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Interview: DESTRUCTION
Titel: Mit dem Kopf durch die Wand

„Wir wollten eine abwechslungsreiche Scheibe machen, die alle Stärken der 25-jährigen Bandgeschichte beinhaltet“, lässt mich Bandboss Schmier eingangs erstmal in aller Aufrichtigkeit wissen.

Und wirklich: Hört man sich das brandneue zehnte Studioalbum „D.E.V.O.L.U.T.I.O.N.“ dieser teutonischen Genre-Vorreiter und -Galionsfiguren mit voller Lautstärke an, ist es eigentlich kaum zu glauben, wie energisch der Chef-Thrasher auch nach einem Vierteljahrhundert Band-Existenz noch immer am destruktiven Werk ist. Dabei schont der baumlange Überzeugungstäter glücklicherweise weder die dicken Saiten seiner Bassgitarre noch seine trainierten Stimmbänder.

Und gerade letztere werden im aktuellen Falle wieder mal arg strapaziert, was den hochgradig spitzzüngig phrasierten Vokalisierungen auf dieser enorm spielfreudigen Donnerscheibe unvermindert faszinierende Originalität ermöglicht.

Und das wirkt fatal ansteckend, denn auch der Rest des Trios malträtiert sein Instrumentarium gewohnt bissig und dynamisch wie es eh und je bei Destruction der erfreuliche Fall war.

„Eine große Portion `Agony` natürlich“, erwidert der langhaarige Lockenkopf auf meine Frage, was ihn als Künstler nach all den Jahren noch immer so derart frenetisch antreibt, dass am Ende granatenstarke Musik wie diejenige auf „D.E.V.O.L.U.T.I.O.N.“ dabei herauskommt.

Und Schmier legt dazu auch sogleich nach.

„Ich bin angewidert von unserer rücksichtslosen Gesellschaft. Sie schafft es jeden Tag aufs Neue, mich richtig anzupissen! Entschuldige meine Wortwahl, aber ich kann diese Welt nicht verstehen und das inspiriert ungemein wenn man harte Musik spielt“, gibt er lachend zu Protokoll.

Der begeisterte Tieftöner und Ausnahme-Shouter war laut eigener Aussage ohnehin schon immer ein unangepasster Querschläger.

„Schon als Teenager habe ich versucht gegen das Kleinbürgertum zu rebellieren. Es hat sich bis heute auch nicht viel geändert, weil die Menschen auf diesem Planeten sich leider nicht gebessert haben. Ich bin ein positiv denkender Typ, aber wenn ich hier alles toll finden würde, dann wäre ich wohl Volksmusikant geworden. Also um deine Frage genau zu beantworten: Natürlich hat Heavy Metal mein Leben verändert und mich um die Welt reisen lassen. Das prägt einen Charakter natürlich enorm. Aber verändert habe ich mich nicht wirklich – ich wollte eben schon immer mit dem Kopf durch die Wand!“

Und, Freizeit neben der Musik scheint dieser Individualist sowieso überhaupt nicht zu kennen, wie er verlauten lässt. „Was ist das? [lacht laut] Wenn ich mir Zeit nehme, dann mache ich Sport oder gehe mit Kumpels oder meiner Perle feiern. Mein Hobby ist beispielsweise Headhunter. Rock´n Roll ist ein 24 Stunden-Job!“ Im Idealfall zumindest. Destruction wollen zum Jubiläum, so Schmier, natürlich wieder einmal um die Welt touren. „Es gibt einige Länder, wo wir noch niemals zuvor waren – wie beispielsweise China oder Neuseeland, und viele Länder in denen wir lange nicht mehr gespielt haben; die Welt ist groß, ich freue mich auf neue Herausforderungen.“

Ich erkundige mich nachfolgend nach den nächsten abgesteckten Zielen für das Jahr 2008. Und der unverwüstliche Gildemeister verkündet:

„Ich bin sehr ehrgeizig, habe aber gelernt mit Niederlagen umzugehen. Als Musiker muss man mit viel Kritik umgehen können, was aber nicht gerade meine Stärke ist. Das Ziel muss immer sein, die bis dato geilste Scheibe zu produzieren. Ich hoffe wir schaffen es nach 25 Jahren noch, der Szene neue Impulse zu geben. Immerhin spielen gerade wieder viele junge Kids richtig geilen Thrash Metal. Ein kleines Ziel für 2008 wäre beispielsweise mit unserer neuen Scheibe `D.E.V.O.L.U.T.I.O.N.` unter die Top 50 der deutschen Charts zu kommen“, platzt es aus dem Redefreudigen zu diesem Kontext gleich noch anschließend an sein letztes Statement heraus.

