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Interview: AETERNITAS
Titel: Gemeinsame Gefühlsausbrüche

Mit neuer Sängerin und neuem Album kehren die Lübecker Gothic Symphonic Metal-Tiefsinnigen zurück, stilistisch linientreu und ideenreich wie eh und je. Und „Tales Of The Grotesque“ präsentiert enorm vielschichtige Songs, die eine Fülle an spannenden Kontrasten in sich tragen. Theatralisch, verwunschen, visionär, aber immer melodisch und catchy.

„Ob wir Mainstream sind oder was überhaupt Mainstream ist, vermag ich selbst nicht zu beurteilen“, sagt Gitarrist Alex Hunzinger, der auch als Songwriter und Produzent fungiert.

„Ich könnte jedenfalls mit beiden Einschätzungen gut leben. Gemessen an den eigenen Ansprüchen sind wir zumindest sehr zufrieden mit dem Ergebnis des neuen Albums, sowohl was die Produktion und den Sound angeht, als auch die Qualität der Songs. Die Kompositionen sind musikalisch besser ausgearbeitet, was vor allem für die Gitarren aber auch für das Orchester gilt. Alles ist irgendwie stimmiger und auch druckvoller. Ich denke, damit haben wir unsere Linie voll gefunden.“

Und er fügt noch an: „Das letzte Album ist ja auch noch nicht solange her, trotzdem fühlt sich jedes Mal grandios an, wenn ein neues Baby das Licht der Welt erblickt. In jeder Albumproduktion steckt unglaublich viel Arbeit. Umso schöner ist es dann, wenn man das finale Werk zufrieden in den Händen halten kann. Wir sind zumindest mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Wenn unsere Fans das nun auch noch so sehen, dann sind wir rundum glücklich.“

Gerade einmal eineinhalb Jahre sind seit dem Vorgängeralbum „House Of Usher“ vergangen, es scheint, als hätten Aeternitas ein kreatives Hoch erlebt. Der Saitenschrubber nickt: „Ich habe die gesamte Produktion aber auch ordentlich vorangetrieben - bei mir selbst im Songwriting und auch bei den anderen zum Proben und Einspielen, um wirklich am Ball zu bleiben. Erzwingen kann man künstlerisches Schaffen zwar auch nicht, aber die Muse hat sich Gott sei Dank keine Pause gegönnt.“

Aber auch sonst ließen wichtige Ereignisse seiner Formation ohnehin keine Zeit zum Ausruhen, wie Alex zu berichten weiß. „Zum einen gab es einen wichtigen Besetzungswechsel, da unsere vorherige Sängerin Alma aus privaten Gründen die Bandarbeit nicht fortsetzen konnte. Nach einer längeren Suche haben wir schließlich mit Julia Marou eine würdige Nachfolgerin gefunden, die sich nun auf dem neuen Album voll einbringen konnte. Wir hatten außerdem diverse Auftritte, wenn auch durch den Besetzungswechsel zunächst sehr eingeschränkt. Der Höhepunkt war dabei unser Auftritt als Vorband der Scorpions im Juni 2017 auf dem Hessentag. Den Rest der Zeit haben wir fleißig die neuen Songs von ‚Tales Of The Grotesque‘ produziert.“

Im Großen und Ganzen stimmt die Chemie in der Band, offenbart der Axeman - auch wenn es hin und wieder mal kracht.

„Wie in jeder Familie oder jedem Arbeitskreis gibt es bei so vielen Charakteren Unterschiede, die auch mal zu Spannungen führen. Nichtsdestotrotz muss es immer eine gesunde, gemeinsame Basis im guten Umgang miteinander geben, sonst könnte man eine Band in dieser Art nicht am Leben halten - schließlich sind wir alle keine bezahlten Orchestermusiker, die nur die Noten runter nudeln.“

Auf erwähnenswertes Neues angesprochen, was eventuell zuvor so nicht bei Aeternitas zu hören war, entgegnet der Saitendehner: „Außenstehende können das vielleicht sogar besser beurteilen als ich selbst. Wenn wir mal die Vocals von unserer neuen Sängerin Julia außen vor lassen, die per se neu sind, dann sind es jetzt wohl eher verschiedene Details, die neu - oder besser gesagt - moderner sind. Ich habe versucht die Songs als Ganzes, aber auch den Sound und die Arrangements moderner und interessanter zu gestalten.“

Die aktuellen Songs von „Tales Of The Grotesque“ hat er diesmal völlig im Alleingang geschrieben. „Man könnte also sagen, ich bin ein perfekt eingespieltes Team. Aber Spaß beiseite. Ich habe die Lieder geschrieben, vorproduziert und im Anschluss haben dann alle Mitmusiker ihre Parts einstudiert und wir sind die Stücke zusammen durchgegangen. Dabei gab es dann den ein oder anderen Feinschliff. Der letzte Teil der Arbeit und auch die letzten Details sind dann schließlich bei der Studioarbeit und den Aufnahmen entstanden.“

Wie sind Alex und seine Lübecker Gothic Symphonic Metaller bei der Songauswahl für das Album vorgegangen, wird er im Weiteren gefragt.

