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Interview: MORGART
Titel: Aufrecht stehend

Rasch entwickelte sich die ohnehin von Anfang an außergewöhnliche Musik dieser beiden mutigen Schweizer Avantgardisten zu einer durch und durch eigenständigen Sache.

Ihre Band Morgart ging aus der heutzutage mittlerweile relativ unbekannten Untergrundgruppe Forsth hervor, mit welcher Bassist Max sowie Gitarrist und Keyboarder Fabian Mitte der 90er Jahre zwei lupenreine Black Metal-Alben veröffentlicht hatten. Doch den beiden Visionären schwebte nachfolgend eine massiv bombastische und betont symphonisch-schöngeistige Variante ihrer beflissen gemachten Kunst vor.

Entweder spöttisch verlacht oder inniglich verehrt wurden sie nachfolgend, nicht zuletzt ob ihrer omnipräsenten Tastenuntermalungen in den anmutig epischen Schwarzmetall-Hymnen von Morgart.

Da bei mir in Sachen Morgart stets zweites der eindeutige Fall ist, und da mich auch der wieder verwendete Trommelcomputer in den Liedern auf dem neuen Album „Die Türme“ nicht groß stört, nehme ich Fabian nur zu gerne in die Interview-Pflicht.

Vom reinen Black Metal sind Morgart im aktuellen Falle wohl weiter weg als zwei Sonnensysteme voneinander entfernt sind.

Und was dogmatische Black Metal-Fanatiker letztlich darüber denken, juckt die zwei Schweizer nicht im Geringsten.

„Das interessiert uns wirklich nicht die Bohne! Die paar Frösche, welche uns nun verabscheuen, haben auch schon Spottgesänge über Forsth ausgespuckt. Die kann man an einer Hand abzählen. Im Gegenteil zu diesen Ultras gewannen wir viele neue Fans in der ganzen Welt dazu. Wir kriegen täglich Fanpost nach Hause oder per E-Mail aus der ganzen Welt, welche uns zur "Schlacht" und nun auch zu den "Türmen" beglückwünschen.“

Und all die Briefe kommen teilweise aus sehr exotischen Ländern wie Mauritius, Indien, Armenien usw.:

„Zudem sind wir seit Neuestem auch auf der Newcomerliste der Schweizer Hitparade. Das wird den Puristen nun gar nicht mehr gefallen aber wer hat das vor uns schon geschafft in der Schweiz?“ Eine berechtigte Gegenfrage.

Will Fabian erklären, wie er damals zum Metal an sich gekommen ist, muss er rund 17 Jahre zurückblättern. „Damals fuhr ich voll auf Venom's "In League With Satan" ab. Oder natürlich alle Sachen von Bathory und viele andere Bands aus dieser Zeit. Alles was irgendwie extrem war, begeisterte uns. Irgendwann dann, kaufte ich mir eine Bassgitarre und einen kleinen Verstärker. Mein Schulkollege eine Gitarre und wir fingen an zu jammen. Etwas später bezogen wir unseren ersten Proberaum. Ein Drummer und ein Sänger stießen dazu und wir übten wie besessen. Wiederum etwas später dann kamen die ersten Black Metal-Sachen auf den Markt. Die Vikernes-Euronymus-Story also usw. Ich war vom Black Metal begeistert. Da meine damaligen Bandkollegen aber lieber Death Metal spielen wollten und sich ständig berauschten, wurde mir das zu blöde. Ich lernte Max kennen und wir beschlossen, die Black Metal Formation Forsth zu gründen. Wir fanden einen neuen Drummer und einen Keyboarder und legten uns so richtig ins Zeug – bis im Jahr 1996 schließlich unser erstes Album "Winterfrost" auf den Markt kam.“

Nach zehn Jahren Black Metal mit Forsth wollten die beiden beständigen Musikanten laut Aussage von Fabian ihren Sound ein wenig verändern.

