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Interview: ROZENCRANTZ
Titel: Ausleuchtung der Seele

Genau genommen ist der Mensch an sich ja eigentlich eher das Opfer seiner Intelligenz: Denn durch sie stellt er sich doch überwiegend quälende Fragen, die er nicht beantworten kann. Da kommen Sänger und Gitarrist Skye samt Saitenkumpan Gray, Tastenkünstler Lucian, Bassist Horatio C. Luvcraft und Drummer Jackie Saint doch gerade recht, um uns mit ihrer neuen Veröffentlichung „Romancer“ ein wenig von müßigen existenziellen Erwägungen abzulenken.

Diese EP stellt nach dem hörenswerten 2007er Debütalbum „Salvation“ die nächste Gothic Rock-Scheibe der außerordentlich talentierten und auch tüchtigen Gruppe dar. In Sachen Songmaterial tendenziell ein wenig härter, aber trotzdem abermalig betont emotional wie auch atmosphärisch orientiert, bietet der neue Diskus daneben aber auch ganze vier Videoclips auf.

Wie Tieftöner Horatio zu berichten weiß, entschied er sich schon vor weit über einem Jahrzehnt dazu, dass Musik einen wesentlichen Teil seines Lebens einnehmen soll:

„Demnach habe ich mich stets bemüht, mein Leben so zu gestalten, das die Musik nicht zu kurz kommt. Also habe ich eingesehen, dass ich nur mit einer Selbständigkeit langfristig klar komme. Alles unter einen Hut zu bekommen ist trotzdem oft schwer, gerade in Studiophasen oder wenn eine neue Veröffentlichung ansteht.“

Musik ist für den Viersaitenspieler laut eigenem Bekunden die Möglichkeit, sich in einer Art und Weise auszudrücken, welche über die Möglichkeiten der Sprache allein hinausgeht. „Gefühle zum Ausdruck zu bringen ist für viele Menschen eine schwierige Aufgabe. Wir benutzen die Musik als Transporter unserer Ideen und Gedanken. Wie es Andy Wood schon sagte, ist die Musik die einzige internationale Sprache. Jeder kann sie verstehen, wenn er sich auf sie einlässt.“

Veröffentlichungen sind dabei also sehr wichtig, so Horatio: „Denn ohne unsere Werke heraus zu geben, können wir unsere Gedanken nicht mitteilen, unsere Musik nicht an die Menschen weitergeben. Wir machen unsere Musik nicht für uns alleine und möchten möglichst viele Menschen erreichen. Das ist wohl auch der Grund, warum wir immer wieder unser Geld und unsere Zeit in die Band pumpen, und nichts heraus geben bis wir damit auch 100 % zufrieden sind.“

Alle Mitglieder von Rozencrantz haben laut Aussage des Bassisten schon immer das Ziel gehabt: Auf der Bühne zu stehen und den Menschen Musik zu präsentieren – und Horatio fährt dazu fort: „Wir hatten schon immer eine Menge zu sagen und uns ist es wichtig, das Musik eine Botschaft transportiert. Sicherlich gibt es kleine `Etappensiege`, die man als verwirklichten Traum ansehen kann. Solche Meilensteine sind beispielsweise die Veröffentlichung des ersten Albums oder die erste Open Air Show. Aber keine Angst, wir sind noch lange nicht satt. Appetit kommt mit dem Essen, und unser Hunger hat gerade erst begonnen.“

Die neuen Songs für die aktuelle EP „Romancer“ wurden im bandeigenen StarShipStudio aufgenommen, so der freundliche Horatio. Wir erfahren noch: „Auch die meisten Gesänge haben wir dort konserviert. Die Instrumentalaufnahmen, das Mixen und das Mastern haben wir dann im DocMaKlang in Osnabrück aufgenommen. Dort fühlen wir uns verstanden und dort hatte auch bereits die `Salvation` ihren letzten klanglichen Schliff bekommen. Vom Beginn der Aufnahmen der vier neuen Songs bis zur Fertigstellung haben wir gute drei Wochen daran, getüftelt, um unseren neuen Sound zu kreieren. Aber bei `Romancer` gab es für uns ja neben dem Songwriting und -recording auch noch die nicht ganz von der Hand zu weisende Arbeit an den vier Videotracks der EP.“

Eine EP anstatt ein komplettes neues Album – gehen der Band die Ideen aus? Der Tieftonerzeuger konstatiert dynamisch: „Ganz im Gegenteil! Wenn das der Fall wäre, hätten wir es von vorne herein unterlassen. Wir sehen diese EP nicht als abgespecktes Album sondern viel mehr als ein anderes, eigenständiges Produkt. Immerhin ist die CD randvoll. Die vier mitgelieferten Videos brauchen schließlich auch ihren Platz. Ich bin der Meinung, dass das Auge im Musiksektor immer schon ein wichtiger Faktor war, und dass sich diese Stellung in den letzten Jahren eher noch ausgebaut hat. Deshalb haben wir uns entschlossen, Musik und Visuelles gleichwertig zu behandeln und jeweils vier Tracks auf die EP zu bringen.“

Höchste Zeit, um über besagte Videoclips zu sprechen – drei davon sind auf der diesjährigen Ausgabe des Castle Rock Festivals mit großem Aufwand aufgezeichnet worden, wie Horatio erzählt. Und:

