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Interview: CRIMSON VEIL
Titel: Akustische Bildhauerei

Wenn derart verträumt-visionärer Alternative Metal sich auf so zarte Melodien und schwebend entrückende Gesänge von geradezu schamanischer Wirkung einlässt, dann kommt vielfach fesselnde Musik wie diese dabei heraus.

Das verflucht spannende Debütalbum der britischen Sinnsuchenden trägt den passenden Titel „Hex“ - und wie Sängerin Mishkin Fitzgerald offenbart, kommt der eklektische Stil ihrer außergewöhnlichen Band primär dadurch zustande, dass das Line-Up recht gegensätzliche musikalische Interessen hat.

„Jazz, Klassik, Avantgarde, Prog, Experimental, World Music und sogar Pop. Metal und Progressive scheint der Bereich zu sein, in dem wir uns alle kreuzen, deshalb klingt es wohl ungewöhnlich, aber auch ziemlich kohärent. Solange es dunkel und schräg ist, sind wir uns einig.“

So viele verzweifeln daran, etwas wirklich Neues und Packendes im Metal zu schaffen, aber die Kompositionen von Crimson Veil klingen, als wären die ziemlich erfahrenen Composer eigens dafür geboren.

„Ich denke, dass unsere Streicherin Hana Piranha und Gitarrist Garry Mitchell im Allgemeinen gut darin sind, ein Ohr für neue Bands zu haben und ihre Entdeckungen bei uns einzubringen, während Drummerin Anna und ich dazu neigen, fast vollständig in unserer eigenen Welt zu leben und Musik eher aus einer introvertierten oder spirituellen Geisteshaltung heraus zu schaffen. Allerdings waren wir alle im Laufe der Jahre auf so vielen Konzerten und haben mit so vielen Künstlern gespielt, dass es schwierig ist, nicht etwas Neues aufzusaugen. Wir alle lieben es, Musik zu entdecken, also sind wir immer offen dafür, auch wenn wir nicht danach suchen - aber wir folgen definitiv keinen ‚Trends‘ ... das ist ein schmutziges Wort bei Crimson Veil.“

Um einen Song zu schreiben, so Mishkin, machen sie sich zusammen normalerweise zunächst Gedanken über einen ungewöhnlichen Polyrhythmus, vielleicht etwas von Meshuggah oder Wheel.

„Aus dieser Inspiration entwickeln wir dann eine eigene Schlagzeug- und Gitarrenidee, die Garry und Anna zu einem headbangenden Groove formen. In der Zwischenzeit sitze ich am Klavier und schreibe seltsame und schöne Akkordfolgen, während Hana auf ihrer Geige spielt oder ihrem Cello bzw. ihrer Harfe wunderschöne und dunkle Melodien entlockt. Dies ist der Anfang eines Crimson Veil-Songs. Wir treffen uns dann als Gruppe, um die Songs zu strukturieren und Strukturen aufzuteilen. Dann verbringen wir einige Zeit getrennt voneinander und nehmen einzelne Ideen auf. Ich stelle dann in der Regel die endgültige Struktur zusammen und dann haben wir ein fertiges Demo. Das kann sich im Laufe des Aufnahmeprozesses jedoch noch viele Male ändern. Ein Song kann bei uns echt sehr lange dauern ... es ist wie bei einer Skulptur, man kann es also absolut nicht überstürzen.“

Als der Autor die ersten Töne der neuen Veröffentlichung hörte, dachte er, es klingt wie Lana Del Rey auf einem diffusen und psychedelischen Metal-Trip, was ja letztlich nur interessant sein kann. Mishkin dreht dazu gleich auf:

„Das ist ja ein Ding, wir alle lieben Lana - sie läuft immer in unserer Van-Stereoanlage! Zu ein paar psychedelischen Trips würde ich auch nicht nein sagen. [ lacht ] Unsere Lieblingskünstler sind tatsächlich Opeth, Porcupine Tree, Tool, Igorrr, Haken, Dillinger Escape Plan, NIN und Gojira. Wir würden glatt dafür sterben, mit jedem dieser unglaublichen Künstler auf Tour zu gehen.“

Um Nennung ihres ganz persönlichen Favoriten des neuen Albums „Hex“ gebeten, lässt die Vielseitige wissen: „Tatsächlich der Titeltrack! Er hat einfach alles, was uns als Band ausmacht - Polyrhythmen, ungerade Taktarten, weichen, ätherischer Gesang, hypnotische Melodien, satte Gitarren, okkulte Texte, rituelle Magie, Deathgrowls, Schönheit und Terror. Komplett alles, was wir in einem Song repräsentieren möchten. An zweiter Stelle steht bei mir ‚Opulence‘, welcher vielleicht der beunruhigendste Song aller Zeiten ist.“

© Markus Eck, 15.08.2024

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