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Interview: MYRKUR
Titel: Würdigung des Ursprünglichen

„Mutter zu werden, hat nicht nur mich und meine Sicht auf die essentiellen Dinge, sondern geradezu mein ganzes Leben grundlegend verändert“, bekennt Amalie Bruun, die im letzten Jahr ihren Sohn Otto gebar.

Man hört der Dänin deutlich an, dass sie es nun viel leichter nimmt. Gut so, denn seitdem sie seit 2014 unter dem Namen Myrkur ihre eigenwilligen Lieder an die Öffentlichkeit bringt, spalten diese weite Teile der Black Metal-Szene ganz massiv - was sich von allerlei Diffamierungen gar bis hin zu Morddrohungen zuspitzte.

Mit dem dritten Album „Folkesange“ kultiviert die vielseitige Songwriterin, Sängerin und Multiinstrumentalistin nun auf ganzer Länge alttraditionelle nordische Folk-Musik, nachdem auf den vorherigen Werken „M“ und „Mareridt“ eine Art eklektisch-atmosphärische Blackgaze-Mischung mit stimmungsvollen Folk-Anleihen zelebriert wurde.

„Den Folkloreliedern und skandinavischen Überlieferungen und Erzählungen fühle ich mich bereits seit meiner eigenen Kindheit sehr tief verbunden. Meine Großmutter hat mir immer viel darüber erzählt. Auch fing ich in jungen Jahren an, selbst diese Instrumente zu spielen und auf derlei Weise zu singen. Das neue Album ‚Folkesange‘ ist sozusagen das Ergebnis jahrelanger Studien dieses Brauchtums und seiner alten Klänge. Die kürzlich vorab veröffentlichte Single ‚Ella‘ ist meine ganz persönliche Version dieser Nordic Folk-Komposition. Ich vollzog dafür eine Transformation in die Gegenwart, und mit genau diesem geerdeten Feeling habe ich das auch eingesungen. Inhaltlich ist es meine individuelle Ode an die Menschheit und unserer engen Verbindung zur Natur - sozusagen die Begleitmusik für einen Übergangsritus als Frau und ein Wiedergeburtsritual im Meer.“

Als sich Myrkur vor drei Jahren dazu entschied, ein Video zu produzieren, in welchem sie einen alten skandinavischen Folk-Song auf der Nyckelharpa zum Besten gab, so spricht sie weiter, realisierte sie dabei eindeutig, dass ihr ein starkes Bedürfnis innewohnt, ein ganzes Album mit solchen Liedern machen zu wollen.

„Schnell wurde mir auch klar, dass auch viele andere Leute mich mit so etwas hören wollen - ich bekam viele positive Zuschriften, auch mit dem Wunsch nach mehr davon. Danach begann ich mit meinen Studien und im Zuge dessen entschied ich mich für erlesen ausgesuchte Stücke - wie eben ‚Ella‘ beispielsweise.“

Unsagbar froh ist Myrkur, nach dem ganzen, oftmals regelrecht irren Trubel um ihre Person, der vor allem nach dem 2017er Release von „Mareridt“ von vielen Seiten einherging, nun mit Mann und Söhnchen wieder in der Heimat in einem gemütlichen Häuschen leben zu können.

„Teils kam es mir vor, als ob kein Ende des Wahnsinns in Sicht sei. Umso wohler hat es mir getan, mich den überlieferten Inhalten und Liedern zu widmen. Es ist für mich mehr wie eine emotionale Heimstatt, ich sehe und spüre es wie eine Seelenreinigung. Das, was die Menschen hier schon seit Jahrhunderten bewegt und erfreut, tut einfach auch mir gut. Mich reizt neben der Musik an sich vor allem auch das Dauerhafte, das Naturverbundene darin. Und dieses ausgeprägt organische Bewusstsein hört man den regenerativen Songs auf ‚Folkesange‘ auch definitiv an.“

Sie sei seit ihren frühesten Tagen ergriffen gewesen, den Geschichten aus einer anderen Zeit zu lauschen, und dieses Gefühl hat sie aus der Kindheit ins Erwachsenendasein gerne mitgenommen, so lässt die multipel Fähige wissen.

„Im Kern geht es dabei fast immer um die Beschwörung einer Kontinuität, welche sowohl durch die Zeit an sich als auch durch die Generationen geht. Insbesondere besagte Übergangsriten tauchen immer wieder in der Volksmusik auf. Auf ‚Folkesange‘ gehe ich all diese bewegenden Strömungen in ihrer wesentlichsten Form an.“

Dabei möchte sie nicht nur stets so nahe, puristisch und letztlich authentisch wie möglich am Original bleiben, sondern auch eine eigene Note einbringen - ohne allerdings mit Überinterpretationen beziehungsweise allzu aufdringlicher Verschmelzung eine Stimmungsreduktion zu betreiben, so bekundet die einstige Balletttänzerin Myrkur mit herzlichem Stimmfall.

„Ich merke in und an mir gleichermaßen, dass ich immer wieder aufs Neue mental aufblühe, wenn ich meine Gesangslinien speziell phrasiere, beispielsweise mit dem Kulning, einem alten skandinavischen Hirtenruf. Dies zusammen mit herrlichen traditionellen Instrumenten wie Nyckelharpa, Lyra und Mandola vereint zu performen, erfüllt mich voll und ganz. Es mutet mir an wie eine auch haptisch einzigartig fühlbare Zeitreise in längst vergangene Tage. Dies hat meiner Auffassung nach etwas vom Ursprung und auch etwas von einer ungebrochenen Kommunikationslinie zurück in die Vergangenheit und ihre vielen Geheimnisse.“

© Markus Eck, 02.03.2020

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