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Interview: MAYHEM
Titel: Unstillbare Besessenheit

Nach schier endloser Wartezeit auf den jetzt endlich erscheinenden Release des schon seit ewigen Zeiten angekündigten Albums „Grand Declaration Of War“ machen Mayhem nun endlich ernst.

Und so kredenzen die Majestäten und Originatoren des Black Metal in Reinkultur ein neues Denkmal ihrer unangefochtenen Dominanz in dieser Branche.

Die Zeit der Geduld und der Hoffnung hat sich aber ohne jeden Zweifel wirklich gelohnt, kann doch auch das aktuelle Werk ein weiteres Mal neue Akzente und auch Maßstäbe in diesem innovationsarmen Metier setzen. Die kampfstarke und in ihrer Rohheit unaufhaltsame Band, die schon seit 1984 existiert, ist nicht zuletzt durch die in der einschlägigen Presse mit geradezu sensationslüsterner Gier breitgetretenen Schicksalsschläge, die sich wie ein roter Faden durch Mayhems Historie zogen, zur Legende zu Lebzeiten geworden.

Der tragische Suizid von Sänger Dead im Jahre 1991 als auch der Mord an Black Metal Ikone Euronymous im August 1993, einem der Gründer der entfesselten Truppe, verhalfen den Norwegern zu einem unantastbaren und geradezu glorifizierten Namen in der Welt des schwärzesten Metals.

Konnte man bisher durch das berühmte Studio-Album namens „De Mysteriis Dom Sathanas“ aus dem Jahre 1994 und einer Mini-LP mit dem Titel „Wolf´s Lair Abyss“, die erst 1997 erschien, durchzogen von unzähligen Live-Scheiben, welche nicht immer legal veröffentlicht wurden, eher schleppend so richtig von sich reden machen, so kann das neue Eisen im Feuer jetzt alle Verleumder und Neider Lügen strafen und durch eine ihm eigene Einmaligkeit in seinen Bann ziehen.

Die schier unstillbare Besessenheit, die in den wütenden Werken der stolzen Nonkonformisten von jeher zu vernehmen war, ist ein signifikantes Trademark geworden.

Dazu trägt mit Sicherheit Ausnahme-Drummer und Perfektionist Hellhammer bei, der die Sticks wie kein anderer seiner Zunft auf den Fellen rotieren läßt.

Ein interessanter, harmonischer und gleichermaßen informativer Dialog mit ihm bringt überraschend rationale Denkweisen der norwegischen Kult-Institution näher.

„Wir sind immens stolz auf das neue Album; es ist unser bisheriges Meisterstück in wirklich jeder Hinsicht geworden. Es ist enorm abwechslungsreich und es wird neue Standards setzen“, beginnt der Elite-Schlagzeuger die Konversation.

Die Band, die sich in den Anfängen aufgrund zahlreicher Namens-Imitatoren den Zusatz „The True“ in ihr bizarr-schönes Logo setzte, hat mit dem Trommler einen äußerst talentierten und verbissen an sich arbeitenden Schlagwerker in ihrer Mitte.

Mithin einer, der seinem Pseudonym alle Ehre macht und wahrlich mit der Wucht eines Höllenhammers um sich schlägt. Gerade mit dem Drummer steht und fällt eine dieser Stilistik zuzurechnende Kapelle.

„Ja, ich bin wirklich ein leidenschaftlicher Trommler. Gerade habe ich meinen Job bei einer Sicherheitsagentur gekündigt, um mich so nun vollauf meiner Passion widmen zu können. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und spiele seit mittlerweile 17 Jahren. Seit ich denken kann, war ich von Trommeln besessen. Mein Traum ist jetzt war geworden und ich kann meine ganze Energie auf meine Lieblingsbeschäftigung konzentrieren. Und meine Technik wird immer noch besser und filigraner! So halte ich mich selbst beim Alkohol manchmal sehr zurück, um fit für mein Training zu sein. Viele Bands, die dieser Tage ihre Platten veröffentlichen, können einfach keinen begabten Drummer finden und arbeiten mit diesen sterilen Drumcomputern. Die Resultate sind oftmals keiner Erwähnung wert.“ So spricht ein Mensch, der seine Bestimmung gefunden hat.

Wie kam er eigentlich dazu, furiosen Black Metal zu spielen?

