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Interview: SETH
Titel: Ausufernde Komplexität

Diese französischen Schwarzmetallkönner existieren seit einigen Jahren, jedoch erst ihr zweites Album „The Excellence“ machte die Band so richtig im Untergrund bekannt.

Erneut zwar exzellent gespielten, aber jedoch um einiges kreativ-vielseitigeren und sehr viel technischeren Black Metal hat das anspruchsvolle Quartett nun auf seinem aktuellen Nachfolgealbum „Divine - X“ verewigt.

Diesem famosen Drittwerk entströmt aufgrund seiner monströs wirkenden musikalischen Komplexität der Ehrfurcht einflößende strenge Duft elitärer Allmachtsansprüche von besessenen Dunkelkünstlern, denen es scheinbar nicht bizarr-tragisch genug sein kann. „Divine - X“ ist somit die bisher reifste künstlerische Leistung von Seth, aber auch simultan das wohl bislang anstrengendste Album.

Um nämlich den Unmengen von spielerischen Finessen und ausgetüftelten Arrangements der neuen Veröffentlichung auf die Spur zu kommen, heißt es zuvor einige Aufmerksamkeit zu investieren.

In der Zwischenzeit entrollt Saitenfolterer Heimoth hier schon mal sinnbildlich eine meterlange Schriftrolle mit interessanten Einzelheiten seines obskuren Musikerzirkels.

„Unsere aktuelle Musik hat rein gar nichts mehr mit unserem frühen Schaffen zu tun, wie es beispielsweise auf unserer Debüt-Mini-CD `By Fire... Power Shall Be` oder dem ersten Seth-Album `Les Blessures De L´Ame` zu hören war. Denn wir sind in der jüngeren Vergangenheit nicht nur ziemlich progressiv geworden, sondern auch spieltechnisch um einiges komplexer ausgerichtet. Eigentlich war dies auch auf `The Excellence` so, aber viele der Feinheiten dieses Albums wurden von der Produktion leider mehr oder weniger geschluckt. Auf `Divine - X` erinnert somit nur noch der letzte Song, der Titeltrack, an unsere frühe musikalische Direktive, welche um einiges mehr vordergründig auf Melodik ausgerichtet war. Doch beinhalten unsere Songs auch heute noch ein hohes Maß an Melodien, nur eben subtiler.“

In der Tat, das hat Heimoth korrekt ausgedrückt. Der fähige Gitarrist und seine strebsame Truppe bemühen sich seit jeher, kreativ niemals zu stagnieren:

„Das ist typisch für Seth. Denn in jedem unserer bisherigen Werke haben wir uns auf andere Art und Weise verwirklicht. Für uns war es keine zwanghafte Überlegung, ob und wie wir unseren Stil ändern sollen. Es hat sich einfach ergeben. Glücklicherweise ist die Produktion dieses Mal exakt nach unseren Vorstellungen ausgefallen, so daß die gesamte spielerische und klangliche Modernität von `Divine - X` perfekt zur Entfaltung kommen kann.“

Modernität? Heimoth bringt Licht ins Dunkel: „Ja, wir haben einige neue elektronische Sounds in die Songs integriert, die wirklich sehr interessant klingen. Aber keine Angst, diese fügen sich prima ins futuristische Black Metal-Gesamtklangbild von Seth ein und ergänzen unsere Stücke um ein Vielfaches an befremdlicher Atmosphäre! `Divine - X` ist unserer Meinung nach die ideale Kombination aus brutalen Aspekten und dunkler Atmosphäre. Eine Menge unserer alter Fans werden höchstwahrscheinlich ziemlich verwirrt sein, wenn sie die neuen Lieder das erste Mal hören, aber das wird uns nicht stören. Denn dieses Album soll ganz bewußt Verblüffung auslösen.“

Mutig und sehr selbstbewußt gesprochen. Auch die Erklärung des aktuellen Albumtitels weiß er in interessante Worte zu kleiden:

„`Divine - X` klingt schon beim Aussprechen sehr geheimnisvoll. Der Begriff tituliert das neue Album hervorragend. Er soll die – immer schon vorhandene – menschliche Neigung ausdrücken, einen gottgleichen Status zu erreichen. Also den Versuch, die überirdischen Eigenschaften bekannter Götter auf sich und seine Seele zu übertragen und soweit als möglich danach zu leben – um sich damit letztendlich selbst als eine Art Gott zu fühlen und verehrt zu werden. Die Antike kennt eine ganze Reihe Beispiele dafür. Und der angehängte Buchstabe `X` soll das Geheimnisvolle, Unerklärliche und Eigentümliche unserer neuen Kompositionen widerspiegeln.“

Letztere enthalten durchweg lesenswerte Texte. Es entstanden Lyriken, welche Heimoth jedoch hier nicht näher erläutern möchte.

„Unsere Hörer sind aufgefordert, sich sehr intensiv mit unserer Musik auseinander zu setzen und die Lyrics aufmerksam zu studieren – und selbst zu interpretieren. Die hauptsächlichen inhaltlichen Aspekte bestehen aus Vereinigung in Besessenheit, wie beispielsweise im Track `Walk On Fire With Me´ oder dem Titelsong. Wir behandeln aber auch die Laster der Menschheit und damit einhergehende Religionslosigkeit. So schrieben wir diesmal unter anderem sehr tiefenpsychologisch-astrale Songtexte, wie beispielsweise beim Stück `Cosmic Cursed´s Shelter`. Es soll den Hörern die Vorstellung eines zeit- und raumlosen imaginativen Friedhofes nahe bringen. Einer allerletzten Ruhestätte, zu welcher der Geist eines jeden Menschen fließt, der während seines Lebens aufgrund extremer religiöser Ansichten auf der Erde gehasst wurde. Dort, in diesem astralen Sammelpunkt solch gequälter Seelen, finden die Ankömmlinge jedoch völlig neues Systemdenken vor, welches die gedankliche und religiöse Freiheit des einzelnen Individuums preist. Hier finden sie alle, egal welcher Herkunft und Konfession, ihre letzte und ewige Ruhe.“

Der Maincomposer bei Seth hat abschließend nur ein Ziel mit seiner Musik: „Ich möchte hier genau das tun, was mein Innerstes mir immer wieder aufs Neue diktiert und so viel als mir möglich erschaffen. Ich kann es sowieso nicht nachvollziehen, wenn manche Bands der Presse und ihren Fans ein höchst präzise formuliertes musikalisches Ziel nennen. Wir wollen größtmöglich innovativ-kreativ sein und stellen uns solcherlei Fragen daher zu keiner Zeit.“

© Markus Eck, 27.03.2002

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