Top
Interview: THE VISION BLEAK
Titel: Dunkle Berufung

Gruselnde Grabesmusik, die anmutet wie ein schwermetallischer Soundtrack für einen düsteren Horrorfilm, das ist bekanntlich das Pläsier von The Vision Bleak.

Gitarrist und Bassist Ulf Theodor Schwadorf sowie sein musikalischer Kompagnon, Vokalist Allen B. Konstanz schufen mit ihrem selbst betitelten Debütwerk vor nicht allzu langer gar beängstigende Düsterkunst.

Kürzlich stellten die beiden Protagonisten einigen Schreibern der einschlägigen Musikpresse einige neue Kompositionen des kommenden Debütalbums „The Deathship Has A New Captain“ vor. So lud das Duo am Freitagabend, den 24. Oktober 2003 zu einer Studiosession ins bayerische Mellrichstadt an der Grenze zu Thüringen ein, wo sich das Aufnahmestudio von Schwadorf befindet.

Gesprochen wurde im Detail nicht über einzelne Stücke, mehr über die zukünftige generelle Ausrichtung von The Vision Bleak. Auch die Entstehungsgeschichte des neuen Albums sowie die unerwartete Härte der aktuellen Stücke fanden ihren Anteil in diversen Gesprächsrunden.

Den Anfang markierte der Song „The Shadow Arose“, welcher im rumpelnden Rough Mix mit Frauengesang zum Besten gegeben wurde.

Den Anschluss machte „The Deathship Symphony“. Auch dieses Lied erklang noch im Rough Mix, allerdings gänzlich ohne Gesang.

„The Deathship Symphony“ beginnt ebenso dunkel wie hart und theatralisch – und schlägt dann in einen druckvoll erdonnernden Doom-Stampfer um, Up-Tempo-Ausflüge inklusive.

Unüberhörbar sind hierbei cool verarbeitete Einflüsse von episch akzentuiertem Schwedentod, schwerstes Riffing bahnt sich seinen Weg mit aller Kraft.

Weiter ging es mit dem Stück „Lovecraft“, dieses befand sich zu der Zeit noch im Stadium des Arbeitstitels. Im Rough Mix und abermalig ohne Gesang dargeboten, schloss sich „Lovecraft“ dem bisherig vermittelten Klangbild der neuen Ergüsse von The Vision Bleak nahtlos an.

Nachfolgend wurde die dramatisch anmutende Komposition „Night Of The Living Dead“ den Anwesenden als Demo-Version mit Gesang vorgestellt. Ein morbide anmutender und beklemmend atmosphärischer Midtempo-Track, dessen gespenstische Attitüde Spinnenweben in die Gehörgänge zaubern kann.

Gesanglich eher klar agierend, erschafft die Band wahre Horrorszenarien. Ebenso als Demo-Version mit Gesang drang der überaus beunruhigende Slow Motion-Rocker „Metropolis“ aus den Speakern, großartige Atmosphäre ist auch ihm zueigen. Stark am klassischen Doom Metal orientierter Vokalvortrag erweist sich hier als beherzte und adäquate Zutat.

„Wolfmoon“ war dann wieder eine mit beschwörendem Grauensgesang versehene Demo-Version, deren niederdrückende Grundstimmung ansteckend wirkt. Mächtig stampfend schreitet dieser sehr intensive Song die Hörerseele ab, um sie nicht wieder zu verlassen. Abgeschlossen wurde die Tracklist mit dem unheimlichen Track „Death Metal“, dessen Titel noch als Arbeitstitel verkündet wurde. Auch „Death Metal“ war eine Demo-Version ohne Gesang.

Wie im Weiteren vor Ort zu erfahren war, werden die beiden Songs des bereits veröffentlichten Minialbums, „Lone Night Rider“ und „Elisabeth Dane“, auch auf dem kommenden Debütalbum in überarbeiteten Versionen vertreten sein. Anschließend an diese feine Listening-Session begaben sich Band und Gäste in bester Laune zum Umtrunk und Pool spielen in die Mellrichstädter Rock und Metal-Kneipe „Holzwurm“.

Was sich also auf der 2003er Single schon ankündigte, das findet seine Entsprechung auf dem Debütalbum „The Deathship Has A New Captain“.

Unheimliches Spuktheater des Todes von gar beklemmender Ausführung, welches latent an alte Klassiker dieses Filmgenres erinnert.

