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Interview: BUSH
Titel: Lieder, die ihre Hand reichen

Wenn man als 1991 gegründete Rockband gegenwärtig das zehnte Studioalbum veröffentlicht, zeugt allein dieser nüchterne Fakt von tiefster Liebe zum eigenen Tun. Doch bei den weltberühmten britischen Alternative Rockern Bush gibt es gerade wiederholt so viel mehr abzufeiern als ihre ebenso beständige wie stets ureigene musikalische Erscheinung - denn das endlos tiefgründige Charisma von „I Beat Loneliness“ gelang den Urhebern um Ausnahmesänger Gavin Rossdale ungemein lebendig und fesselnd!

„Ja, wirklich eine sehr spannende Platte, die in der Tat betont ernsthaft und erfrischend gleichzeitig zu wirken imstande ist“, konstatiert Gavin, dessen anhaltend großartige Stimme auf dem neuen Release auf weiten Strecken wie ein vollwertig tragendes Instrument eingesetzt wird.

Auf den enorm gewichtigen Opener „Scars“ sowie auf die zuvor herausgegebene Single „The Land Of Milk And Honey“ angesprochen, gerät die Miene des Vokalisten zunächst ins nachdenkliche Schwärmen. 



„Das ganze Album wurde letztlich zu unserem gewissenhaftesten und oftmals prägnantesten Ergebnis bis dato. Wir alle werden älter und erfahrener mit der Zeit - und so stiegen bei uns auch die Möglichkeiten der Aus- und Bearbeitung an, was den Liedern diesmal enorm zugute kommen sollte; wir konnten erfreulich zeitnah und bisweilen sogar absolut punktuell an den Song-Ideen und ihrer Fortentwicklung werken, ohne das wertvolle Zeit und entsprechendes Feeling ungenutzt vorbeizogen. Das ist der hauptmaßgebliche Grund dafür, dass das neue Material insgesamt so kohärent und intensiv schlüssig erscheint.“

Den jüngst vollzogenen Songwritingprozess hat der Sänger ohnehin sehr genossen, wie er wissen lässt.

„Ich verspürte von Anfang an jeweils eine außergewöhnliche und enge Verbundenheit zu diesen Kompositionen, obwohl es teils auch eine ‚wilde Reise‘ war. Ich sage es mal so: Man ist selbst auch immer die beste Version von sich selbst. Eddie Vedder ist als Sänger auf seine Weise ganz fantastisch, aber beispielsweise auch Rapper Post Malone. Individualität und vor allem auch Selbsterkenntnis hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten sind da einfach unabdingbar - man sollte also so tief wie möglich in sich selbst hineinhorchen und vor allem auch fühlen, um stimmlich zu maximaler Authentizität und Höhe zu gelangen. Viele Gefühle werden ja sehr komplex und verschachtelt empfunden, was nicht selten zur einer echten Herausforderung werden kann.“

Wie Gavin dazu ergänzend sagt, machte er sich auch im Vorfeld zum aktuellen Bush-Werk wieder mal eine wahre Unmenge an Gedanken zur derzeitig vorherrschenden Weltsituation.

„Es scheint leider immer mehr Irre, Verrückte und Wahnsinnige zu geben bzw. kommt es einem aufgrund vielfach medialer Berichterstattung so vor, was in großen Teilen unserer Erde an Schmerz, Leid und Verlust vor sich geht. Kriege und Krisen, schreckliche Terroranschläge und mörderische Amoktaten, Intrigen, Fake-News voller Hass und Hetze sowie unglaublich kaltschnäuzige Verlogenheit und all der Betrug an sich mitsamt ansteigenden Kriminalitätsraten auf mannigfaltigen Ebenen: All das wird offenbar mehr und mehr und ein Ende ist ja gar nicht in Sicht, eher das Gegenteil, was das ‚emotionale Bluten‘, wie ich es nenne, in der Menschheit eigentlich schier grenzenlos macht.“

Und so ist erwähnter Song „The Land Of Milk And Honey“ definitiv und klar als fundamentale Kritik an seiner Wahlheimat USA gedacht, so offenbart der hauptsächlich in Kalifornien Lebende. „Es ist ja schon längst nicht mehr das, was es mal war bzw. zu sein schien. All die Ungerechtigkeit, Ungleichheit etc. führt der ganzen Welt tagtäglich unübersehbar vor Augen, dass auch hier einfach ganz gewaltig etwas nicht stimmt bzw. in Ordnung ist. Für viele geht es mittlerweile jeden Tag primär um existenzielle Belange - von Lebensfreude oder Hoffnung und Freude sehr weit entfernt.“

Bereits das 2022er Vorgängeralbum „The Art Of Survival“ wurde aufgrund derartig vorangegangener, insbesondere sozial- und gesellschaftskritischer Gedankenspektren zu einer sehr kraftvollen und intensiven Angelegenheit, so ist von dem gänzlich reflektierten Kehlen-Champion zu erfahren.



„Und diesmal beschäftigte mich auch eine Erscheinung, die jeder entweder von sich selbst oder aus dem engeren Kreis bestimmt bereits persönlich kennt: Die Vereinsamung so vieler Menschen, die bedauerlicher Weise auch hochgradig rasant zunimmt. Die Gründe sind sicherlich überaus vielfältig, aber irgendwie wird auch dies eher schlimmer statt besser. Als mir der Songtitel ‚I Beat Loneliness‘ in den Kopf kam, war ich ‚positiv schockiert’ und dachte mir dann gleich, was für einen fantastischen Albumtitel das doch auch abgeben könnte - und dann war es auch schon beschlossene Sache! Ich selbst habe es auch im Laufe meiner Karriere erleben müssen - Einsamkeit, wie auch immer geartet, kann ein Killer sein. Und weil ich zuvor das Thema Hoffnung ansprach - Einsamkeit lässt sich schlagen, lässt sich sogar besiegen, wenn man sich nur erstmal öffnet und nach ‚draußen‘ geht. Ich weiß, einfach ist das natürlich nicht, und es benötigt eine Portion an Mut - aber zu schaffen ist es, wenn man es nur wirklich will.“

© Markus Eck, 20.06.2025

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