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Interview: SUBWAY TO SALLY
Titel: Todsicher quicklebendig

Mit musikalischer Qualität und dahinter stehender Authentizität ist es immer schon am Leichtesten gewesen, für gelungene Überraschungen und damit für viel Aufsehen zu sorgen.

Dass der thematische Brückenschlag von letzterem zu „Aufhören“ hier ebenfalls wortgemäß „ins Spiel“ kommt, soll aktuell glücklicherweise gar niemanden irgendwie beunruhigen - denn Subway To Sally klingen auf ihrer neuen Veröffentlichung so frisch und ambitioniert wie selten!

Gut so, denn intern hatten die allseits beliebten Potsdamer Genre-Vorreiter im frühen letzten Jahr tatsächlich erstmals konkret zusammen darüber angefangen nachzudenken, so offenbart Michael „Bodenski“ Boden mit kritischer Miene, nach dem 2023er Erfolgswerk „Himmelfahrt“ kein weiteres Album mehr zu veröffentlichen. Und der Akustikgitarre- und Drehleier-Spielmann sagt das nicht ohne deutlich spürbare, besonnene Tiefe in seinem überlegt vorgebrachten Stimmfall.

Doch es sollte alles ganz anders kommen: Die Formation mit der über 30-jährigen Karriere lässt alte und neue Fans jetzt eine fulminante Rückkehr feiern, wie sie kraftvoller, inspirierter und auch überzeugender wohl nicht sein könnte - schließlich bringt das neue und 15. Album „Post Mortem“ einen vielfältig begeisternden Mix aus guten alten, langjährig bewährten Bandtugenden und einer wirklich unerhört dynamischen Frische mit sich.

„Die begonnene Überlegung, nach ‚Himmelfahrt‘ kein weiteres Album mehr zu machen, war ohnehin nicht gleichbedeutend mit dem definitiven Ende der Band angedacht“, so ein betont nüchtern formulierender Bodenski.

„Es ging uns dabei im Kern um die relevante Frage der Endlichkeit. Derlei Gedanken sind einem ganz gewissen Kontext beileibe nicht ganz so verwunderlich - und damit meine ich: Wenn man von letztem Jahr und unseren darin gemachten Erwägungen sinnbildlich eine Schnur spannen würde, dann würde sie zurück bis in die Corona-Zeit reichen. Das war eine sehr spezielle Zeit, in der man gezwungen war, noch sehr viel tiefer als sonst über den eigenen Beruf und alles damit Verbundene nachzudenken - und inwiefern es doch eigentlich sowohl ‚Geschenk‘ als auch ‚Fluch‘ ist, diesen Beruf ausüben zu dürfen. Subway To Sally gibt es nun schon seit 30 Jahren …“, fasst er als Gründungsmitglied zusammen.“



Für ihn ist es dabei von entscheidender Wichtigkeit, den Zusammenhang größer zu sehen, um es bestmöglich zu verstehen, sagt er. „Wir saßen uns da einfach mal ganz intern zusammen, und wollten keinen von unseren Partnern wie Plattenfirma oder Booking Agentur mit einem ‚Ende-Statement’ in Aufregung versetzen. Und es ging dabei ja auch wie erwähnt ganz und gar nicht um das Ende der Band. Wir fanden das ‚Himmelfahrt‘-Album sehr gut gelungen - so entwickelte sich der gedankliche Ansatz, dass wir uns danach weder irgendwie wiederholen geschweige denn schlechter weitermachen wollten. So mussten wir uns beweisen, dass war die im Raum stehende Aufgabe, dass wir ‚es‘ künftig wirklich noch wollen - und vor allem auch können. Und diese Ansätze auf den Prüfstand zu legen, das Ganze also insgesamt zu hinterfragen, war, so glaube ich, sehr wichtig.“

Daraufhin mit dem Lob und der Wertschätzung des Verfassers konfrontiert, dass Subway To Sally sich mit mannigfaltig zusprechender, breitenträchtig bejahter Außenwirkung stets als „gut geölte, erfolgreich laufende Maschine“ präsentieren, konstatiert Bodenski:

„All der Erfolg fällt jedoch nicht vom Himmel, da stecken viel Schweiß, Blut und Tränen drin. Wir sind nämlich eine Band, der es gar nicht so leicht fällt, Platten zu machen, wie das viele da draußen wahrscheinlich seit Jahren gerne denken mögen. So gehen wir nicht in irgendein Songwriting-Camp und kommen nach 14 Tagen mit 24 Songs wieder raus, von denen wir dann die unserer Meinung nach besten letztlich verwenden. Sondern bei uns ist es immer wieder ein schier ewiger Kampf, ein neues Album zu machen. Ich versuchte dies vor Jahren mal, mit einem Sinnbild zu beschreiben, mit dem ich sogar von Kollegen und anderen Musikern zitiert werde, das sprach sich also rum: Wenn eine Band losmarschiert, ist das wie ein Gummiseil, und um jede Entfernung, welche man nach dem Ausgangspunkt weiter nach vorne zurücklegt, strafft sich dieses imaginäre Gummiseil immer mehr und mehr. Die ersten zehn Schritte sind da noch leicht, die nächsten 20 schon schwerer zu bewerkstelligen. Und jeder weitere Schritt danach wird nur immer noch mühevoller zu tätigen sein. Die Vergangenheit ‚zieht‘ da sozusagen hartnäckig an einem. Man zahlt mit den Jahren des Bestehens also schon einen hohen Preis, um weiter und weiter vorwärts kommen zu können.“



Verständlich argumentiert, kann da nur entgegnet werden. Dann freut sich der Mann zu bilanzieren:

„‚Himmelfahrt‘ war für uns dahingehend tatsächlich der reinste Befreiungsschlag. Wir haben nach der Veröffentlichung auf Tour nicht nur sehr viel Spaß daran gehabt, die ganzen Clubs an sich zu erleben - vor allem auch die frenetische Begeisterung im Publikum. Seit ca. vier Jahren hatten wir zu dem Zeitpunkt ja schon nicht mehr das wichtige, beglückende Gefühl verspürt, dass neue Lieder von uns so dermaßen schnell und so gut in den Leuten ankamen und vor allem auch so dauerhaft Wurzeln schlagen. Wir merkten es relativ rasch, dass die neuen Kompositionen auf ‚Himmelfahrt’ wirklich Lieder sind, die für die Ewigkeit geschrieben worden sind. Wenn ich mich in meiner persönlichen Rückschau dazu schonungslos besinne, da gibt es durchaus zwei bis drei Alben von uns, von denen kaum noch Material in unseren Live-Setlists zu finden ist. Mag sein, dass sich diese Nummern eben einfach überholt haben oder bessere genommen werden. Alltime-Faves schaffen es natürlich immer da rein, doch hinsichtlich älterer Titel versucht man schon, kontinuierlich auszutauschen. ‚Himmelfahrt‘ aber war so voll von herrlichem Esprit.“

Wie Drummer Simon Michael seinen Bandkollegen nahtlos zu ergänzen weiß, erlebte auch er dieses so markante Album absolut speziell: Es hatte seines Empfindens nach nach eindeutig sehr viel von dem Spirit einer völlig neuen, ganz frischen Band. Er erinnert sich bestätigend:

„Stimmt, gerade auf der Bühne bemerkt man derlei eindeutig - da gibt es Alben, die haben beispielsweise 20 Jahre auf dem Buckel, und trotzdem werden immer und immer wieder Songs daraus verlangt. So fragt man sich als Musiker insgeheim, ob man an diese ‚alten‘ Erfolge überhaupt noch ‚rankommt‘. Bei und mit ‚Himmelfahrt‘ entwickelte sich dann völlig unerwartet das exakte Gegenteil! Songs wie ‚Leinen los‘ oder ‚Was ihr wollt‘ kleben überall auf den Streaming-Portalen regelrecht in den Top-Fünf fest, das sind also jetzt schon Klassiker. Es ist uns nach ganzen 30 Jahren Existenz gelungen, unsere Fans nochmals so richtig zu begeistern. Und dieses Gefühl hat uns so angefixt, dass wir ‚Himmelfahrt‘ dann eben so gar nicht unser letztes Album sein lassen wollten.“

Wie Simon anfügt, erschien nach dem erfreulichen Chart-Entry von „Himmelfahrt“ in den deutschen Albumcharts sogar noch der Hinweis: „Subway To Sally waren genau in dieser Woche vor zehn Jahren schon mal in den Top Ten mit einem Album“.