Was Metal-Magazine anbelangt, so liest der gute Schmier laut eigener Aussage eigentlich alle, die er nur irgendwie in die Finger bekommen kann.

„Ich bin gerne informiert und lasse mir daneben ungern von einem Magazin eine Meinung rein drücken. Natürlich bin ich mit dem Metal Hammer groß geworden und das Rock Hard war auch lange meine liebste Klo-Lektüre, aber mittlerweile versuche ich mich nicht festzulegen. Leider bekommt man im Laufe der Jahre viel mit und sieht auch, wie es hinter den Kulissen läuft – das kann einen echt ernüchtern. Nicht jedes Heft ist auch wirklich immer fair zu den Bands; leider gibt es in diesem Bereich die so genannte `Vetterchen-Wirtschaft`; natürlich würde das aber nie jemand zugeben.“

Die rhythmischen Glanzleistungen auf der neuen Thrash-Liedersammlung des Trios können einen gestandenen Metaller schnell nachhaltig betören. Laut Aussage des Tieftöners und Sängers proben Destruction jedoch nur vor Auftritten oder Aufnahmen, da der Drummer in Berlin wohnt und der Rest der Band in Südbaden an der Schweizer Grenze. Er erläutert dazu grinsend: „Wer probt kann nichts. Wir spielen einfach viel, das hält fit!“

Das angeregte Interview-Gespräch tendiert dann auf einmal urplötzlich zu den alkoholisch orientierten Trinkgewohnheiten der unheiligen Thrash-Dreifaltigkeit. Und wir erfahren:

„Also, wir sind Weintrinker, die gerne mal ein Bierchen zischen und dann spätabends zum Schnaps greifen! Der Wein muss trocken sein: Carbanet und Sauvignon Blanc oder Riesling. Bei Bier beispielsweise stehe ich auf die Ossis: Radeberger ist sehr lecker. In Sachen Schnaps ist es schwer zu sagen für mich: Ich liebe Grappa und auch mal einen guten Single Barell Scotch Whisky! Aber es gibt leider viel zu viele leckere Getränke, die man im Laufe der Jahre rund um die Welt kennen lernt. Da müsste man mal ein `Spezial` drüber machen, ja, das wäre doch mal eine echt coole Sache!“

In der Tat, vielleicht wird diese Idee demnächst auf Metalmessage entsprechend umgesetzt werden.

Wie zu erwarten, hört Boss Schmier gerne die Klassiker des Metiers.

„Die werden nie langweilig. Aber ich ziehe mir auch gerne alles Querbeet rein. Da ich ja 24 Stunden am Tag damit zu tun habe, muss ich nicht zwangsläufig immer nur Thrash hören. Aber, eins ist klar: Laut muss es sein! Wenn ich Musik höre, geht das meistens nicht in Zimmerlautstärke. Natürlich ist Thrash nach wie vor die Musik, die mich am meisten berührt und aufputscht.“

Und die Aufgaben in der lauten Dreiertruppe sind klar verteilt. „Mike steht nicht so gerne im Mittelpunkt und hat abseits der Konzerte lieber seine Ruhe. Das muss man akzeptieren. Beim Songwriting sind wir ein eingespieltes Team. Da wir zusammen in den letzten Jahren bestimmt an die 1.000 Konzerte gespielt haben, definiert sich Destruction auch vor allem in der Live-Situation. Sehr wichtig ist auch, dass wir alle unsere gegenseitigen Macken kennen, genau so wie ein altes Ehepaar! [grinst schelmisch] Nobody is perfect!“

Überhaupt, so Schmier, der unbändige Thrash-Dreier macht auch im Jahr 2008 eben genau das, was er am besten kann und schon immer spielen wollte.

