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Interview: DARKWOODS MY BETROTHED
Titel: Lange geplant

Ganze 22 Jahre nach dem letzten Album eine Reunion, das allein kommt schon selten vor - doch die Finnen um Sänger Pasi ‚Emperor Nattasett’ Kankkunen punkten auch noch mit Spitzenmaterial!

So können Old School Black Metal-Fans mit epischen Sehnsüchten auf dem neuen und vierten Langdreher „Angel Of Carnage Unleashed“ allerhöchste Wonnen erleben.

Wie Bassist Teemu ‚Hexenmeister’ Kautonen berichtet, brach der 1994 initiierte Bund nie auseinander. „Auch wenn wir keine neue Musik aufgenommen haben, hatten wir immer Kontakt miteinander gehabt über die Jahre. Vor allem gibt es jeden Sommer ein Wochenende mit der ‚alten Gang‘ aus Kitee - der Ort, in dem wir aufgewachsen sind - inklusive Tuomas Holopainen, und da haben wir jedesmal angeregt über die Rückkehr von Darkwoods My Betrothed geredet.“

Durch allerlei Karrieretechnisches und das jeweilige Familienleben musste dieses Vorhaben jedoch stets verschoben werden. „Im August 2020 hat Tuomas uns dann angerufen - Nightwish mache eine Tour-Pause wegen Covid, sagte er - sowie: ‚Jungs, entweder machen wir das Album, über das wir die letzten zehn Jahre gesprochen haben, jetzt oder nie!‘“

Gitarrist Jouni ‚Hallgrimm‘ Mikkonen, Pasi und Teemu als ursprüngliche Bandmitglieder diskutierten dies und entschieden schnell, dass es nun endlich so weit sei. Teemu erinnert sich:

„Jouni hatte ohnehin viele Riffs in der Tasche, welche er über die Jahre entwickelte und die er als Basis für Songs wie ‚In Evil, Sickness And In Grief‘ nehmen konnte. 80% des neuen Materials haben wir in den Wochen nach der Entscheidung, das Album zu machen, geschrieben. Zum Beispiel die zweite Single ‚Murktide And Midnight Sun‘, habe ich in den ersten drei Tagen nach der Comeback-Entscheidung geschrieben. Ich glaube, wir alle trugen bereits viel an neuem Darkwoods My Betrothed-Material in uns - und dies fand in den neuen Songs einfach einen ‚Ausweg‘.“

Viele alte und neue Fans der Gruppe reagierten enthusiastisch. „Es hat uns total überrascht, wieviele Leute es gibt, die sich jahrelang neue Lieder von uns gewünscht hatten. Ich denke, sie alle werden nicht enttäuscht sein. Das neue Album hat alle Elemente, die Darkwoods My Betrothed ausmachen und diesmal wurde das Ganze von Tero Kinnunen auch absolut professionell produziert. Aber eben nicht ‚totproduziert‘ - es ist unsere Musik, wir spielen und singen und es ist keine Gruppe von ‚Robotern‘ am Start.“

Zwei Dekaden sind eine lange Zeit, in der viel passiert auf persönlicher Ebene - ist Teemu immer noch derselbe Black Metal-Enthusiast, der er damals war?

„Jouni und Pasi sind immer noch Black Metal-Enthusiasten. Ich war das eigentlich nie. Klar, bin ich ein Superfan von Bathory, aber mir haben immer die langsameren Songs am besten gefallen. Und, klar, die ersten Scheiben von Emperor sind genial. Aber: wenn ich Musik anhöre, gehe ich meistens zurück auf die 1980er. Du kennst mich Markus und unsere Listen der besten Alben aller Zeiten überlappen sich: Agent Steel, King Diamond, Candlemass, Bathory – und natürlich Queensryche aus der Zeit vor dem Ausstieg von Chris de Garmo. Geoff Tate ist meine absolute Nummer 1 im Metal - eine Ausnahme! Und ich wette, Markus, du sagst das Gleiche zum neuen Helloween-Album: genauso wie wir, haben die Jungs ihr bestes Album nach über 20 Jahren geliefert!“

Wie kam Tuomas eigentlich in die Band, werden sich viele fragen. Und auch, wie die Zusammenarbeit mit ihm so läuft.

