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Interview: ARKONA
Titel: Geistertanz der Naturkraft

Schamanisch spirituell, archaisch besinnend und geheimnisvoll mystifizierend geben sich die russischen Pagan Folk Metal-Meister auf ihrem neuen Album „Khram“.

Sängerin Masha ‚Scream‘ Arkhipova und ihre vier eingeschworenen Mitstreiter offenbaren sich den Hörern damit so tiefgründig wie niemals zuvor.

Dabei auch musikalisch noch vielfältiger, weil offener für ebenso originelle wie passende Erneuerungen, hievt die außergewöhnlich erfolgreiche Vereinigung von unbeirrbaren Überzeugungsmenschen ihr eigenständiges Material weit über das Genre hinaus.

Einer faszinierenden Metamorphose gleich, beweisen Arkona in bravouröser Weise lohnenden Mut zu Weiterentwicklung, seit 2002 anhaltend auf der grundehrlichen Suche nach sich selbst.

Wie Masha erzählt, wurde die bereits mit dem 2014er Vorgängeralbum „Yav“ angedeutete Richtung zur heutigen Stilistik ihrer Formation nicht von allen Fans entsprechend aufgenommen beziehungsweise verstanden.

Doch darum schert sich diese urwild gebliebene Seele nicht, wie sie mit riesigem Selbstwertgefühl in der Stimme klarstellt.

„Im Großen und Ganzen bekamen wir für ‚Yav‘ letztlich das, was wir uns reell auch erwartet haben. Das Album stellte für unsere alten Fans eine ziemliche Überraschung dar, die nicht immer mit offenen Armen aufgenommen wurde. Viele waren davon restlos begeistert, so einige wendeten sich verdutzt eher wieder unseren Frühwerken zu. Uns kümmert derlei nur marginal, da wir die Musik im Kern ohnehin primär für uns selbst kreieren. Unsere Lieder würden nicht werden wie sie sind, wenn wir ständig darüber sinnieren würden, was die Leute am Ende davon halten. Uns macht es natürlich aber auch glücklich, wenn jemand das neue Album so sehr lieben wird wie wir es tun.“

Sie selbst tut sich eher schwer damit, den neuen, weiteren Arkona-Sound angemessen zu beschreiben, bekennt die Frontfrau, die auf der Bühne mit beachtlich furiosen und fesselnden Darbietungen bekannt wurde.

„Mir fehlen immer noch die Worte, um eine genaue Einschätzung zu bieten. Nicht, dass ich nicht hin und wieder darüber nachgedacht habe, in welche Direktive das Ganze aktuell eigentlich gegangen ist. Ich denke, das liegt daran, dass diese neuen Kompositionen so divers, vielfältig und komplex geworden sind. Mir ist es daher am liebsten, wenn die Menschen den Liedern und dem Gesamtklangbild von ‚Khram’ ganz offen und individuell auf den Grund gehen und sich ihr ganz eigenes Bild davon machen. Natürlich, darüber sind wir uns im Klaren, muss man diese spezielle Scheibe dazu schon einige Male anhören.“

Mit solchermaßen inbrünstig angelegten, verspielt penetrierenden und erhaben-atmosphärischen Passagen wie beispielsweise im Song „Tseluya-zhizn“ erschließt sich die ausgeprägte Liebe in dieser Ausnahmegruppe zu vollendeter Perfektion.

Die Vokalistin lässt dazu wissen, dass sie als Arkona-Maincomposer genannte, stimmungsvolle Arrangements stets gleich mit einfließen lässt.

Da geht sozusagen eins ins andere über, sagt Masha.

„Ich benutze dabei sehr gerne das ‚Cakewalk Pro Audio’-Programm. Ich dokumentiere die gesamte Komposition eines neuen Liedes mit allem drum und dran in Midi-Dateien, womit ich nach der Fertigstellung eines Songs sämtliches musikalisches Material fertig zum Gebrauch am Start habe. Anfänglich wird natürlich sozusagen alles in meinem Kopf geboren. Ich sehe und höre dann in der Regel sogleich in einer Art Vision, wie sich jedes Instrument anhören soll. Und dabei fühle ich auch, wie die Instrumente dafür miteinander kombiniert werden müssen. Mittlerweile habe ich eine Menge Erfahrung damit, Songs zu arrangieren, daher fällt es mir ziemlich leicht, alles auf einmal zu erstellen. Daher bleibt 99 % meiner gemachten Vorarbeit bei den Aufnahmen im Studio vollkommen unverändert.“

Und somit entstehen selbst monumentale Tracks mit ungewöhnlichen Überlängen, die wie eben „Tseluya-zhizn“ diesmal bis zu 17 Minuten an Spieldauer einnehmen, ebenso ungeplant wie intuitiv.

Masha bleibt weiterhin gelassen: „Es ist für mich beim Songschreiben völlig ohne Relevanz, wie lang ein Stück letztlich wird, auch das geschieht ganz einfach. Es gerät eben alles zu einem unvorhersehbaren Ergebnis meiner Kreativität.“

Emotional aufrichtiger und mit mehr genuiner Hingabe, als es das beständige Moskauer Quintett tut, kann man diese Art von Metal wohl nicht inszenieren. Daher hört sich auch „Khram“ trotz aller intensiven Momente und Kontraste so sehr natürlich an. Die heidnische Amazone bejaht:

„Stimmt, ich empfinde das neue Album auch als unser bislang gefühlsbetontestes Werk. Erfüllt von Schmerz, Traurigkeit, Träumen, Erfahrungen, Erinnerungen und sehr persönlichen Gedankengängen. Diese Bestandteile haben sich mitten in mir zu einem Ganzen verflechtet. Und ich kann nicht sagen, was davon dominiert - alles ergänzt sich und interagiert miteinander.“

© Markus Eck, 27.11.2017

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