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Interview: NERTHUS
Titel: Reise ohne Wiederkehr in die Dunkelheit

Die mystischen Black Metal-Hexer Nerthus haben als Newcomer der schwarzen Zunft mit „Escape From Suction“ ein wirklich beachtliches Debütalbum eingezimmert.

Das österreichische Trio, das im idyllischen Vorarlberg der Zivilisation zu entfliehen scheint, kann mit dem Album einen berauschenden Reigen an wundervollen Melodien und hochklassiger, ästhetischer Dunkelkunst bieten. Ihre mitreißenden Kompositionen zeugen von großer Leidenschaft, sind allesamt von geradezu sensationeller Eingängigkeit und doch kein bißchen kommerziell orientiert. Was für eine Seltenheit in dieser Brache!

Nerthus´ epische und sehnsuchtsvolle Hymnen an das sagenumwobene und reizvolle Altertum können exakt die Stimmung vermitteln, in welche man sich doch so gerne vor dem mitunter profanen Alltag flüchtet. Vor dem geistigen Auge tut sich während des Hörens der stark mittelalterlich ausgerichteten pechschwarzen Weisen ein atemberaubend schöner Bilderbogen an prächtigen und grandiosen Bildern aus der dunklen Epoche Europas auf.

Eine imaginäre Reise ohne scheinbare Wiederkehr. Schlachten wurden grausam geschlagen, Burgen unerbittlich belagert, Hexen im Zeichen der heiligen Inquisition den hungrigen, alles verschlingenden Flammen der lodernden Scheiterhaufen überlassen; die Pest, der schwarze Tod, brachte unsagbares Leid über die Menschen und doch blühte die sanfte Romantik allen widrigen Umständen zum Trotz in den Herzen der Verliebten in voller Pracht.

Nun, derlei gedankliche Erwägungen charakterisieren den Stil der Vorarlberger doch sehr passend. Ihre Musik ist erfüllt von grausamer Lust an Schwerterklirren und Kampfgetümmel und doch bricht sich die zerbrechliche Wehmut der Gefühle immer wieder eindringlich Bahn und kann einen knisternden Kontrast schaffen. Keyboarder Clemens J. H. ließ sich von mir in die dunklen Karten schauen.

Da ich bisher von der Band nichts gehört hatte, stellt sich die Frage nach der Herkunft der beteiligten Akteure.

„Nerthus entstand aus einem von mir und Alexander K. H. (git.) ins Leben gerufenen Projektes, dessen erste Songs in ihrer Rohform bereits 1996 entstanden. Als wir dann 1998 unser Demo `Inhale The Seclusion` aufnahmen, kam noch Daniel (vox) hinzu und steuerte seinen Gesang bei. Alex war zuvor in einigen Death- und Black Metal-Bands und Projekten involviert wie beispielsweise Feverish Dreams und Luna In Aries, Daniel ebenfalls bei dem Projekt Luna In Aries.“

Das Material auf „Escape From Suction“ ist von überragender Klasse. Wie ein guter Wein brauchten wohl auch die makellosen Songs von Nerthus einige Reifezeit, bis sie in der letztendlichen Form standen?

„Ja, wir haben nach dem Demo die Songs noch um einiges abwechslungsreicher gestaltet; vor allem für die durchgehend mehrstimmigen Gitarrenparts investierte Alex sehr viel Zeit und Mühe.“

Das kann man erfreut bestätigen. Nerthus spielen ihre Musik hörbar mit großer Inbrunst. Da stellt sich unweigerlich die Frage nach dem musikalischen Werdegang der drei Österreicher. Wie kommt man denn dazu, solche eigentlich recht bizarren Klangteppiche zu knüpfen? Black Metal spielen eigentlich überwiegend von der Gesellschaft angewiderte Individuen, die aufgrund ihrer eigenen mentalen Stärke nichts mit den ehrlosen Werten und Idealen der Allgemeinheit gemeinsam haben wollen. Clemens erläutert:

„Indem wir anderen Musikrichtungen sehr aufgeschlossen sind. Das überträgt sich natürlich auch auf unsere Kompositionen. Man muß schon ein gewisses Feingefühl besitzen, um solche Musik zu verstehen und umsetzen zu können. Unsere Vorlieben im privaten Musikgenuß sind sich alle recht ähnlich; wir lieben Black-, Death-, Thrash- und Heavy Metal gleichermaßen. Ebenso Klassik und alte Musik. Du hast recht, ich lehne die Modernisierung der momentanen Welt ab, weil sie sich gegen die Gesetze der Natur richtet.“

Eine gerade in diesem Genre weitverbreitete Gesinnung, die ich übrigens vollauf teile. Wenn man die Stücke des aktuellen Erstwerkes der drei Musikanten so hört, fragt man sich, ob eventuell ein tieferer spiritueller Hintergrund hinter dem Schaffen von Nerthus steht. Kann Clemens Klarheit schaffen? „Für uns ist es einfach ein sehr guter Weg, unsere Gefühle auszudrücken und unsere Seelenzustände in kreative Bahnen zu lenken. Und es ist natürlich auch immer ein tolles und erhabenes Feeling, unsere eigenen Songs aus den Speakern donnern zu hören.“

Das Mittelalter beziehungsweise die damals gespielte typische Musik stellt einen der prägnanten Stützpfeiler im Soundgerüst des Trios dar. Fühlen sich Nerthus so dort hingezogen, wie ihre Musik den Anschein erweckt? Clemens: „Ja, wir lieben die geheimnisvolle Atmosphäre dieser Epoche; vor allem hören wir gerne Musik aus dieser Zeit. Auch besuchen wir immer wieder sehr gerne die wunderschönen Burgruinen und Schlösser, die es in Vorarlberg gibt, was uns dann auch immer sehr zu neuen Taten inspiriert.“

Im Booklet der CD sind die drei Protagonisten in ihrer alltäglichen Kleidung zu sehen. Steht man nicht auf etwas zweckdienliches und sinnvoll ergänzendes Beiwerk wie Spikes, Leather und Corpsepaint, welches die Wirkung der Songs noch forcieren würde? „Da wir sonst auch nicht so herumlaufen, haben wir uns entschieden, uns so zu präsentieren, wie man uns auch auf der Straße antreffen kann“ , gibt mir der scheinbar sehr natürliche Keyboarder zu verstehen.

Zum Schluß möchte ich noch etwas über die Verwendung des Drum-Computers in Erfahrung bringen, der auf „Escape From Suction“ verwendet wurde. Er schmälert den Genuß des Werkes meiner Meinung nach in keinster Weise. Warum kein menschlicher Kesselwart?

„Es ist hierzulande gar nicht so einfach, einen fähigen Drummer zu finden, der unsere Songs nach unserem Geschmack rüber bringt. Außerdem waren wir uns schon von Anfang an darüber im Klaren, daß wir einen Drum-Computer verwenden werden, da wir mit verschiedensten Percussion-Sounds arbeiten.“

© Markus Eck, 03.04.2000

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