Teemu: „Tuomas war ja immer dabei. Er und unsere ganze Truppe sind Freunde seitdem wir 13 Jahre alt waren. Der erste Song, den er aufgenommen und auf einer CD veröffentlicht hat, war das Outro auf ‚Heirs Of The Northstar‘ - dem Debütalbum von Darkwoods My Betrothed in 1995, drei Jahre vor der Geburt von Nightwish. Die Idee, dieses Album aufzunehmen, kam von Tuomas, also war er von Anfang an total dabei. Ich glaube, dass es ihm sehr wichtig war, ein Projekt, worüber wir mehr als zehn Jahre geredet hatten, genau mit der alten Gang zu verwirklichen. Dieses Mal konnte er nur ein Musiker in der Band sein, wo Jouni, Pasi und ich die Verantwortung übernahmen, aber eben so, dass Tuomas bei jedem Song von Anfang an Inputs gegeben hat. Einige der schönsten Momente auf dem Album sind entstanden, als wir in seinem Haus in Ostfinnland aufgenommen haben - zehn Tage, welche zu den besten in unserem Leben wurden! - und dort einfach alles besprechen, Ideen erschaffen und gleich realisieren konnten. Er hat offen gefragt, ob er Session- oder volles Mitglied sein sollte und uns - Pasi, Jouni und mir - war es sofort klar: Tuomas ist genauso ein Teil von Darkwoods My Betrothed wie wir. Wir hoffen, dass wir den Kai (Hahto) beim nächsten Album überzeugen können, mit uns auf Fotos zu posen.“

Laut Teemus Einschätzung erwartet die geneigten Hörer auf „Angel Of Carnage Unleashed“ auf musikalischer Ebene grundsätzlich dieselbe Mischung von Elementen, welche bereits auf den ersten beiden Alben „Heirs Of The Northstar“ und „Autumn Roars Thunder“waren. 



„Black Metal-Songs, die wie ein Bohrer durch den Kopf gehen, aber auch epische Lieder der Art von Bathorys ‚Hammerheart‘ und Falkenbach, wobei Gesangsmelodien die Hauptrolle spielen. Die Mischung von Brutalität und Melodien ist unserer Meinung nach genau das, was eben den Darkwoods My Betrothed-Sound definiert. Dieses Mal achteten wir auch supergenau darauf, dass jeder Song auch passende Lyrics hat. Die Texte auf diesem neuen Album sind absolut genial.“

Er selbst war der Einzige, so sagt der Hexenmeister, der eine Ahnung von moderner Studiotechnologie hatte, weil er ein Album mit ‚Klassikern‘ seiner alten Band Nattvindens Grat unter dem Namen Welkins Boreal aufgenommen hatte. 



„Wir sind ja schon alte Hasen. Erst nach einer Weile haben wir Software-Lösungen gefunden, die uns erlaubt haben, Demo-Versionen von allen Liedern aufzunehmen und gegenseitig mitzuteilen. Wir wohnen weit voneinander weg, also müssen wir so arbeiten. Aber: wir haben Demos aufgenommen, diese diskutiert, und sind dann mit dem Schlagzeuger Kai Hahto ins Studio gegangen mit einer klaren Idee, wie die Songs sein werden.“

Auf die Frage, ob er für „Angel Of Carnage Unleashed“ einen Maincomposer nennen kann, kommt ein klares „Jein“. Mehr: „Wir haben gleich zu Anfang des Projektes entschieden, dass wir das Songwriting durch drei teilen, so wie bei ‚Autumn Roars Thunder‘. Also hat Jouni drei Songs geschrieben, Pasi auch drei und ich zwei, aber dafür lange epische Stücke. Also, von den Minuten auf dem Album, haben wir alles geteilt durch drei geschrieben, mehr oder minder.“