„Der vierte Clip ist unser neues Musikvideo zum Song `Skin On Skin`. Der Clip war im Videobereich mit Abstand das Komplexeste, was wir bisher realisiert haben. Wir haben zwei Tage lang an vier Sets gedreht, Wochen mit der Vorplanung verbracht, Pläne geschmiedet, verworfen und unsere größte Gabe voll zum Einsatz gebracht: Das Wunder inspirierter Improvisation! Letztlich haben wir aber das Ergebnis bekommen, das wir uns zu erreichen vorgenommen hatten. Skye hat dann noch Wochen mit Schnitt und Postproduction aller Clips verbracht. Zu den Videos gibt es im Übrigen auch einige Making-Of-Videos auf unserem MySpace Profil zu sehen.“

Die neuen Songs zeigen Rozencrantz musikalisch wieder überaus tiefgründig. Besteht die Band im aktuellen Fall selbst auch aus so tiefsinnigen Charakteren? „Ich denke, das kann man schon von uns behaupten. Und es mag auch ein enormer Vorteil sein, aber oft ist ein Segen auch ein Fluch. So sind wir uns selbst die größten Kritiker: Wir ziehen Vieles was wir machen oft zu Unrecht in Zweifel und machen es uns letztlich schwer, künstlerische Entscheidungen zu treffen.“

Rozencrantz sind hörbar härter geworden: „Ja, der Rock ist das durchgezogene Element auf „Romancer“. Wir sind mit dem Ziel an den Start gegangen, den Zuhörer zum Bewegen zu animieren, Energie zu bündeln und zu transportieren. Die Songs repräsentieren das, was Rozencrantz auch live ist: Eine kraftvolle Rockband“, so Horatio.

Die aktuellen Kompositionen entstanden in einer konzentriert inspirierten Atmosphäre im Studio der Gothic Rock-Band:

„Dort wurden die Grundzüge der neuen Songs von Skye, Lucian und mir festgelegt. Jeder der Songs hatte dann eine leicht abweichende Entwicklungsgeschichte. Aber im Grunde lief es so, das jeder sich mit den Konzepten auseinander gesetzt hat, und wir die Songfragmente so lange im Kreis weiter gegeben haben bis sie zu dem geworden sind, was nun auf `Romancer` zu hören ist.“

Wenn Horatio auf das bisherige Schaffen von Rozencrantz schaut, ist „Romancer“ seines Empfindens nach eine konsequente Fortführung dessen, für das Rozencrantz schon immer steht: „Das Erarbeiten von Gefühlen, das Ausleuchten der Seele, die Analyse des Miteinanders. Liebe in allen Aspekten ist unser Einfluss, unsere Inspiration und unsere Botschaft.“

Texte sind dem Düstertrupp weiterhin sehr wichtig, wie ich in Erfahrung bringen konnte: „`Romancer` hat ein textliches Gesamtkonzept. Es geht auf dieser EP um das Spannungsfeld zwischen Romantik, Lust, Verlustängsten und Hoffnung. Wir haben diese Themen auf einen einzigen Charakter projiziert: Den `Romancer`. Zu sehen ist er auch auf dem Cover unserer neuen EP. Ein emotionaler Mensch in einer desolaten (Gefühls)Welt, endlos enttäuscht und doch jederzeit bereit das Abenteuer Liebe aufs Neue zu beginnen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Die beteiligten Musiker geben ihre Kunst aus freien Stücken und zur freien Verfügung des Hörers, eröffnet der Bassist. „Wenn sich jemand die Mühe macht, sich mit unseren Texten auseinander zu setzen ist das sicherlich das Ideal, aber wenn jemand einfach nur auf unsere Musik abfährt, ist das eben so schön.“

Nach ihren anstehenden Record Release Shows am 22. 11. in Bochum und am 28.11.2008 in Erfurt werden sich Rozencrantz intensiv auf den Jahresabschluss vorbereiten, erläutert Horatio.

„Denn während Hierzulande die Pakete unter den Weihnachtsbaum gelegt werden, machen wir uns auf, um mit zwei Shows in Moskau das Jahr zu beschließen. Im kommenden Jahr werden wir dann viele Festivalshows spielen, sowohl in Deutschland als auch im angrenzenden Ausland. In Zukunft werden wir aber ohnehin sehr viel mehr Live-Präsenz zeigen als in den letzten Jahren. Grobe Vorplanungen für ein neues Album gibt es bei uns sowieso immer. Wir brennen darauf mehr Material einzuspielen, aber realistisch wird das wohl erst nach dem Festivalsommer 2009 Wirklichkeit werden können. Neue Lieder wird es aber auf jeden Fall auf unseren Live-Konzerten zu hören geben. Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen der Band bei unseren treuen Fans bedanken, die uns das Gefühl geben, mit dem, was wir als Rozencrantz so tun, Menschen zu erreichen und ihnen den Alltag ein wenig zu versüßen. Ihnen helfen, ihre Gefühle besser zu kanalisieren. Wir lieben euch, danke für alles! Gleichzeitig möchte ich jeden einladen und kennen lernen. `Romancer` ist sicherlich ein guter Einstieg in unsere Welt. Rozencrantz für Auge und Ohr.“

© Markus Eck, 16.10.2008

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