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Interview: RAGE
Titel: Aufbereitung antiker Ansichten

Rage sind als eine der ersten deutschen Power Speed Metal-Bands bekannt und beliebt geworden. Als Frontmann, Bandleader, Bassist und Vokalist Peter Wagner alias Peavy damals in der metallischen Aufbruchsphase zu Beginn der 1980er unter dem Namen Avenger startete, sollte noch eine beispiel- und vorbildhafte Karriere für das sympathische Urgestein aus dem westfälischen Herne bevorstehen.

Die Band reifte unter Wagners Ägide über all die Jahre zu einer der ersten Adressen in Sachen melodischem Power Metal, deren Alben allesamt Garant für qualitativ-zeitlose harte Musik darstellen. „Welcome To The Other Side“, so der Titel des neuesten Werkes, ist abermals eine überaus melodische Metal-Scheibe von höchst professioneller und vieldimensionaler Erscheinung geworden, die so unverbraucht wie schon lange nicht mehr klingt.

Rage haben darauf kunstvoll die sagenumwobenen mystischen Legenden der Antike verarbeitet und geschmackvoll aufbereitet. Auch wirken die Stücke sehr ehrlich und überzeugend. Langjährige Erfahrung definiert sich erneut in routiniert-rifforientierten und enorm abwechslungsreichen Kompositionen und ermöglicht ein hohes Maß an Hörgenuß. Peavy hat sich noch immer mit Leib und Seele den Idealen seiner gespielten Musik verschrieben:

„Rage sind als Metal-Band gestartet und werden immer eine bleiben. Wie du auch an den Stücken von `Welcome To The Other Side` hören kannst, war es für mich nie eine Frage wert, ob ich den Stil trendgerechter modifizieren sollte. Schon mit jungen Jahren entdeckte ich die Passion des Metal für mich und wollte so schnell als möglich Musiker werden, der solchen Sound mit seiner Band spielt. Mein lodernder Enthusiasmus setzte dann auch recht schnell die Geschicke in Gang.“

So erlernte er laut eigener Aussage zuerst Gitarre, dann Bass und schließlich fing er noch an zu singen, was eine zusätzliche Herausforderung für ihn darstellte. Wir erfahren:

„Auch heute noch halte ich an diesem Aufgabenfeld eisern fest, weil es mir einfach gesagt am besten liegt. Nun bin ich schon seit 20 Jahren Musiker. Die Band wurde 1983 von mir gegründet und umschiffte so gut es ging sämtliche hohen Klippen des Genres, an denen so viele andere zerschellen. Höhen und Tiefen erlebt jeder, aber es kommt darauf an, was man daraus macht. Ich habe alles Erlebte in meine eigene Kreativität und die daraus entstandenen Songs einfließen lassen.“

Aufgrund der damaligen Koexistenz einer anderen Band, die unter dem gleichen Namen agierte und diesen für sich beanspruchte, mußten unsere Helden ihren ändern. Was auch von der anfänglichen Company Noise Records nahegelegt wurde, um Verwechslungen zu vermeiden. Peavy gab nach und nachdem man sich nun in Rage umbenannt hatte, lösten die Namensvettern sich kurz danach auf. Welch' Ironie des Schicksals.

„Das war schon OK so, denn wie ich im Nachhinein erfahren habe, gab es bereits zu dieser Zeit noch mehr Bands mit Namen Avenger. Deswegen habe ich niemals damit gehadert. Diese ganzen Namensstreitigkeiten weiteten sich mit der immer größer werdenden Zahl an Bands aus und es wird ja auch immer schwieriger, mit einen guten und klangvollen Namen an den Start zu gehen“, stellt Peavy fest.

Rage anno 2001 bestehen neben Peavy nun auch aus neu rekrutierten Musikern, arbeiten aber wieder als Trio. Hauptkomponist Peavy kommentiert:

„Ja, mit Drummer Mike Terrana und Victor Smolski, der Gitarren und Keys übernommen hat, sind neue und passende Mitstreiter in die Band gekommen. Nach unüberbrückbaren musikalischen und zwischenmenschlichen Differenzen trennte ich mich überraschend von meinen langjährigen bisherigen Mitmusikern und stand erst mal alleine dar. Unsere musikalischen Vorstellungen waren mit den Jahren einfach zu verschieden geworden und die der anderen drifteten in für mich unakzeptable Richtungen. So kann man auf Dauer nicht kreativ arbeiten. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es zur Trennung kam. Ich wurde aber in dieser Situation erst Recht zur Kämpfernatur. So fand ich auch nach nicht allzu langer Dauer gleich neue Members für Rage. Auf dem ´99er Album `Ghosts` sind Mike und Victor erstmals zu hören gewesen. Sie gaben mir ein schon so lange vermißtes Feeling zurück: Die Einigkeit! Victor ist ein wahrer Multiinstrumentalist, der eine immense Freude am Musizieren hat. Er ist als Weißrusse sehr klassik-orientiert, was nicht zuletzt auch durch seinen Vater vorgegeben war, der in Rußland Leiter eines Orchesters ist. So sind seine musikalischen Vorbilder eindeutig Rachmaninov und Tschaikowsky. Er hat auch schon eine symphonische Solo-Scheibe veröffentlicht, die den Titel `The Heretic` trägt. Allerdings ist diese wider Erwarten kein Metal-Album geworden. Victor paßt insofern besonders gut zu Rage, weil ich schon seit längerem mit dem eigens für die Band zusammengestellten Lingua Mortis Orchestra zusammenarbeite. Nun kann er sich in dieser Richtung besonders gut involvieren. Und Mike, der schon bei Yngwie Malmsteen und zuletzt auch bei den Power Metal-Newcomern Metalium spielte, ist einfach ein begnadeter Trommler. So spielten wir wenige Wochen nach ihrer Einarbeitung einen furiosen Gig beim 1999er Wacken-Open Air, der stürmische Begeisterung bei den Fans erntete. Mit diesen beiden ist nun endlich die von mir gewünschte und förderliche Harmonie innerhalb der Band wieder hergestellt. Sie waren der reinste Glücksgriff und wir verstehen uns musikalisch und menschlich einfach blendend. Mit ihnen könnte ich mir eine dauerhafte Zusammenarbeit sehr gut vorstellen, die ich mir auch von ganzem Herzen wünsche.“

Wenn man das neue Album von Rage hört, entfaltet sich die Tragweite dieser Aussage in ihrer Gänze. Peavys Stimme hat sich in all den Jahren von Album zu Album verändert, was eine nur natürliche Progression darstellt; simultan wurde auch die hohe Geschwindigkeit der Songs allmählich reduziert.

Sang er anfänglich noch mitunter ziemlich hohe Oktaven, gehört dies schon seit längerem der künstlerischen Vergangenheit an. So entwickelte der idealistische 36jährige Shouter mit der Zeit einen sehr harmonischen Stil, der die Songs markant zu intonieren weiß. Ich bringe den gesanglichen Hetfield-Vergleich an. Peavy bestätigt erheitert:

„Kann man ungefähr so sehen. Bei Metallica übernahm James damals aus Mangel an anderen verfügbaren Talenten das Mikro. Metallica haderten lange damit; heute kann man sich ohne ihn keinen Song mehr von denen vorstellen. Ich singe ja auch schon sehr lange; da ist es ja ganz klar, daß man mit den Jahren reift und sich verbessert. Eine Band steht und fällt mit dem Sänger, der auch immer ein gewisser Identifikationsträger ist. Für mich war es ein langer, aber lohnender Weg.“

Auf „Welcome To The Other Side“ wurden vielerlei antike Thematiken verarbeitet, was der Platte einen großen Reiz verleihen kann und neugierig auf die lyrischen Inhalte macht. Songs wie „Paint The Devil On The Wall“, „Point Of No Return“ oder auch der Titelsong enthalten viel dunkle und anregende Poesie; auch das Album wird mit entsprechendem Cover und CD-Booklet ausgeliefert.

„Ich schreibe schon seit vielen Jahren sehr düstere Lyrics mit philosophischem Tiefgang, die sehr persönlicher Natur sind. So ist jeder Text ein kleines Statement meiner Ansichten und meines Glaubens an das Leben nach dem Tode. Auf `Welcome To The Other Side` ist auch wieder tonnenweise dunkler lyrischer Mystizismus enthalten. So haben wir unter anderem die griechische Sage des Flusses Styx aufgegriffen. Darin steckten die alten Griechen ihren Toten vor der Beisetzung bekannterweise eine Münze in den Mund, damit diese den Fährmann bezahlen konnten, welcher sie über den Fluß ins Totenreich bringen sollte. Die Antike ist voll mit hochinteressanten Sagen und Überlieferungen, die es wert sind, auch heute noch durchdacht zu werden. Meistens sind es doppeldeutige, im übertragenen Sinne zu sehenden Botschaften. Ich interessiere mich sehr dafür.“

Apropos Religionen: Peavy glaubt also an die Reinkarnation und hat seinen eigenen spirituellen Weg gefunden?