„Destruction ist die Symbiose, die Vision zweier Metal-Kauze und einem Hammer-Drummer. Wir haben unser Ziel längst erreicht, und wenn wir noch ein paar Jahre auf dem Niveau weiter lärmen dürfen, ist das doch sensationell. Die Ziele und die Richtung haben sich nie groß verändert, allerdings lassen wir uns auch nicht limitieren.“

Mit Gitarrist Mike schreibt Schmier meistens innerhalb von wenigen Wochen alle Songs zusammen, wie der Bassist berichtet.

„So behält man den Überblick, außerdem funktioniere ich unter Druck am Besten. Mike schreibt viele Riffs, die wir dann mit meinen Ideen ergänzen und in Songs umwandeln. Wir haben da mittlerweile ein gutes Rezept. Texte mache ich allerdings erst wenn die Grundgerüste stehen, damit die Hooklines zu den Songs passen und auch richtig integriert werden.“

Eine neue Scheibe ist laut Meinung des Meisters der hohen Kehlenlaute vergleichbar mit einer Abschlussprüfung.

„Da staut sich viel Druck an. Allerdings fühlt man sich danach bestimmt so ähnlich, wie sich Eltern nach einer Geburt fühlen müssen. Jede neue Platte ist eine neue Herausforderung. Eine 25-Jahre-Jubiläumsscheibe wie die aktuelle ist dann ungefähr so aufregend wie die Geburt von Fünflingen!“

Und die drei Thrash-Rabauken hatten sehr viel Spaß bei Produzent Jacob Hansen in Dänemark: „Sein Studio liegt im Nirgendwo im dänischen Flachland. Ideale Voraussetzungen um konzentriert zu arbeiten. Wir haben circa 15 Tage lang aufgenommen und dann nochmals circa zwölf Tage in Ruhe alles abgemischt“, so Schmier.

Sind nach allen Jahren mit Destruction und Headhunter eigentlich überhaupt noch künstlerische Schwächen bei diesem Thrash-Urviech auszumachen, so frage ich. Er legt sich sogleich dazu ins Zeug, laut kommentierend:

„Du machst wohl Scherze, was? Ich bin zufrieden, sehr zufrieden! Wenn das nicht so wäre, würdest du das aber auch nicht erfahren! [lacht sehr laut]. There is no business… Du kennst das ja, Markus. Ich denke, der brachiale Sound und die abwechslungsreichen Songs sind die großen Stärken der neuen Scheibe! Meine Vocals sind bestimmt auch noch mal ein Tick besser geworden, außerdem gibt es haufenweise geile Riffs und heißblütige Solis (mit einigen tollen Gästen) und unser Schlagzeuger Marc hat endlich mal einen Drum-Sound bekommen, der einen an die Wand nagelt.“

Und laut Aussage von Schmier beeinflusst sich Destruction, die Szene-Größe, schon immer selbst.

„Ich denke, dass wir auch im aktuellen Falle einfach unseren Horizont etwas erweitert haben und trotzdem noch immer 100 % wie Destruction klingen. Die Einflüsse sind die gleichen wie immer: NWOBHM, Punkrock und eine gute Portion Wahnsinn.“

Die Welt in der wir leben bietet Futter für Millionen von Songtexten für seine beiden Bands, so der sozialkritische Lyriker mir gegenüber noch in aller Offenheit.

„Ich werde fast wahnsinnig auf diesem Planeten – ist das tiefgreifend genug? Also, was ich schreibe, fühle ich auch zu 100 %. Wir sind keine Schauspieler die Märchen erzählen. Thrash Metal ist echt und eine Lebensseinstellung die mir hilft, die ganze Grütze zu verarbeiten. Und darauf trink ich jetzt noch ein Bier!“, prostet mir der Kerl abschließend nochmals merklich durstig zu.

© Markus Eck, 18.08.2008

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