn die neue Direktive von Dismal Euphony klingt schlüssig und wie aus einem Guß.

Und letzteres war bei ähnlichen zurückliegenden Ergüssen der Kollegen, welche auch händeringend immer wieder neue musikalische Pfade erschließen, sei es auch aus mangelnder Inspiration heraus, eher selten zu vernehmen. Zu unausgegoren wirkten viele vergleichbare Platten aus dieser Ecke, verglich man sie mit ihren Vorgängern. Daher freue ich mich um so mehr für die sympathische Band um die wandelbare Sängerin und Frontfräulein Anja Natasha.

Anjas Stimme kommt auch auf „Python Zero“ trotz aller Veränderungen hervorragend zur Geltung.

Bravourös agieren Dismal Euphony einmal mehr auf qualitativ höchstem Niveau und balancieren diesmal sogar sicher auf dem schmalen musikalischen Grat zwischen Tradition und Moderne.

Songtitel wie „Magma“ oder auch „Plasma Pool“ reflektieren eindeutig das geänderte Gesamtkonzept.

Während des gebannten Hörens von „Python Zero“ offenbarte sich mir trotz der modifizierten Inhalts wieder wie erwartet ein alles überragender Gigantismus in den Stücken der Norweger, der einem die Nichtigkeit der eigenen Existenz schmerzhaft bewußt macht.

Was für eine bewegende Kraft wohnt den Stücken von Dismal Euphony doch immer wieder inne! Diese Band steht stellvertretend für die Möglichkeit, sich zu verändern, ohne die Wurzeln zu kappen und dabei sein Gesicht zu verlieren.

Groß ist daher meine Freude, mir von der reizenden Anja Natasha meine Fragen „Face to face“ beantworten zu lassen.

„Ja, du hast recht. Ich würde unseren derzeitigen Stil am ehesten als stark psychedelischen `New Rock` bezeichnen. Wir fühlten alle schon seit längerem, daß es Zeit für eine Veränderung war. So kann ich dir eigentlich keinen definitiven Grund oder Ursache dafür nennen. Es war ein ganz natürlicher Prozeß der Entwicklung von Dismal Euphony. Wir wollten schon länger etwas `rougher` werden und auch mehr Rock´n´Roll in die Kompositionen einfließen lassen. Schon beim Komponieren und dem darauf folgenden Einstudieren der neuen Stücke bemerkten wir die dabei entstehende Frische und Unverbrauchtheit, nach der jeder Künstler doch immer wieder sucht. So sind wir alle sehr glücklich mit den neuen Songs und können es kaum erwarten, wie das Publikum darauf reagiert.“

Dismal Euphony haben mit „Python Zero“ den Nerv der Zeit perfekt getroffen, ohne sich mit irgendwelchen Peinlichkeiten anzubiedern.

Die Stimme von Anja begeistert mich nun schon seit ihren Anfängen bei der Band. Wie kam sie eigentlich zum Singen?

„Als ich sechs Jahre alt war, begann ich im Stavanger´schen Rogaland Theater, erste kleinere Rollen zu spielen. Ich, d.h., zuerst die dortigen Leiter erkannten schnell mein Talent. So spielte ich in meiner 13-jährigen Laufbahn dort alle erdenklichen Charaktere. Lustige, traurige und dramatische“, berichtet mir die Sängerin.

Mit der Zeit kristallisierte sich dann natürlich auch ihre Begabung fürs Singen heraus: „Die Dinge nahmen ihren Lauf. Seit zweieinhalb Jahren bin nun bei Dismal Euphony. Ich kam als Ersatz für die alte Vokalistin Elin in die Band und war erstmals auf dem Mini-Album `Lady Ablaze` zu hören, von der wir auch ein Video aufgenommen haben. Es gefällt mir sehr gut bei den Jungs. Ich und Ole, der ansonsten noch den Baß bedient, teilen uns die Vox und ich scheine sowieso in den aktuellen Songs regelrecht aufzublühen“, kann Anja anschließend erfreut berichten.

Elin war als Sängerin keinen Deut schlechter. Was war denn der hauptsächliche Grund, daß sie die Band verließ? Die Antwort kommt umgehend:

„Sie entfernte sich innerlich immer weiter von Dismal Euphony. Mit der Zeit kam sie auch mit ziemlich konfusen und immer schlechter realisierbareren Ideen an, die natürlich dann auch nicht akzeptiert werden konnten. Daraufhin gab es ständig schwere Differenzen und die letzte Lösung war dann die Trennung, was der Band aber nicht leicht fiel.“

Wie und wo sieht Anja denn den Unterschied zwischen alter und neuer Sängerin?

„Elin und ich sind total verschieden. Nicht nur charakterlich. Auch stimmlich. Ihr Organ ist mehr für die alten Songs geeignet gewesen, während meine Stimme die derzeitigen Stücke meiner Meinung nach einfach besser intonieren kann. Meine privaten musikalischen Faves bewegen sich in den 70ern, und von daher bringe ich nun um einiges mehr Herzblut ein. Acts wie Jefferson Airplane und Shocking Blue, aber auch die Legende Frank Zappa haben mich musikalisch schon sehr geprägt. Aber auch mein Faible für irische und keltische Musik werde ich wohl nie mehr ablegen. So kann ich die neue Ausrichtung von Dismal Euphony nur begrüßen, die sich musikalisch auch des öfteren stark an den 70ern orientiert. Nimm nur mal den letzten Song vom Album, `Flyineye`! Der ist ganz stark inspiriert von Sergio Leone´s Spaghetti Western-Sounds. Auf diesem singe ich ursprünglich und ziemlich rauh. Und auch dieser Song klingt wieder sehr pychedelisch.“

Der Titel des neuen Albums klingt wahrhaftig ziemlich abstrakt. Anja erklärt: „Ja, da stimme ich zu. Ich finde aber, wir hätten keinen besseren wählen können. Er ist in hypothetischer Weise zu verstehen. `Zero` steht für die immer weiter ansteigende `Zero-`, also `Null`-Toleranz der gesamten Menschheit. Der reguläre Release ist für den 29. Januar 2001 vorgesehen, und wir sind, obwohl wir felsenfest an uns glauben, mehr als gespannt auf die Reaktionen.“

© Markus Eck, 09.01.2001

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