„Auf jeden Fall! Für mich sind alle medial so hoch gepriesenen und nahegelegten Religionen sowieso nur aufgesetztes Blendwerk, welches vom Eigentlichen ablenken soll. Die Sinne der Menschen sollen verkleistert werden und sie sollen sich blind diesen Dogmen ergeben. Ich habe schon lange meinen eigenen individuellen Glauben, der mir Kraft und Willen gibt. Letztendlich sollte natürlich jeder seinen eigenen Weg des Glaubens gehen, aber durch die Allmacht der Kirche ist die Selbstfindung in den Menschen schon drastisch; ja, fast auf Null reduziert worden.“

Der Großteil der Songs auf der aktuellen Scheibe ist wieder einmal von Meister Peavy komponiert worden. Es ist einfach immer wieder bewundernswert, welche eingängigen und natürlich-emotionalen melodischen Tonfolgen seiner begabten Feder entspringen.

„Ich bin ein typischer manischer Songwriter. Manchmal kann ich während meiner kreativen Hochphasen überhaupt nicht mehr abschalten und auch nicht schlafen. Wenn der Ball mal ins Rollen gekommen ist, halte ich ihn nicht auf. Während des Kompositionsprozesses für ein neues Album laufe ich ständig mit einem Diktaphon herum und nehme jede noch so kleine Idee auf. Die besten Melodien kommen mir aber immer bei meinen `Künstler-Sessions` in den Sinn. Ich sitze dann immer einfach nur so da und spiele mir selber etwas vor. Durch die Vielzahl der festgehaltenen Ideen dauert es auch immer ein wenig länger als gewöhnlich, bis ein Stück restlos ausgearbeitet ist. So war z.B. der erste Song des neuen Albums anfänglich ganz anders aufgebaut, als er nun zu hören ist. Sein Refrain war anfänglich erst die Bridge. So kann aber trotzdem schon passieren, daß ich in einer solchen Phase drei bis vier Songs in einer Woche komponiere. Mein Stil des Songwritings ist immer gleich; erst kommt die Melodie, dann der Text. Wenn aber die Melodie steht, habe ich während des Komponierens gleichzeitig durch die zugrundeliegende jeweilige Inspiration den Text schon zum Großteil im Kopf.“

Bei einer solchen Vielfalt an vergleichbaren Acts ist es doch sicher sehr schwer geworden, sich auf dem Markt zu behaupten? Anders als in den Anfängen der Band sind mittlerweile nun ganze Legionen von Konkurrenten am Wirken. Selbstsicherheit pur:

„Wir gehören unzweifelhaft zur Speerspitze der deutschen Power Metal-Szene. Unser knackig-erdiger Sound ist schon auch ein gewisses Trademark geworden. Und wenn ich mir so anschaue, was die einstigen mit uns gestarteten Bands, falls überhaupt noch aktiv, mittlerweile so machen, sind wir mit Grave Digger und Running Wild doch die glaubwürdigste und ihre Linie am beständigsten verfolgende nationale Bastion in diesem Genre.“

Bestimmt ist schon etwas hieb- und stichfest bezüglich einer in Kürze anstehenden Tour, die den Albumrelease flankieren und promoten soll. Na klar: „Wir werden schon bald nach Ostern, also unmittelbar nach der Veröffentlichung von `Welcome To The Other Side` zu einer Europa-Tour durchstarten und einen ganzen Monat am Stück unterwegs sein. Da nur wenige Off-Days vorgesehen sind, werden es viele Konzerte sein. Ich freue mich schon sehr darauf.“

Das letzte Wort gehört noch einmal Peavy: „Ich danke auf diesem Wege den vielen Rage-Fans, die uns seit vielen Jahren die Treue halten; ohne euch wären wir nichts! Hört euch unsere neue Scheibe an; ihr werdet die besten Songs seit langem darauf finden! Und besucht unsere Konzerte. Die Dates könnt ihr auf unserer Homepage einholen. Dort sind auch viele hörenswerte Soundfiles plaziert worden. See ya on Tour!“

© Markus Eck, 01.07.2001

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