„Wir dachten einfach, dass es nun Zeit dazu ist und legten unserem Sound einen breiten Synthie-Teppich unter. Wir legten unser Hauptaugenmerk auf mehr Melodie und weniger Kreischgesang. Das klappte ganz gut und mit dem neuen Album "Die Türme" haben wir das auf jeden Fall erreicht. Zudem haben wir mit Eugen Müller einen ausgezeichneten Gastsänger gefunden. Natürlich schimpften uns die Puristen hier als Verräter usw. aber das geht uns eigentlich am Arsch vorbei. Vielen war der Melodic Black Metal auf der "Schlacht" zu melodiös. Andere wiederum fanden in unserem Sound genau das, was sie suchten. Summa summarum waren die Reaktionen meist positiv. Im Ausland sah man das vor allem anhand de Reviews welche bis auf ein paar wenige sehr positiv ausfielen. Zudem verkauften wir die Schlacht im Ausland in vierstelliger Höhe und es dauert immer noch an. Es zog sogar nochmals an, seit „Die Türme“ auf dem Markt ist. Da die Schweizer Szene eh nicht groß ist, legen wir unser Augenmerk auch sehr aufs Ausland. Und da sind wir bisher sehr gut gefahren. Wir prägen die Schweizer Szene ohnehin seit zwölf Jahren zusammen mit Bands wie Samael massiv und gewannen mit dem neuen Sound so manchen Fan dazu. In diesem Sinne sind wir ganz zufrieden und sehen unser Ziel als erreicht an.“

Wie Fabian nachfolgend berichtet, gibt es im Metal-Bereich, vor allem im Black Metal – obwohl sie ihren Sound sowieso nicht mehr so bezeichnen – wohl kaum ein Thema, über das noch nicht gesungen wurde.

„Dunkle Wälder, Schnee, Moore, Satan usw. Wir wollten mit unserem Klangbild den Hörern etwas von unserer Heimat wiedergeben, da doch die Schweiz für viele ausländische Hörer völlig unbekannt ist – außer Schokolade, Uhren, Heidi usw. So haben wir uns entschlossen Konzeptalben zu machen, welche die Geschichte wiedergeben, trotzdem aber meinem Lieblingsthema, dem Mittelalter, nahe stehen. Ich denke, mit unseren beiden Alben ist uns das bisher sehr gut gelungen.“

Es ist zwar im aktuellen Falle nicht viel Text vorhanden, dafür aber sind die Lyriken der neuen Lieder laut Fabian authentisch und spannend.

Viele weitere Details dazu findet man bei Interesse auf der Homepage der beiden Schweizer.

Der auf „Die Türme“ maßgeblich beteiligte tolle Gastsänger Eugen Müller leistet auf dem Album ganze Arbeit. Fabian erläutert:

„Das war ganz lustig. Wir schrieben in einer Schweizer Musiker-Internet-Plattform (Musikermarkt.ch) ein Inserat aus, indem wir einen Gastsänger zwecks CD-Aufnahmen suchen. Es meldeten sich viele Leute und Max und ich saßen viele Abende in unserem Studio, während draußen die Bewerber anstanden. Das ist kein Witz! Wir fühlten uns wie `Morgart sucht den Superstar`. Die meisten Sänger und Sängerinnen waren aber katastrophal. Zwei Wochen später meldete sich ein Eugen Müller bei uns und wir hatten bisher noch keinen Sänger engagiert obwohl wir mit Sevan Kirder von Eluveitie ganz fest liebäugelten. Als wir aber die Stimme von Eugen hörten, brachten wir den Kiefer nicht mehr zu. Er erklärte sich bereit, im Sinne eines Projektes, alles kostenlos einzuspielen. `Wach ich oder träum ich?`, dachte ich. Nun, wir waren begeistert und sind es heute noch. Mit Eugen Müller konnten wir einen absoluten Profi engagieren. Die Arbeit mit ihm machte viel Spaß!“

Ich frage anschließend ganz gezielt nach, wie das Duo seine Kompositionen schreibt, beziehungsweise ob die Lieder eher aus dem Bauch oder aus spezifischen Ideen heraus entstehen. Fabian hierzu:

„Mal das Eine, mal das Andere. Oft sitzen wir zusammen abends bei einem Bier oder Kaffee am Synthie und testen Sounds. Max spielt ein paar Töne und auf einmal kommt einem eine Idee. Ich drücke ein wenig dazwischen, beide geben noch ihren Senf dazu und schon haben wir wieder ein starkes Anfangsriff und bauen danach unsere Songs auf. Wir holen dann die Gitarre und den Bass, nehmen das Riff kurz auf den PC auf, drehen voll auf und spielen dazu. Wenn es bombastisch klingt, nehmen wir es – wenn nicht: Papierkorb.“

Für Fabian muss ein Morgart-Lied einfach immer einen Hauch von Mittelalter drin haben.

