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Interview: SOILWORK
Titel: Impulsgebende Innovatoren

Der erfolgreiche Albumvorgänger „A Predator´s Portrait“ ebnete den breiten Weg, auf dem sich nun ein „Natural Born Chaos“ so richtig ausrasen darf.

Das Sextett hat sich trotz des verdienten Erfolges der letzten Jahre aber nicht auf den erworbenen Lorbeeren ausgeruht. Der Name Soilwork wurde schließlich nicht umsonst gewählt: Er steht für bodenständige und pflichtbewußte Basisarbeit von leidenschaftlichen Schwerklangarbeitern. So hat die gesamte Band wieder sehr hart an sich gearbeitet, um nun abermals eine gehörige musikalische Weiterentwicklung zu demonstrieren.

„Natural Born Chaos“, das neue Langwerk von Soilwork, den schwedischen Death Thrashern mit der komplex-progressiven Fußnote im Sound, ist daher wie zu erwarten wieder ein überraschend innovatives Album an ebenso modernem wie melodischem Schwedenstahl geworden. Was die drei Gitarristen Peter Wichers, Ole Frenning und Ola Fink samt Keyboarder Stefan Karlsson, Drummer Henry Ranta und Sänger Björn „Speed“ Strid auf „Natural Born Chaos“ abziehen, kann sich wirklich hören lassen.

„Ich habe wirklich verdammt hart an meiner Stimme vor den Aufnahmen zum aktuellen Album gearbeitet und sogar erstmals Gesangsunterricht genommen“, entgegnet mir ein ob meiner einleitenden Komplimente zum Neuwerk hörbar erfreuter Björn.

Und „Speed“ Strid, der seinen einprägsamen Beinahmen nicht zuletzt auch aufgrund schon sehr früh einher gegangener und bis heute anhaltender Passionen für hyperschnelle Metalsounds verpaßt bekam, ergänzte seinen Stimmradius neuzeitlich um einige interessante Nuancen harmonischen Klargesangs. Der Mann mit dem äußerst ausgeprägten Faible für Schnelles lässt verlauten:

„Ich teile meinen Gesang nun auf jeweilig fast 50 % Growl- und Klargesang auf. Letzterer erhielt noch auf `A Predator´s Portrait` lediglich vereinzelte kleinere Äußerungschancen, daher kann von einer erheblichen Modifizierung im Soilwork-Sound gesprochen werden.“ Dies war laut Geschwindigkeitsfanatiker Björn anfangs jedoch noch als reines Experiment gedacht: „Ich spürte damals nach dem Release des zweiten Albums `The Chainheart Machine`, daß ich mich gesanglich verändern wollte und hatte dabei eine Vision von gezielt eingebrachten klaren Gesangslinien. Dem ging aber keinerlei kommerzielles Kalkül voraus, wie oft vermutet wurde. Ich wollte einfach einen reizvollen Kontrast zum sonstigen Todesgebrüll schaffen. Denn schließlich habe ich als Vokalist mehr zu bieten als nur reine Death Metal-Phrasierungen. Sollte ich das verkümmern lassen?“

Sicherlich nicht. Doch einfach war es nicht für den rasanten Schweden. „Als wir diese Art zu singen auf dem Albumvorgänger erstmals ausprobierten, machte ich nach Veröffentlichung der Platte eine schwere Zeit durch, weil ich noch nicht wußte, wie die Fans darauf reagieren würden. Ich war für eine gewisse Zeitspanne sogar richtig nervös und manchmal plagten mich auch Angstzustände. Aber alles wurde gut, die Fans liebten die neue Vokalisierung und daher habe ich mich entschlossen, die Sache noch auszubauen.“

Beim Song „Black Star Deceiver“, einem mustergültigen Track dieses Genres mit regelrechten Hitqualitäten, half sogar Produzent Devin Townsend, beispielsweise bekannt von Strapping Young Lad und Steve Vai, im Fredmann Studio gesanglich aus. Strid: „Ja, Devin gefiel das Stück so gut, daß er sich spontan entschloß, einige Parts beizusteuern. So duellieren wir beide uns in diesem Song in einer Art Frage/Antwort-Gegenspiel, bei dem Devin die Antworten übernahm.“

Wenn man das optisch zwar enorm abstoßende, aber dennoch gesamtgesellschaftlich sehr aussagekräftige Frontcover-Artwork von Grafiker-Bekanntheit Travis Smith betrachtet, ahnt man schon das interessante und durchdachte Zusammenspiel vom Albumtitel „Natural Born Chaos“ und visueller Message. Der Sänger erläutert:

„Wir wollen durch den Titel `Natural Born Chaos` und der optischen Umsetzung auf dem Cover die Überlegung näher bringen, daß man im neuen Jahrtausend mehr denn jemals zuvor in eine Welt aus Chaos hineingeboren wird. Es wird meiner Meinung nach gerade für heranwachsende junge Menschen mit jedem Jahr immer schwerer, sich auf unserem Planeten gesellschaftlich und zwischenmenschlich zurecht zu finden. In einer übertechnisierten Welt aus Manipulation, Konsumterror und vorgekauten Meinungen bleiben viele Menschen stetig ansteigend geistig auf der Strecke, um sich letztlich mit der Masse treiben zu lassen; was am Ende vieles einfacher zu machen scheint. Gleichzeitig wächst aber dadurch auch das innerliche emotionale Chaos in den Köpfen ständig an. Ein übler Zustand, welcher für viele Leute nur noch den wöchentlichen Besuch beim Psychiater als letzte Möglichkeit offen läßt. Denn der Mensch an sich ist einfach nicht als unselbständiges Herdentier geboren. In jedem von uns schlummern Eigenständigkeit und große mentale Stärke. Daraus entsteht zwangsweise ein ständig stärker werdender Zielkonflikt.“

Jedoch will Björn hier beileibe nichts pauschalisieren, was sehr für ihn und seinen toleranten Intellekt spricht. „Keiner wird gezwungen, sich vorbehaltlos einzugliedern. Jeder kann natürlich für sich entscheiden, was er mit seinem Leben macht. Doch irgendwie scheint es mir, als ob das immer weniger gewollt beziehungsweise gefördert wird. Es passieren doch täglich so viele Dinge auf der Welt, die sich keiner mehr so recht erklären kann. Das scheint aber gleichzeitig auch immer weniger Menschen richtig zu interessieren. Jedoch, es kommt natürlich auch immer darauf an, in welchem Land der Erde man geboren wird und was man aus der jeweiligen Startsituation macht. Aber insgesamt gesehen reflektiert das Vorhergehende meine beziehungsweise unsere kollektive Meinung zur undurchsichtigen Weltlage“, läßt der 23-jährige Shouter noch entschlossen verlauten.

© Markus Eck, 03.03.2002

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