Die derzeitige Ambitioniertheit bei den Horrorfreaks ist hoch, denn alles scheint nach Plan zu laufen, wie mich Bandboss Ulf Theodor Schwadorf in gewohnt lässiger Gesprächsmanier wissen lässt:

„Wie erfreuen uns momentan der ausnahmslos guten bis gar überschwänglich ausfallenden Reaktionen hinsichtlich `The Deathship Has A New Captain`. Und die Resonanzen sind wirklich gewaltig. Mit dem nötigen Einfühlungsvermögen scheinen in den Köpfen der Zuhörer Filme von großem Detailreichtum und Realismus abzulaufen, wie uns mitgeteilt wurde. Das war auch unser Ziel und es scheint zu fruchten.“

Den Leuten gefällt laut Bekunden von Schwadorf übereinstimmend die Einzigartigkeit von The Vision Bleak und deren konsequente Hingabe zum Konzept.

„Es freut uns zudem, dass unser Vorhaben, musikalisch wie textlich aus der Masse herauszuragen, von außen ausreichend gewürdigt wird. Denn `The Deathship Has A New Captain` ist meiner Meinung ein stimmiges und sehr atmosphärisches, aber auch konsequentes und originelles Album. Es ist episch und melodisch, bombastisch und eingängig, trotz allem aber nie weinerlich oder gekünstelt, sondern immer hart und zupackend.“ Also sehr emotional, primär die dunklen Bereiche der menschlichen Psyche penetrierend.

Über seine Vorgängerband Empyrium zu reden, langweilt ihn jedoch zu Tode: „Ich bin es langsam wirklich überdrüssig darüber zu erzählen. Empyrium ist Tod! Es lebe The Vision Bleak! Derzeit bereiten wir uns mit den drei Musikern der Shadow Philharmonics für die Umsetzung des neuen The Vision Bleak-Materials auf der Bühne vor“, raunzt er. Er, der auf Fotos grundsätzlich sehr finster dreinblickt, um die düstere Wirkung des Sounds von The Vision Bleak noch zu potenzieren.

Mit dem Stichwort Shadow Philharmonics liefert Schwadorf eine gute Überleitung zum nächsten Thema. Auf der Luxus-Edition des Albums werden sich nämlich laut Label-Info zusätzlich mit Streichern aufgenommene Versionen von Stücken wie „A Shadow Arose“ etc. befinden. „Ja, sehr staubig anmutende sowie antiquiert und überaus dunkel klingende Versionen von fünf Stücken des Albums. Allesamt im Stile großartiger Horrorfilm-Soundtracks gehalten, wie sie damals von berühmten Filmgesellschaften wie den Universal oder gerade den Hammer Studios verwendet wurden.“

Zum Hintergrund: Im Mai 1957 wurde in London ein britischer Horrorfilm namens „The Curse Of Frankenstein“ uraufgeführt.

Der Streifen sollte namhafte Schauspieler wie Christopher Lee und Peter Cushing sowie die dahinter stehende Filmgesellschaft Hammer Films noch weltberühmt machen.

Da dieser Kinoklassiker über eine unglückselige Kreatur ein gigantischer Erfolg wurde, produzierten Hammer Films im Weiteren zahllose Kassenknüller, darunter diverse Werwolf- und Dracula-Gruselstreifen, um die bekanntesten davon zu nennen.

„Definitiv also Gothic Horror älteren Datums. Ob Friedrich Wilhelm Murnaus `Nosferatu` und `Faust` oder Fritz Langs `Metropolis`, alles Klassiker, die wir tief verehren. In diesen Horrorfilmen wurde das Gewicht noch auf Spannungsbögen gelegt, auf bedeutungsschwangere Dialoge und Monologe, aber auch vor allem auf atmosphärische, wahrlich der Stimmung des Films entsprechende Drehorte. Selbst in den damaligen Stummfilmen sind die kurzen Texteinblendungen meiner Auffassung nach sprachgewaltiger als in jedem modernen Horror-Teenie-Streifen das ganze Drehbuch.“

Alles Attribute, wie sie die beiden Protagonisten mit The Vision Bleak also ebenfalls umsetzen möchten, wie er zugibt.

„Es gibt allerdings auch neuere Horrorfilme, welche sehr inspirierend auf uns wirkten. John Carpenters Lovecraft-Hommage `The Fog` beispielsweise oder Tim Burtons Hammer-Hommage `Sleepy Hollow`, welche sich allerdings eindeutig an genannten Inspirationsquellen orientieren.“

Prägende Einflüsse in Form von Filmen spielten also eine gravierende Rolle, wie der Musiker in diesem Zusammenhang darlegt. Aber auch Horrorliteratur und Schauermärchen von heute noch sehr populären Autoren wie E.T.A. Hoffman, Mary Shelley, Lord Dunsay und Lord Byron wirkten auf die beiden Mitglieder von The Vision Bleak. Howard Phillips Lovecraft und Edgar Allen Poe trugen ihren inspirativen Teil ebenso dazu bei.