„Als wir uns das dann mal näher unter die Lupe nahmen, stellten wir fest, dass wir die einzige Band daraus sind, die es heute noch gibt. Apropos, was uns dazu animierte, ‚Himmelfahrt‘ zu dem werden zu lassen, was es ist, waren der interne Mut zu harten Worten und zu weniger Experimenten. Wir haben in den drei Dekaden unseres Bestehens ja immer wieder musikalische Dinge getan, für die uns unsere Fans geliebt, aber auch verteufelt haben. Wir haben damit viele Kritiker überzeugt, aber auch viele Fans vor den Kopf gestoßen. ‚Himmelfahrt‘ war für mich persönlich gewissermaßen ein ‚Sich-in-sicheren-Gefilden-Bewegen‘, und dabei zu wissen, dass es brachial und gut wird. Unterm Strich kam dabei ein Album heraus, welches ‚unverkennbar Subway‘ ist und welches alle guten Seiten dieser Band spiegelt - und welches erfreulicherweise kein einziges negatives Feedback bekam. Das ist für mich ein Album, was ich mir auch jederzeit aus dem Schrank ziehen und selbst anhören kann - obwohl ich es schon mehrere Tausend Male gehört habe. Deswegen ging es dann auch so schnell für uns, noch ein weiteres Album herauszubringen.“



Und nun bei „Post Mortem“ geht es ihm ganz ähnlich, so der Schlagzeuger.

„Ich glaube, dass uns damit - auch im Hinblick auf unsere weitere Karriere - ein wirklich gutes Album gelungen ist.“



Was jeweilige persĂśnliche Song-Favoriten in der Band und die getroffene Auswahl der Singles angeht, so postuliert Bodenski:

„Das mit den Singles haben wir komplett der Plattenfirma überlassen. Würde man nämlich die anderen fünf Bandmitglieder dazu fragen, es gäbe endlose Diskussionen. Jeder von uns hat einen anderen Song, der ihm am allernächsten liegt. Bei mir ist es der ‚Lumpensammler‘ - der hat sich im Laufe der Produktion so richtig ins Herz geschlichen. Dessen Text hat so eine gewisse zeitkritische Tiefe, die man gar nicht so auf die Schnelle erfasst. Vor allem mit dem Hintergrund, wenn man dabei nach USA oder Russland schaut - oder auch in den arabischen Raum. Überall sind diese ‚Lumpen‘, die es ‚aufzusammeln‘ gilt. Eigentlich sind all die jeweiligen Hauptakteure doch nur Neros, die, während sie verzückt die Leier spielen, bei den eigens verursachten großen Katastrophen voller Freude zusehen, wie die Welt um sie herum sinnbildlich niederbrennt - ich stelle das dazu mal als Gleichnis so in den Raum, und es gibt auch einen Song namens ‚Nero‘ auf ‚Post Mortem‘, in dem ebenfalls viel gegenwärtig aktueller Zeitgeist reflektiert wird.“



Ebenfalls erwähnen möchte Bodenski in diesem Kontext noch, wie er sagt, eine „klassische Subway-To-Sally-Ballade“, nämlich „Das Herz in der Rinde“: „Tatsächlich auch wirklich ein richtiges Herzensprojekt von mir. Dessen Songtext liegt bei mir schon ziemlich viele Jahre herum. Dass das Stück jetzt doch noch zu einem solchen Monster an Song geworden ist, macht mich als Texter wirklich sehr glücklich. Das ist jetzt mal mein eigener Fokus - aber jeder aus der Band würde da garantiert überzeugt etwas anderes auflisten.“



Simon hingegen liebt jeden Song gleich, wie er wissen lässt. „Ich als jemand, der auch an der Produktion des Materials tätig ist, habe jedes Lied wirklich 4.000-mal gehört und habe daher eine ganz besondere Sicht auf die Dinge. Ich habe das Album bei mir im Studio aufgenommen und nachfolgend gemixt etc. - so haben diese neuen Stücke nochmals ganz andere Dimensionen für mich bekommen, auch von daher stehe ich also jeder einzelnen Komposition zusätzlich maximal nahe.“

Was den Zeitrahmen angeht, so fächert Simon weiter auf, war es für „Post Mortem“ eine außergewöhnlich entspannt erlebte Produktionszeit - trotz vielerlei in diesen Zeitraum gefallener Konzertaktivitäten.

„Ja, Bodenski hat da natürlich vollkommen Recht - es war teils echt heftig, wie komprimiert wir da funktionieren mussten beim Recorden etc. Doch, und jetzt kommt das große Aber: In den letzten Jahren sind wir als Musiker und als Menschen - wie ja so viele andere auch in der Pandemie - allesamt extrem gewachsen als auch zusammengewachsen und können daher seitdem noch versierter und für die Band zweckdienlicher miteinander umgehen. Das macht es für uns in vielen Belangen einfach, weil man mehr aufeinander hört. Eigene Musik kann einen, gerade als sehr leidenschaftlichen Kreativen, ja oft sehr, sehr emotional werden lassen - da ist es wichtig, sich einen so klaren Kopf wie möglich zu haben und zu bewahren. Hat man als Band ein solcherlei gut funktionierendes, personelles Konstrukt, ist das viel wert. Ich kenne selbst viele Bands, die so wie wir eben nicht miteinander umgehen bzw. arbeiten. Man kann es bei Subway nach 30 gemeinsamen Jahren schon auch mit einem alten Ehepaar vergleichen - wir wissen alle ganz genau, was den anderen auf die Palme bringt, aber auch, was ihm gefällt. Insbesondere Bodenski und ich können wohltuend gut miteinander, es herrscht dabei einfach gegenseitig Respekt und Wertschätzung vor.“