„Ich lese fast ausschließlich nur historische Romane und befasse mich mit oft mit Geschichte. Dies inspiriert mich schon sehr. Daneben bin ich ein absoluter Naturfan. Von Sommer bis Herbst stehe ich regelmäßig an Wochenenden um 06:00 Uhr auf und fahre in ein einsames Wandergebiet, wo es viele Wälder gibt, laufe bis auf 2.000 Meter hinauf und genieße die Landschaft. Da geht einem doch Vieles durch den Kopf und man kann ein wenig durchlüften.“

Schade nur, dass Morgart noch immer keinen Trommler gefunden haben, der ihre Lieder mit rhythmischem Leben zu erfüllen imstande ist. Hätte das Duo da nicht auch auf einen Gast-Schlagzeuger zurückgreifen sollen?

„Nach der Trennung bei Forsth, respektive der Gründung von Morgart haben wir auch einen Schlagzeuger ausgeschrieben. Es reisten sogar Drummer von Süddeutschland an, aber es gab niemanden, der auch nur annähernd im Stand gewesen wäre, ein paar einfache Takte zu spielen. Tragisch. Das ging über ein Jahr so, bis wir auf den Drum-Computer zurückgreifen mussten. Es gibt in der Schweiz einfach nur eine Hand voll Schlagzeuger, welche wirklich sehr gut sind und die sind meist schon so ausgebucht, dass sie gar keine Zeit mehr dazu haben. Wir hätten einen Studiomusiker engagieren müssen und mit ihm die Songs einproben müssen. Aber das ist hier einfach nicht zu bezahlen. Zumal uns unsere Plattenfirma finanziell überhaupt nichts bot, hätten wir uns in enorme Unkosten gestürzt. Gemäß unseren Hochrechnungen für einen Studiomusiker hätten wir weit über 10.000 Euro hingeblättert. Die Aufnahmen waren auch so schon teuer genug, sodass das einfach nicht mehr drin liegt. Dazu kommt, dass wir ja auch sehr viel proben, da wir ja ganz selten auch live spielen. Das ginge ja ohne Drumcomputer eh nicht. Daher schlagen wir somit zwei Fliegen mit einer Klappe. Die heuten Drumcomputer sind so gut, dass das menschliche Ohr als Laie es gar nicht mehr wahrnimmt, ob da nun eine Maschine oder ein Mensch sitzt.“ Dem möchte ich widersprechen, ich habe dies nämlich bislang stets aus so einigen Platten heraus gehört.

Bei Morgart kommt in erster Linie die Musik, dann die Texte, so Fabian. „Wir spielten lange mit den Gedanken, zwei CDs aufzunehmen und ein Doppelalbum herauszubringen, bei welcher die zweite CD fast nur musikalischen Sound bietet mit noch weniger Gesängen, teilweise dafür aber mit Kreischgesang. Zwei Wochen nach den Aufnahmen taten dies aber genau Nightwish. Daher brachten wir das Album so nicht raus. Trotzdem haben wir noch die Master-CD mit der zweiten Version auf Lager, welche bisher aber gut verschlossen ist. Eventuell kommt die dann später mal in einer limitierten Edition auf den Markt.“

Woher das Interesse an den lyrischen Themen der Morgart-Lieder kommt, interessiert mich und wie tiefgehend sich die zwei Kreativen damit beschäftigen.

