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Interview: AD INFINITUM
Titel: Schillernde Meta(l)morphose

„Ja, definitiv“, konstatiert Gitarrist Adrian Thessenvitz, „wir wollten den bereits auf ‚Downfall‘ angedeuteten Weg weitergehen und unseren Stil weiterentwickeln als auch neu definieren. Auf ‚Abyss‘ verzichten wir komplett auf die typischen Symphonic-Metal-Elemente wie Streicher. Der Sound ist jetzt viel moderner und repräsentiert auch unseren aktuellen Geschmack, der sich im Laufe der letzten Alben deutlich weiterentwickelt hat.“

„Outer Space“, die neue Single der Schweizer ist tatsächlich überraschend Modern-Metal-lastig, dabei hatte man die erfolgreiche Formation als eher schöngeistigen, betont ästhetischen Act in Erinnerung, welcher moderne(re) Elemente eher latent bis konturierend im Repertoire hat. Auf dem im Herbst kommenden neuen Album „Abyss“ wird dies jedoch der Vergangenheit angehören.

Seit dem vorhergehenden Album „Chapter III - Downfall“, veröffentlicht im Frühjahr 2023, hat sich eine Menge bei der Band getan, wie der Saitenschrubber weiter zu erzählen weiß.

„Erst kürzlich waren wir auf unserer ersten Tour in Nordamerika als Support für Kamelot, zusammen mit Hammerfall. Das war ehrlich gesagt das Beeindruckendste, was wir als Band bisher erlebt haben. Es war ein unglaubliches Vergnügen und eine Ehre, im Mutterland des Rock, Pop und Heavy Metal zu touren, dort die Fans kennenzulernen und neue zu gewinnen. Das war ein Erlebnis, das wir gerne wiederholen möchten. Außerdem waren wir im Herbst 2023 auf unserer ersten Co-Headliner-Tour mit Blackbriar und Phantom Elite als Support. Ein fantastisches Erlebnis! Darüber hinaus haben wir uns für das kommende Album ‚Abyss‘ viel Zeit genommen und alle Songs in zwei Songwriting-Camps erarbeitet.“

Vom klassischen, episch konturierten Symphonic Metal in Richtung Modern Metal á la Evanescence, Infected Rain, Exilia etc. zu gehen, hat sich für die Beteiligten ganz natürlich ergeben, wie zu erfahren ist. 



„Wenn wir auf Tour sind, hören wir unsere eigene ‚Roadtrip-Playlist‘. Da sind wirklich alle Genres vertreten, und wir aktualisieren sie regelmäßig. Was uns aufgefallen ist: In dieser Playlist ist Country, Metal, Pop, Funk ... aber sehr wenig Symphonic Metal. Mit dieser Sammlung unserer individuellen Geschmäcker stellten wir fest, dass wir uns selbst kaum noch vom Symphonic Metal inspirieren lassen. Wir haben uns einfach weiterentwickelt und hören mittlerweile überwiegend moderneren Metal. Als wir mit der Produktion von ‚Abyss‘ begannen, hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir symphonische Elemente nur verwenden, wenn es die Musik verlangt und es Sinn ergibt. Symphonische Elemente um des ‚Genres‘ Willen‘ einzusetzen, wäre eine sehr unauthentische und unmusikalische Entscheidung gewesen, wenn die Songs es nicht erforderten. Also begannen wir mit der Arbeit und stellten rückblickend fest, dass keiner der neuen Songs orchestrale Elemente benötigte und im modernen Gewand alles perfekt funktionierte. Wir sind sehr froh über diese Entwicklung, da wir uns nun umso mehr mit dieser Musik identifizieren.“

Ohnehin viel Neues bei euch auf kreativem Sektor bei Ad Infinitum, wie es scheint … erstmalig auch ein Album ohne „Chapter“-Betitelung - Adrian hierzu: „Da wir auch in gewisser Weise mit dem Symphonic Metal brechen, hielten wir es für sinnvoll, auch eine neue Ära in der Betitelung der Alben zu beginnen. Sowohl thematisch als auch musikalisch betreten wir komplettes Neuland. Wir begreifen es als Chance, uns immer weiter von Gimmicks zu entfernen und uns im Songwriting und im Storytelling deutlich ehrlicher neu zu erfinden. Für unsere Sängerin Melissa Bonny ist dies auch eine willkommene Gelegenheit, ihre Texte noch persönlicher zu gestalten.“

Melissas Stimme, grandios zu hören, erweist sich einmal mehr als noch weiter ausgereift - was sicherlich das Ergebnis eines längeren Prozesses der tieferen, gesanglichen Selbstfindung als auch von sehr viel Üben, Ausprobieren etc. ist.

Und der Axeman teilt das Lob zur neuen stimmlichen Performance auf diesem vierten Album vollauf:

„Absolut überragend. Melissa wächst mit jedem Album über sich hinaus und überrascht uns immer wieder. Wir als Band probieren im Songwriting-Prozess viel aus und erforschen verschiedene Stimmungen und Farben, vor allem auch bei den Gesangslinien. Melissa arbeitet vor den finalen Studioaufnahmen auch noch einmal allein an den Vocal-Arrangements und überrascht uns dann mit grandiosen Ideen.“ 


Das erste Songcamp für das neue Album, aufgeschlagen in Dänemark, war laut dem Gitarristen wirklich witzig.

„Und eventuell lag das auch an der sehr skurrilen Einrichtung des dort dafür gemieteten Hauses. Die komplette Hütte war nicht nur mit ausrangierten Waffen aller Art dekoriert, sondern auch von etlichen Tieren behaust. Wir hatten die Aufgabe täglich die Fische in einem riesigen Aquarium zu füttern, uns um die Hühner im Garten zu kümmern oder die Schlange im ersten Stock zu sättigen. Unsere Writing-Sessions wurden zudem oft von den dort lebenden Jungkatzen gestört, die unsere Arbeit wahnsinnig spannend fanden und immer durch die Terrassentür zuschauten. Unser Bassist Korbi erlitt einen riesigen Schreck, als er das erste Mal den Kühlschrank aufmachte: Darin lag ein großer - mutmaßlicher - Stein in einem Tuch eingewickelt. Um unsere Einkäufe unterzubringen, wollte Korbi dieses Ding rausholen. Er fasste es an, um festzustellen, dass er gerade den Winterschlaf einer Schildkröte störte - was diese mit Zappeln und Fauchen kundtat. Ich habe aus dem Nebenzimmer beim Aufbau einer der Arbeitsplätze seinen Schreckensschrei nur zu gut mitbekommen.“

© Markus Eck, 15.07.2024

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