„Ich startete als Stockschwinger in mehreren normalen Hard Rock-Bands, in denen wir die damals üblichen Cover-Versionen der alten Heroen wie beispielsweise Judas Priest, Saxon und Iron Maiden nachspielten, welche ich auch heute noch sehr verehre; ganz speziell Iron Maiden, von denen ich wirklich alles sammle. Schon schnell merkte ich, das mein Spiel den anderen immer wieder weiter voraus enteilte und suchte nach einer Möglichkeit, meiner Lust auf schnelles und wildes Getrommel Befriedigung zu verschaffen. So landete ich schließlich beim Black Metal. Das kam mir zudem recht gelegen, weil die dort gepriesenen Werte auch den meinen entsprechen. Ich stieß im März 1988 zu Mayhem und die Band stellt meinen absoluten Lebensinhalt und meine Erfüllung dar. Die schrecklichen Erlebnisse in unseren harten Jahren haben uns zu einer festen Einheit verschweißt. Und falls du mich jetzt nach dem Geld fragst, welches ich durch die Kündigung entbehren muß, so kann ich sagen, daß ich lieber mit weniger Mammon und mehr Lebensfreude durchs Dasein gehe.“

Ein weiteres Mal kann der bereits gewonnene Eindruck von Mayhems Aufrichtigkeit und ehrlichem Tun mit diesem Bekenntnis gefestigt werden.

Wo Geld und Erfolgshunger die eher untergeordnete Rolle spielen, entstehen sowieso die überzeugendsten und auch die fanatischsten Werke dieser Musikrichtung.

So beantwortet sich die Frage nach der Wahl des Labels wohl auch schon fast von selbst:

„Wir haben aufgrund unseres Bekanntheitsgrades und der Größe unseres Namens unzählige Offerten von fast allen namhaften Plattenfirmen erhalten; darunter Größen wie Nuclear Blast, Century Media und auch Music For Nations, um nur ein paar der an uns stark Interessierten zu nennen. Aber die Gefahr, aufgrund vertraglicher Verpflichtungen und der Riesensummen, um die es dort gegangen wäre, unsere künstlerische Freiheit in unerträglichem Maße einzubüßen, hat uns dazu veranlaßt, bei Season Of Mist anzuheuern. Sie sind ein eher kleines Label, das jedoch voll hinter uns steht und sich voll auf uns konzentriert. Wir wollten niemals das große Geld mit unserer Musik einfahren und so wird es auch bleiben. Als wir begannen, war diese Mucke kein Trend wie heute und wir waren wenige, die solch´ bizarren und unorthodoxen Sound kreierten. Auch waren wir - neben Immortal - eine der ersten Bands, die mit dem damals schockenden Corpse-paint auftraten ... Mayhem stehen für Überzeugung und das Festhalten an anfänglichen und ausschlaggebenden Tugenden!“

Und wieder punktet die unbeirrbare Ausnahmeerscheinung mit dieser abartig sympathischen und auch vorbildlichen Einstellung zum Business.

Und dies in einem knallharten Geschäft, in dem schon zu viele einst verheißungsvoll gestarteten Acts nicht bestehen konnten, weil Naivität und Gutgläubigkeit in den Gemütern der Musikanten vorherrschten.

Letztere sind aber eben keine einer Black Metal-Band würdigen Attribute.

Diese Musik steht für Stärke und Freiheit des Geistes und absoluter Unbeugsamkeit. Vor nichts und niemandem. So wie bei Mayhem:

„Black Metal zu spielen bedeutet für uns nach wie vor, die von dir angesprochene grenzenlose Freiheit unseres Geistes und unserer Gedanken in Musik zu verpacken, die unseren Denkweisen und Anschauungen entspricht. Schau´ dich um; die Welt ist krank und verfault vor sich hin. Die Menschen besitzen keinen eigenen Willen mehr. Sie sind wie Marionetten und zappeln an den dünnen, unsichtbaren Fäden der Machthaber unseres Planeten.“ Wahre Worte. Gelassen ausgesprochen.

Das ruft eine Erklärung Hellhammers hinsichtlich des Albumtitels auf den Plan.

„`Grand Declaration Of War` bedeutet ganz einfach unsere totale Kriegserklärung an das von uns verhaßte Christentum und die Kirche. Sie ist zu einer politischen Weltmacht mit überwiegend wirtschaftlich orientierten Interessen verkommen.“

Leider habe ich im Moment noch keinerlei Lyrics vorliegen.