„Nun, es muss schon stimmen. Wenn wir das Gefühl haben, irgendwas stimmt nicht zusammen, obwohl der Sound noch so gut sein kann, nehmen wir es nicht. Wir probieren viel aus und sind uns nicht zu schade, auch mal ein qualitativ gutes Stück weg zu schmeißen, wenn uns daran irgendetwas nicht passt. Lyrik, Texte, Atmosphäre, das Bombastische. Das muss einfach alles zusammenpassen. Ansonsten werfen wir es weg.“

Wenn man seine eigene CD in den Händen hält, ist das schon etwas Herrliches, so Fabian:

„Zumal wir ein eigenes Studio aufgebaut haben und die komplette CD bis auf das Mastern beziehungsweise Mixen selber aufnehmen und produzieren. Das heißt schon was. Wir fahren nicht mal kurz eine Woche in ein auswärtiges Studio, spielen alles ein und bekommen eine CD nach Hause. Da steckt enorm viel Arbeit drin. Pro CD rund ein bis eineinhalb Jahre. Booklet, Design und Layout, im Parnterstudio mixen beziehungsweise mastern (an sieben Wochenenden) usw. usw. Viele wissen gar nicht, wie viel Arbeit darin steckt und wie viel technisches Fachwissen zum Aufnehmen im eigenen Studio dazugehört. Daher ist es schon einzigartig, wenn man die selber produzierte CD in den Händen halten kann und die Hörer sagen: Das ist toller Sound!“

Zu den Live-Aktivitäten von Morgart offenbart der Gitarrist und Keyboarder: „Es ist ein großer Aufwand, zu zweit live zu spielen. Wir müssen vorher das ganze Zeug komplett anders aufnehmen. Das heißt, Gitarre, Bass, Gesang alles herausschneiden, auf ein digitales Wiedergabegerät kopieren und das im Konzertraum alles installieren. Zumal ist die Bühnenpräsenz bei großen Bühnen zu zweit schon eher spärlich. Aufgrund des Aufwands spielen wir nur rund ein-zwei Mal im Jahr. Und wenn, dann meistens in Deutschland, da wir nach Deutschland die meisten Kontakte unterhalten. Am liebsten spielen wir übrigens in Berlin. Dort haben wir viele Bekannte und erlebten die besten Partys.“

Wie steht mein Gesprächspartner überhaupt zur Black- und Epik Metal-Szene beziehungsweise welche Bands daraus hört er privat gerne? Er gibt diesbezüglich preis:

„Da gibt es viele. Ich höre eigentlich querbeet alles. Menhir gefallen mit zum Beispiel sehr gut. Aber auch Finntroll find ich Spitze. Die beiden ersten Empyrium-Alben sind einfach nur toll. Ich bin zum Beispiel auch begeisterter Anhänger der beiden Otyg-Alben. Jedoch höre ich aber auch gerne Sachen von Schandmaul und vielen anderen Mittelalter Bands. Was Black Metal anbelangt, so bin ich mit meinen stolzen 31 Jahren wie erwähnt schon ein Black Metaller der allerersten Stunde. Ich durfte von den Anfängen bis heute alles miterleben und stehe noch voll auf die alten Sachen. Beispielsweise die erste Ancient-Scheibe oder Dimmu Borgir's „For All Tid“. Oder die erste Bal Sagoth-Platte oder all die alten Sachen von Satyricon, Isengard, Storm, Behemoth, Immortal und auch Cradle Of Filth. Viele so genannte Puristen können das von sich nicht behaupten. Doch spielen sie sich auf, als ob sie mit Varg Vikernes schon persönlich die Nächte durchgezecht haben.“

Zukunftspläne – Fabian, gibt es vielleicht schon bald wieder ein neues Morgart-Album? „Nun schauen wir mal, wie das neue Album „Die Türme“ Anklang findet. Da wir mit der Firma Twilight in Deutschland einen ausgezeichneten Vertrieb gefunden haben, können wir uns schon vorstellen ein weiteres Album herauszubringen. Dies wird aber sicher zwei Jahre dauern. Auch ein Forsth-Doppelalbum, respektive eine Neuauflage der beiden Alben in einem Doppel-Digipak, neu abgemischt, wäre was. Aber das werden wir noch sehen. Kommt Zeit, kommt Rat. Auf jeden Fall – Besten Dank, Markus, für das Interview! Wir danken dir auch für deine Reviews und die Unterstützung, welche wir von Dir erfahren durften. Natürlich danken wir an dieser Stelle aber auch allen unseren Fans und Hörern aus Deutschland und hoffen, dass sie Morgart auch weiterhin die Fahne halten.“ Nun, diesem Wunsch schließe ich mich doch gerne an.

© Markus Eck, 10.03.2008

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