Hatte man in der Band überflüssiges Songmaterial aussortiert oder lieber die vorhandenen Songs bis zur Perfektion ausgefeilt?

„Es gab in der Songwritingphase dieses Mal in der Tat nur sehr wenig Ausschussware und diese Songs haben wir auch sehr frühzeitig aussortiert, sodass wir damit nur sehr wenig Zeit verloren haben. Ich habe inzwischen ein gutes Gespür dafür entwickelt, ob ein Song funktionieren könnte. Im Wesentlichen haben wir nur genau die finalen zwölf Songs des Albums intensiv ausgearbeitet.“

Nennenswerte musikalische Einflüsse, die in den neuen Stücken auf „Tales Of The Grotesque“ jeweilig entsprechende Facetten bekommen haben, gab es laut Statement von Alex nicht mehr in so konkreter Form wie früher noch.

„Das mag daran liegen, dass ich durch meine Arbeit als Produzent auch sehr viel mehr andere Musik höre und bearbeite als früher noch. Da bleiben immer mal einzelne Elemente, Strukturen oder Sounds bei einem hängen, die sich dann auch in den eigenen Songs niederschlagen. Jedoch nicht als unmittelbare Einflüsse oder Vorbilder. Ich will damit nicht sagen, dass wir absolut neuartig und völlig unvergleichbar klingen, schließlich bewegen wir uns ja durchaus bewusst innerhalb bestimmter Genre-spezifischer Grenzen.“

Der Albumtitel bezieht sich laut Alex auf eine Kurzgeschichtensammlung von Edgar Allen Poe, „Tales Of The Grotesque And Arabesque“, die schon zu Lebzeiten des weltberühmten Autoren herausgegeben wurde.

„Denn alle zwölf Songs des Albums basieren entweder auf einer Kurzgeschichte oder einem Gedicht von Poe, mal freier, mal weniger frei interpretiert. ‚Eigene‘ Stücke, zumindest was den lyrischen Inhalt der Titel angeht, sind nicht dabei.“

Was reizt den Mann eigentlich so sehr am Düsteren, Unheimlichen und Gruseligen, fragt man sich. Alex erläutert dazu:

„Um eine Geschichte zu erzählen, bedarf es immer einer guten Portion Emotionen, die den Hörer in den Bann ziehen. In anderen musikalischen Gefilden wird dabei intentiv auf Liebe als emotionalen Höhepunkt gebaut, bei uns sind es dagegen eher die menschlichen Abgründe, aus denen die Songs und letztlich die Vorlagen von Poe ihre Wirkung entfalten. Wobei ich das nicht ausschließlich auf Grusel beschränken würde, schon gar nicht auf blanken Horror. Es dreht sich um menschliches Verlangen und Sehnsüchte, aber auch um Fragen nach dem Sinn des Lebens oder den Umgang mit extremen Situationen, die mich interessieren und die sich dann in den Songs und der Auswahl der Songinhalte widerspiegeln.“

Was lyrisch ausgefeilte, niveauvolle Songtexte für die Kompositionen von Aeternitas anbelangt, so achtet der Gitarrist zumindest beflissen darauf, wie er sagt, dass Inhalt und Form letztlich bestmöglich zueinander passen.

„Aber wichtig ist auch noch, dass die Texte gut zu singen sind, schließlich veröffentlichen wir keine Gedichtbände sondern Songs, in denen der Text ein guter Begleiter der Musik sein muss. Ich hege allerdings auch nicht den Anspruch, mit den Texten den Literaturnobelpreis zu gewinnen.“

Die zwei Texte der Songs „Dream In A Dream“ und „Eldorado“, die beide auf Gedichten von Altmeister Poe basieren, möchte er auf Anfrage herausheben. So ist zu erfahren: 



„Bei ‚Dream In A Dream‘ kann man erkennen, dass sich Poe - wie auch andere Autoren bis hin zur Antike - immer wieder mit der Frage beschäftigte, ob unsere Welt real oder nur ein Traum ist. Oder - ganz modern ausgedrückt - ein Teil einer Matrix. Das ist eine sehr spannende und philosophische Frage, die wohl auch noch künftige Generationen beschäftigen wird. ‚Eldorado‘ dagegen beschreibt die Suche nach einem unerreichbaren und letztlich auch fiktiven Ort, was im übertragenden Sinne viele Menschen immer wieder in die Irre führt: Das Streben nach unrealistischen und auch bedeutungslosen Zielen, das sie davon abhält, ihr eigentliches Leben zu leben oder das wahre Glück zu erfahren.“

Alex hofft, wie er abschließend noch verkündet, dass Aeternitas mit dem neuen Album noch mehr Fans und Hörer erreichen werden und dann auch die Live-Präsenz stetig ausbauen können. „Letzteres vor allem auch mal durch Gigs im europäischen Umfeld.“

© Markus Eck, 12.06.2018

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