In der aktuellen Labelpromo wird das Ganze als Folk Metal bezeichnet. Da der Opener „Phönix“ die Härtegrade schön nach oben zu schrauben versteht, erscheint dies auch passend. Simon: „Wir selbst einigten uns irgendwann mal auf Folk Metal, denn im internationalen Musikgeschehen existiert der Begriff ‚Mittelalter Rock‘ halt eben nicht - der Sammelbegriff für alles an solcher Musik ist da überall nur Folk Metal. Unser Gitarrist und musikalisches Mastermind Ingo war schon immer jemand, der persönlich eher im Metal- als im Rock-Bereich zuhause ist. Vielleicht ist das Harte in unserem Sound die letzten Jahre bei den vielen Experimenten doch eher zu kurz gekommen. Und nun, da wir uns ganz konkret auf unsere eigentlich Stärken besannen, kommt dies einfach mehr dabei von drinnen nach ganz draußen - doch der Metal an sich war ohnehin schon immer tief im Herzen von Subway To Sally verankert.“



Ein optimales Statement zur Überleitung, um die Entstehung der Kooperation mit den den Labelmates Warkings zu erfragen, welche mit ihrem komprimiert-dynamischen Power-Metal-Überdruck als Feature-Gäste im eingängig-melodischen Notendonner „Stahl auf Stahl“ zu hören sind.

Simon: „Wir sind ja als Bands zusammen auf ‚Eisheilige Nächte’-Tour im kommenden Dezember - und hierzu suchen wir immer wieder nach neuen Acts, die wir selbst erfrischend und dabei spannend finden. Wir möchten unseren Besuchern ein betont cooles Package präsentieren - die Warkings beobachteten wir bereits schon interessiert, als sie mal mit Feuerschwanz auf Tour waren und freuen uns jetzt, damit auf der kommenden Tour wieder mal neue Akzente setzen zu können. So lag es nahe, mit den Warkings, einer waschechten Metal-Band, die aber mit ihren Masken etc. auch einen hohen Unterhaltungsfaktor innehaben, einen gemeinsamen Song zu machen. Wir freundeten uns schnell gut an und stellten dabei fest, dass wir mit deren Bassisten vor 20 Jahren bereits schon mal gemeinsam auf Tour waren. Der Song wird als Single-Auskopplung erscheinen und es wird sogar ein Video dazu geben.“

Bodenski erinnert sich diesbezĂźglich mit freudiger Miene zurĂźck:

„Der Dreh dazu war extrem lustig - inklusive ‚Daydrinking‘. [grinst] Das hat auch zwischenmenschlich wirklich prima mit denen hingehauen. Uns ist die menschliche Seite immer wieder sehr wichtig bei derlei Zusammenarbeiten. Auch auf Tour muss das vollauf stimmig sein - ‚Eisheilige Nächte’ ist ja unser eigenes Festival und wir verbringen über die all die Tage der Tourdauer viele Stunden zusammen, da ist sehr von Vorteil, wenn man sich gegenseitig auch gerne mag.“



Mit von der hĂśchst beschwingten Dezember-Partie werden auch die beiden Bands Harpyie und The O'Reillys And The Paddyhats sein.

Wie Simon dazu wissen lässt, bestehen zu beiden bereits länger währende Verknßpfungen:

„Harpyie haben bei mir im Studio schon ihre Lieder aufgenommen, die kenne ich schon seit über zehn Jahren. Die Szene ist im Kern doch eher ziemlich klein, man läuft sich also immer wieder irgendwie und irgendwo über den Weg. Die Paddyhats haben wir mal auf einem Festival gesehen und dann auch persönlich kennengelernt, das hat auch gleich gut gepasst. Wir versuchen eben immer, ein unterhaltsames Gesamtpaket zu schnüren - welches, mit Subway To Sally als Headliner, durchaus ja schon eine gewisse ‚Gothic-Note‘ beinhaltet. Von daher haben wir als Ergänzung stets auch uns entsprechend auflockernd assistierende Party-Kapellen im Fokus - und so bekamen die Paddys von uns dann auch die absolut unmissverständliche Aufforderung, kein Auge trocken zu lassen!“

Š Markus Eck, 19.11.2024

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