„Es ist ein Konzeptalbum geworden, dessen zentrales Thema der Krieg ist. Die Quintessenz der Scheibe ist die Erkenntnis, daß nach einem auf `Grand Declaration Of War` geschilderten Krieg in der von uns beschriebenen Form nichts mehr übrigbleibt, was vorher heilig war. So wie unsere anderen Veröffentlichungen ist auch diese wie erwähnt etwas ganz besonderes geworden, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.“ Das kann ich mir lebhaft vorstellen; die akustische Darbietung kann das sehr bildhaft veranschaulichen. „Ich vergleiche unser Album ganz gerne mit einem guten Buch, welches nicht einfach so zwischen Tür und Angel gelesen werden kann; daß man in aller Ruhe entdecken muß, um ihm auf die Spur zu kommen. Nimmt man sich aber die Zeit, es mit Muse zu lesen, erhält man eine wunderbare und in Erinnerung bleibende Belohnung für seine Mühe.“

Auf der neuen Scheibe wurden mannigfaltige Einflüsse verarbeitet.

So bekommt man in den Stücken integrierte harsch gesprochene Passagen, die wie Befehle klingen, ebenso zu hören wie immer wieder auflockernde Breaks in unheimlicher Anhäufung, welche die mit der unmenschlichen Leistung Hellhammers versehenen Songs immer wieder regelrecht zu mystifizieren verstehen.

Mayhem haben sich schon ein wenig von ihrer einstigen Form verabschiedet, klingen differenzierter und vollbringen aber gleichzeitig das Kunststück, doch mehr nach Mayhem zu klingen als jemals zuvor in der Geschichte der Band.

Hellhammer legt hierzu im Folgenden dar:

„Wir haben lange an den Songs geackert. Sehr lange sogar. Aber so haben wir unser vor dem Beginn des Songwritings gesetztes Ziel ohne Kompromisse erreicht. Der sonore Gleichklang der in dieser Zeit massenweise veröffentlichten Produkte ist uns allen schon länger ein Dorn im Auge gewesen. Wir lieben unsere Musik und wollten ihr mit einem ungewöhnlichen und neuartigen Album eine Injektion an Frischzellen verpassen. Das war die ausschlaggebende Ursache für den leichten Stilwechsel.“

Bravo, kann ich da nur sagen! Wo andere auf Nummer sicher gehen, rennen Mayhem mit dem Kopf durch die Wand. Die unzähligen Live-Bootlegs zeugen nach wie vor an dem bestehenden Interesse an der unverfälschten Wildheit der Norweger Urgesteine auf den Brettern, die die Welt bedeuten. „Wir entwickeln unsere Höchstform nur auf der Bühne“, beteuert er.

Um die Leidenschaft für Konzerte vor tosender Meute zu veranschaulichen, kann Hellhammer abschließend noch folgendes Erlebnis berichten:

„Wir spielten einen unserer wildesten Gigs im Dezember 1998 in Mexico-City. Die Menge der angereisten Fanatiker war unglaublich. Nach einer Weile schien die Halle zu bersten. Unsere Bühne war ca. drei Meter hoch; darauf war am hinteren, mittleren Ende ein nochmal 4 Meter hohes Stahlgerüst aufgebaut, auf dem mein Drumkit montiert war. Ich trommelte also in sieben Metern Höhe. Auf dem Höhepunkt des Sets versuchten einige Freaks meinen Turm zu erklimmen, wurden jedoch von der Security viel zu spät aufgrund der herrschenden Zustände bemerkt, und der Drum Tower schwankte hin und her wie ein Kuhschwanz. Als ich das bemerkte, geriet ich ein wenig aus der Fassung. Doch recht schnell stellte sich meine Selbstsicherheit wieder ein und ich drosch unverdrossen weiter auf meine Becken ein. Wenn ich spiele, bringt mich aufgrund der sich in mir aufbauenden Rage so schnell nichts aus der Fassung.“

Ein Respekt und Bewunderung abringendes Schlußwort, das sich mit dem gesamten, von der beständigen Horde an Idealisten ausgehenden Charisma reibungslos deckt. Und welches erneut bestätigt wird, als ich Hellhammer kurze Zeit später im ostdeutschen Bischofswerda vor einem bevorstehenden Mayhem-Gig backstage treffe und mich in einem ausführlichen Gespräch unter vier Augen lange mit ihm unterhalte.

© Markus Eck, 14.05.2000

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