Interview: | SATYRICON |
Titel: | Taumelnd in den Triumph |
Seit 1991 steht dieser weltberühmte Bandname mitsamt einem gewissen, nicht selten avantgardistischen Appeal vor allem für eines: Ständigen, bewussten Neuanfang.
Bequemlichkeit, Selbstzweifel oder Stagnation waren schließlich nie das Ding von Sigurd ‚Satyr‘ Wongraven. Mit dem selbstbetitelten 2013er Album wagte sich der auch als Komponist überaus vielfältige Sänger, Gitarrist und Keyboarder zusammen mit Drummer Frost vermehrt in progressivere Black Metal-Gefilde.
Auf dem aktuellen Nachfolger mit dem geheimnisvollen Titel „Deep Calleth Upon Deep“ führt die Songwriting-Reise der beiden Norweger noch gerader in diese Richtung. Womit Satyricon, unerwartet wie eh und je, auf weiten Strecken an die neueren Ergüsse der Genrekollegen und Landsmänner von Enslaved erinnern können.
Wie Frost, im wirklichen Leben als Kjetil Haraldstad bekannt und seit 1993 dabei, offenbart, ist er auch mit dem mittlerweile einhergegangenen Abstand zu den neuen Liedern immer noch hochgradig fasziniert davon.
„Es macht mich sehr stolz, mir nun das Resultat von ganzen drei Jahren Arbeit anzuhören. Wenn ich diese Stücke für die kommenden Konzerte an meinem Drumkit einstudiere, überkommen mich dabei tiefgründig belohnende Schauer, erfüllt von Respekt dafür, was wir erschufen.“
„Deep Calleth Upon Deep“ bietet hauptsächlich eine gut ausgewogene Fülle von allem, was die Musik von Satyricon bisher zu bieten hatte, so sagt er. „Für dieses Album haben wir unsere Mischung allerdings in neue Dimensionen vorangetrieben. Ich erlebe das Ganze als ebenso kreativ wie lebendig, elektrisch, kraftvoll und magisch zugleich.“
Die Zusammenarbeit mit Satyr, der seit 2011 unter dem Label ‚Wongraven Wines‘ seine eigene Weinsorte vertreibt, gestaltete sich den Schlagzeuger erneut sehr eng, wie er rückblickend wissen lässt. „Da entstand wieder eine hohe Dichte zwischen uns. Wir jammten ungemein viel. Und wir gaben niemals auf, bevor wir für jeden einzelnen Song eine gemeinsame, stabile Basis errichtet hatten, auf welcher wir ein harmonisches Verständnis für die jeweilige, individuelle Natur der Stücke teilen konnten.“
So reüssierte das treue Duo laut Frost sogar den gesamten Songwritingprozess hindurch vor allem mit der elementaren Rückbesinnung auf frühere, gemeinsame Jam-Sessions. Die Gesichtszüge des Interviewten erhellen sich nun merklich:
„Davon profitierten letztlich auch die Arrangements der Songs in bedeutendem Maße. Die ganze Arbeit atmete diesen Spirit der in sich geschlossenen Gemeinsamkeit, es wurde immer dynamischer, hermetischer und ereignisreicher.“
Der stets aufs Neue polarisierende Frontmann Satyr wird von Frost mit anerkennender Mimik als „sein eigener Beethoven“ benannt. Ein gewichtiger Vergleich.
„Ja, aber er hat eben bekanntlich seine ganz eigene, völlig unverwechselbare Art, großartig und nachhaltig beeindruckende Musik zu schreiben. Da ist er absolut unbeirrbar, egal, welche stilistische Modifikation zu welcher Zeit auch damit einhergehen mag. Und Satyr nimmt sich auch alle nötige Zeit, um als Künstler stets ganz zu sich selbst zu finden. So entstand erst mit der unbedingt gebrauchten Zeitspanne und schöpferisch inspirierten Muse diese eigenständige, ganz spezielle Rezeptur, mit der die auserlesenen Bestandteile für ‚Deep Calleth Upon Deep’ zusammengebracht wurden.“
Zu den für ihn persönlich kniffligsten bis aufwändigsten Entwicklungen der neuen Nummern befragt, gerät der bärtige Stockmeister, der seit der Jahrtausendwende auch bei den viehischen Black Metal-Biestern 1349 wütet, in dezent philosophische Züge.
„Ich glaube, am meisten Mühe bereitete es mir immer wieder, ein gänzliches Verständnis für die essentiellen Qualitäten jeder Komposition zu entwickeln und nachfolgend aus rhythmische Ansätzen optimal funktionierende Lösungen entstehen zu lassen. Mit meinem dementsprechend nach und nach entwickelten Spiel die einzelnen Vorzüge der Lieder zu konservieren, gestaltete sich wahrlich anspruchsvoll und bisweilen sogar unglaublich schwierig. Selbst die allergrößten Mühen haben sich jedoch vollauf gelohnt. Ich konnte mehr an Leben und Luft in mein Drumming bringen, und zeitgleich ein neues Level an Präzision erreichen. Zwar bin ich noch nicht an dem angelangt, was mir vorschwebt, aber mir gelangen einige Schritte in die richtige Richtung. Und so wurde ‚Deep Calleth Upon Deep’ meines Erachtens nach ein sehr aufregendes, vitales und faszinierendes Album.“
Was etwaige musikalische Einflüsse anbelangt, die im neuen Klangkosmos von Satyricon ihre Umlaufbahnen ziehen - darüber wird sich genüsslich grinsend und in aller wörtlichen Freundlichkeit ausgeschwiegen. „Fragen darf man mich das immer. Aber es kommt keine Antwort. Ich halte schlicht nichts davon, darüber etwas preiszugeben.“
Das verblüffend einfach und griffig strukturierte, und gerade dadurch auch emotional so hart packende Monster „To Your Brethren In The Dark“ kann einiges an ansteigend hypnotischer Wirkung entfalten. Das monolithische Lied zählt neben dem großartig gewordenen Titelsong ganz sicherlich zu den Höhepunkten auf der neuen Veröffentlichung. Frost nickt mehrmals entschlossen:
„Ich fühle dabei ebenfalls, wie eine zutiefst dunkle, gespenstische und faszinierende Atmosphäre von mir Besitz ergreift, wenn ich mir das Stück anhöre. Genau darum geht es. Überhaupt ist die ganze Scheibe von derlei Gefühlsspektren durchzogen: Verlust und Verzweiflung, Leistung und Sieg - und alles dazwischen.“
Auch lyrisch bewegen sich die neuesten Kreationen der zwei langjährig geübten Schwarzmetallschmiede in abgründig-existenzialistischen Regionen, so wird in erhabener Haltung informiert.
„Wer dabei jedoch nach einem thematischen roten Faden sucht, der wird nicht fündig werden. Hauptthemen oder irgendwelche Konzepte sind nicht vertreten. Die Texte sind nämlich so vielfältig wie die Songs selbst.“
Das bewusst doppelt aufgeführte „Deep“ im Albumtitel symbolisiert somit die gezielt inszenierte Kommunikation des Materials mit dem Innersten der damit in Kontakt kommenden Rezipienten. Der ansonsten so wild aufspielende Fellhauer gerät in nachdenkliche Stimmung, um dann andächtig zu formulieren:
„Jede noch so kleine Facette, die auf diesem Werk zu hören ist, entspringt den am meisten ausgeprägten Vertiefungen unserer beider Existenzen. ‚Deep Calleth Upon Deep’ ist also sozusagen als ein spiritueller, metaphysischer Vermittler gedacht.“
© Markus Eck, 07.09.2017
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