„Lovecraft und Poe waren zwei wirklich begnadete Literaten. Schreiber der britischen Romantik wie Byron, Shelley oder Keats haben allerdings den Umgang mit der englischen Sprache sehr geprägt“, stellt der Mann fest.

Jedoch, um wieder auf die spezielle Version des Albums zurückzukommen; wieso befinden sich von Schwadorf genannte Songversionen nun gerade auf der „Luxus-Edition“? Warum enthält man den Fans diese Stücke allesamt auf der normalen Ausgabe vor?, will ich wissen. Eine harsch formulierte Antwort schlägt prompt entgegen:

„Weil das Album für zusätzliche klassische Stücke nicht konzipiert ist. Wer die klassischen Stücke nicht hören will, kauft sich die normale CD. Wer sie aber haben möchte, kauft die Luxus CD. Ganz einfach. Was soll denn da das Vorenthalten-Gelaber?“, regt sich der passionierte Zylinderträger auf.

Um einer plötzlichen Schlagattacke seines antiquiert anmutenden Gehstocks zu entgehen, ist ein Themenwechsel dringlich vonnöten. Wie die neuen Tracks offenbaren, haben The Vision Bleak nun eine neue Sängerin mit in die Band genommen. Sicher nur ein Gastspiel, oder?

„Es handelt sich hierbei um Dame Pandora von der Band Dark Sanctuary aus Frankreich, die uns ihre wunderbare Stimme für einige Aufnahmen geliehen hat.“ Wie sich im Weiteren Gesprächsverlauf auftat, konnte für diverse gesprochene Ein- und Überleitungen auf dem neuen Album von The Vision Bleak die Stimme von Otto Mellies, dem deutschen Synchronsprecher von Schauspielerlegende Christopher Lee verpflichtet werden. Lee stellt bekanntermaßen den bösen Zauberer Saruman in der verfilmten Tolkien-Ringtrilogie des neuseeländischen Regisseur-Talents Peter Jackson dar. Schwadorf blickt zurück:

„Wir sind glühende Verehrer der ausdruckstarken Stimme von Otto Mellies, bereits seit wir das erste Mal `Der Herr der Ringe` im Kino gesehen hatten. Also dachten wir: Wenn überhaupt eine verpflichtete fremde Sprecherstimme für diverse Einleitungen auf `The Deathship Has A New Captain`, dann diese. Und so nahmen wir über unser Label Kontakt mit dem Mann auf.“

Das Plattenlabel des dunklen Duos plante laut Meister Schwadorf nämlich anfänglich eine Snippet-CD, also eine spezielle Präsentationsvariante des neuen Werkes von The Vision Bleak mit gekürzten Song-Versionen für die Presse.

„Doch anstatt unsere Songs recht plump ein- und ausklingen zu lassen, dachten wir sie von einem charismatischen Sprecher überleiten zu lassen. Dies schien uns eine schöne Sache zu sein. Aus reinem Größenwahn schlugen wir dann eben diese deutsche Synchronstimme von Saruman vor.“

Gesagt, getan. Bereits zwei Tage später saßen The Vision Bleak mit besagtem Herrn Mellies in einem Berliner Hotelzimmer und nahmen seine Prologe auf. Schwadorf ist erfüllt vor Stolz:

„Wenn man eine solche Koryphäe für sich gewinnen kann und das Endergebnis dazu dermaßen grandios ausfällt, kann man es natürlich nicht nur für Werbezwecke verschenken; deswegen sind auch zwei von ihm gesprochene Prologe auf dem regulärem Album.“

Anschließend wurde über den großen Reiz Schwadorfs am düsteren Metal philosophiert und warum er mit The Vision Bleak gerade diesen eigenständigen und morbide anmutenden Gruselsound zum Leben erweckt.

„Innerer Drang, Berufung, Leidenschaft. Wir lieben die rohe und raue Energie des guten, dunklen Metal, welcher uns musikalisch sehr inspiriert hat. Allen voran Death Metal der alten schwedischen Schule, wie beispielsweise von Entombed, Carnage oder Nihilist, den wir ob seiner bösen Atmosphäre sehr verehren.“

Laut Schwadorf ist das Horror-Image von The Vision Bleak aber beileibe keine Affekthascherei, sondern eher aus dem tiefen Innern der beiden Musikerseelen entspringende Selbstverwirklichung. Er gibt in diesem Kontext bekennend zu Protokoll:

„Es ist unsere Berufung dies zu tun und bestimmt kein falsches, aufgesetztes und eitles Image, vor dessen Hintergrund wir uns hinter Posen verstecken. Wir lieben diese Art von Geschichten, Poesie, Filmen und Musik und sehen uns als moderne Vertreter des Schauermärchen- und Horror-Genres. Image kümmert uns nicht. The Vision Bleak ist ein Konzept, kein Image.“

Der Rohbau der spukhaften Nachtsongs für The Vision Bleak entsteht anfänglich zumeist auf der Gitarre Schwadorfs, wie dieser danach erläutert.