Am allermeisten kommt den Beteiligten auf zwei Bedingungen an, wie in dem Kontext noch von dem Bassisten zu erfahren ist. „Erstens müssen die Songs absolute Hämmer sein - keine Kompromisse, auch keine im Studio! - und zweitens müssen diese die Vielfalt der Musik der Band widerspiegeln. Also, eine Mischung von epischen Songs und brutaler Gewalt heißt das Rezept!“

Mit „Murktide And Midnight Sun“ ist den Urhebern ein echter Kracher gelungen - wie schafft man es nach so vielen Jahren des Pausierens einer Band, solcherlei Magie zu entfachen?

„Es freut mich sehr, dass dir eben dieser Song so gut gefällt, weil es einer von ‚meinen‘ zwei Songs auf dem Album ist. Er ist mir einfach auf einem Spaziergang am Tag nachdem wir uns entschieden haben, das Projekt zu machen, eingefallen. Ich habe die Melodien in mein Handy eingesungen und nachher die Riffs und Arrangements entwickelt.“

Als der harmonische Dialog die thematischen Inhalte der neuen Songs aufgreift, konkretisiert sich die Miene des belesenen Tieftöners sichtlich. „Es gibt da definitiv einen lyrischen roten Faden! Wir haben das Thema am Anfang des Projektes diskutiert und wir alle waren einig, dass wir wieder etwas Originelles finden müssen. Die Ära des ‚Great Northern War‘ (1700-1721) ist überraschend vergessen, auch wenn es eine absolut grauselige Zeit war, in der zehn Prozent unserer Bevölkerung durch den Krieg und seine Nebeneffekte wie Hunger und diverse Erkrankungen starb. Wir wollten etwas Neues machen und nicht wie Sabaton über die Glorie des Krieges singen. Unsere Texte drehen sich um die Erfahrungen von ‚normalen Menschen‘ wie dich und mich in dieser Ära. Ich hatte die Ehre, mit einem super talentierten Texter zu arbeiten. Auf allen alten Darkwoods My Betrothed-Alben habe ich die Texte geschrieben, aber dieses Mal habe ich nur die Ideen entwickelt und Steven Parham hat die Texte verfasst. Ich liebe diese Texte. Für mich persönlich zählen Stevens Texte zu den besten in der Geschichte des Metal.“

Befragt, ob die Finnen bereits an neuen Songs für ein weiteres Album arbeiten, kommt positives Feedback. „Wir haben bereits darüber gesprochen - und wir sind uns alle einig, dass die ‚Neue‘ nicht das letzte Album von Darkwoods My Betrothed ist. Wir wollen auch, dass es künftig etwas schneller geht als 23 Jahre. Ich habe bereits schon ein paar erste Ideen aufgenommen - und ich glaube, die Jungs - Jouni und Pasi - auch. Wir müssen einfach eine passende Gelegenheit finden, wenn wir genug ‚Denkraum‘ haben, um neue Songs zu entwickeln und Tuomas als auch Kai die Zeit haben, um sich auf dieses Projekt fokussieren zu können. Ohne diese Jungs ein Album zu machen ist einfach undenkbar.“

Live-Gigs würden Darkwoods My Betrothed sehr gern spielen, so Teemu. „Wir haben auch schon mehrere Angebote bekommen. Genauso wie mit dem neuen Album möchten wir aber auch diesbezüglich einfach alles Hundertprozentig machen. Für Live-Auftritte können wir es aber leider nicht, weil regelmäßige Proben nicht möglich sind. Ich wohne 6.000 Kilometer von Pasi und Jouni entfernt, Tuomas wiederum 200 Kilometer von den Jungs und Kai auch ganze 500 Kilometer. Lieber spielen wir also gar nicht live als schlecht. Die Songs verdienen schließlich eine optimale Live-Performance.“

© Markus Eck, 25.10.2021

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