„Diesen Rohbau nehmen wir dann mit in unseren Aufnahmetempel Klangschmiede Studio E. Dort feilen wir zusammen an den Feinheiten der Strukturen sowie der ganzen Arrangements und nehmen immer wieder neue Demo-Versionen auf. Dies geschieht in der Regel solange, bis uns das Ergebnis ausreichend behagt.“

An Ideen für neue Grusel-Lieder zu bekommen, fällt dem Schaudermeister nicht allzu schwer, wie er bekundet. „Da gibt es kein `Schema F`. Meist kommen die besten Ideen genau in den Momenten, in denen ich am wenigsten damit rechne. So sammle ich ständig Eindrücke und Inspirationen. Das Verarbeiten davon ist meist ein sehr impulsiver und wenig geplanter Vorgang.“

Dreht es sich um die neuen Songs an sich, tut sich Schwadorf recht schwer damit, den Lesern einen Favoriten zu nennen. „Das ist sehr schwer zu sagen, da wir alle Songs lieben und sie zur Einheit und Größe des Albums beitragen. Vielleicht die Stücke `Wolfmoon` und `Deathship Symphony`.“

Bezüglich der Songtexte von „The Deathship Has A New Captain“ war es dann an der Zeit, explizite Details zu erfragen.

Laut meinem Gesprächspartner drehen sich diese in erster Linie darum, Bilder, Stimmungen, Geschichten und Legenden aus hunderten von Jahren Schauer und Horror in unser kollektives Gedächtnis zurückzurufen.

„Wir möchten die Zuhörer in Wort und Ton mit unserer gigantischen Fantasie überwältigen. So erzählt `A Shadow Arose` die Ankunft der Totenschiff-Kapitäne – textlich und musikalisch inspiriert von Murnaus `Nosferatu`. `The Night Of The Living Dead` hingegen beschreibt das jüngste Gericht, die Toten kriechen aus ihren Gräbern und verzehren alles Leben. Inspiriert von Romeros gleichnamigen Klassiker. Das Lied `Wolfmoon` berichtet von einer Werwolf-Mär. Inspiriert vom Filmklassiker `Wolfman`. Wie im klassischen Märchen wird hier die Unschuld in Form einer jungen Maid mit den unreinen, ungezähmten, unzivilisierten Kräften der Natur konfrontiert. `Metropolis` wiederum ist inspiriert vom gleichnamigen Fritz Lang-Film – Maschinen herrschen über Menschen und über allem thront ein gigantisches Uhrwerk das jeden Lebenswert nimmt. Sklaven von Zeit und Maschinen. Moderne Zombies wie man sie heute viele trifft. Der Track `Elizabeth Dane` erfuhr seine Inspiration von John Carpenters Ghoul-Geschichte `The Fog`. Wir haben in diesem Song Themen aus seinem Soundtrack aufgegriffen und neu verarbeitet. `Horror Of Antarctica` basiert auf der Erzählung `Berge des Wahnsinns` des Meisters der Weird Fiction und Erfinders des Cthulhu-Mythos, Howard Phillips Lovecraft. Für `The Lone Night Rider` bezogen wir unsere Eingebungen von Washington Irvines `Legend Of Sleepy Hollow`, dem übrigens eine deutsche Volkserzählung zugrunde liegt, sowie von dem gleichnamigen Film Tim Burtons. `The Grand Devilry` ist eine Hommage an die uralte Triebkraft von Tod und Teufel. Was wäre das Leben und die Kunst ohne Tod und Teufel? Der Song `Deathship Symphony` schließlich stellt die Zusammenfassung des Konzepts dar, quasi eine Hymne an uns selbst und das, was uns bewegte das neue Album zu realisieren.“

Realisiert werden sollen auch schon recht bald diverse Pläne, welche die Live-Umsetzung des aktuellen Materials zum Ziel haben. „Ja, wir gehen Ende Februar auf eine kleine Tournee, was aber nur den Anfang darstellt um Erfahrungen zu sammeln und unser Theater zu verfeinern.“

Und die Zukunftspläne des Duos hören sich nicht ungefährlich an: „Möglichst viele Seelen mit unserer Musik zu gewinnen, die gemeinsam mit uns die See der Verdammten durchkreuzen.“

© Markus Eck, 11.01.2004

[ zur Übersicht ]

All Copyrights for band-photos & -logos reserved by its Respective Owners.

Advertising

+++