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Interview: MANTAR
Titel: Groovend in der Apokalypse

Das Nervenmassaker nach Noten, das diese beiden Querschädel auf ihrem Debütalbum „Death By Burning“ veranstalten, lässt einem doch glatt die Gehörgänge wegfaulen!

Denn Mantar, das zweiköpfige Hamburger Krachmonster, spuckt verheerend giftige Songs aus dem kreativ weit aufgerissenen Maul aus.

Im unheilvoll brodelnden Stilbereich des unerhört effizienten, norddeutschen Doppels toben sich eine ganze Menge an Einflüssen aus.

Verstörend diffus wabernde Anklänge an Acts wie Melvins, Motörhead, Darkthrone und auch Asphyx sorgen jedenfalls für schonungslos ausufernden Schmerzwahnsinn.

Eigenwilligkeit als Maxime
Man soll den abgründig-räudigen Untergangs-Sound der beiden ausgesprochenen Idealisten nicht „Sludge“ nennen. Der hanseatische Zerbeißer-Zweier hat wohl was gegen eindimensionales Schubladendenken?

Stimmbandquäler und Gitarrenschleifer Hanno lässt die Antwort rüberwachsen:

„Da hast du ja selber schon eine viel bessere Umschreibung gefunden. Danke. ,Sludge‘ ist 2013 ein sehr abstrakter Begriff geworden, unter dem ich mir zwar was vorstellen kann, aber welcher für mich kein zwangsläufiges Qualitätsmerkmal mehr ist. Vor einigen Jahren war das vielleicht noch anders. Eher scheint es so wie ein ,Label‘ geworden zu sein, welches sich Bands aufdrücken, die eigentlich wenig eigene Soundvorstellungen haben oder nicht um ihre Wurzeln wissen. Vielleicht auch einfach weil sie keine haben. Man hätte bei Bandgründung einiger Sludge-Szenegrößen mal fragen sollen, ob sie ,Sludge‘ machen. Sie hätten einem sicher eher ihre Wurzeln benannt, als sich hinter einem Oberbegriff zu verstecken. Versteh‘ mich nicht falsch: Vieles was gemeinhin als ,Sludge‘ gilt, finde ich toll, hat aber nur bedingt was mit Mantar zu tun. Weder Drummer und Co-Sänger Erinç noch ich haben je bewusst diesem Genre beigewohnt. Unsere harten Einflüsse kommen aus anderen Ecken. Und ehrlich gesagt kennen wir uns diesbezüglich auch sowieso nicht sonderlich gut aus.“

Der beschwerenden Düsternis verfallen
Mantar hat einen klaren Punk-Background, wie der Frontmann nachfolgend durchblicken lässt.

„100 % DIY! Dazu kommt jedoch die Schwere, das Düstere, dass wir für die Musik brauchen und mögen. Viele schwarzmetallische Elemente durchziehen das Songwritig, dazu kommt die Schwere vom Doom. Manchmal spielen wir schneller, mal langsamer. Es ist eben immer nur: Sehr dunkel. Ein apokalyptischer Sound, wenn es gut läuft. Ich glaube wir sind einfach ziemlich heavy. Das ist alles was zählt. Allerdings bewegt sich die Band jenseits jeglicher Szene. Selbiges war und wird nie interessant für uns sein. Groove ist wichtig. Wir mögen die Apokalypse, aber ohne Groove ist es nicht interessant für uns. Egal ob schnell oder langsam.“ So sind die beiden Typen laut Hanno am glücklichsten, wenn sie zu zweit allein sind. „Im kreativen Prozess. Wenn wir beim Spielen dasselbe denken ohne sprechen zu müssen. So etwas ist bei Bands sehr selten. Aber bei uns ist es der Motor von Mantar. Fehlende Authentizität und Hingabe sind Probleme anderer Bands. Nicht unsere.“

Zweifellos
Kennen tun sich die beiden bereits seit ganzen 16 Jahren.

Allerdings haben es Nordlicht Hanno und der türkischstämmige Kesselwart Erinç erst jetzt geschafft zusammen Musik zu machen. Wir erfahren:

„Irgendwann bot es sich an und dann war es beiden sehr schnell klar, dass es mit das Beste ist, was wir je gemacht hatten. Irgendetwas in uns hat wohl genau darauf gewartet. Wir haben immer mal wieder gejammt, aber es wie gesagt erst jetzt geschafft, wirklich was auf die Beine zu stellen. Keiner von uns hatte Zweifel daran, dass es gut werden würde. Dafür kennen wir uns als Musiker einfach schon zu lang und zu gut. Erinç, der Trommler, ist ein paar Jahre älter als ich und war schon Anfang 20, als ich mit 15 anfing mit ihm rumzuhängen. Er war großer Teil meiner musikalischen Sozialisation und hat mich gleich an viel gute Musik herangeführt, wo andere Teenager sich noch mit totaler Scheiße abgegeben haben.“

Magische Momente
Und wieso Mantar nun genau das spielen was sie spielen, das ist für den Kerl schwer zu sagen, wie er bekennt.

„Grundsätzlich ist es wohl exakt das, was dabei heraus kommt, wenn zwei bestimmte Menschen sich zusammentun um Musik zu machen. Ein Ergebnis eines besonderen Moments. Ich glaube, bei Mantar geht es wenig um musikalische Vorlieben und Vorhaben. Wenn wir zusammen im Proberaum sind, dann entwickelt sich der Sound ohne Worte. Es ist alles ausnahmslos aus dem Moment entstehend. Natürlich liegt unser Sound sicherlich in unserem musikalischem Background verwurzelt. Aber der spezielle Sound, den man auf ,Death By Burning‘ findet, entwickelte sich von allein, ohne etwas zu forcieren. Wir haben noch nie darüber gesprochen, was wir für Musik machen wollen. Das würde den magischen Schaffensmoment verwässern. Wir finden zusammen und lassen es geschehen. Oft denken wir dasselbe und so manifestieren sich gute Ideen und weniger gute etablieren sich eben nicht. Oft spielen wir gewisse Parts stundenlang weil sie uns so mitnehmen. Dann wissen wir das es gut ist.“

Viele werden sich fragen, was denn der Bandname Mantar überhaupt bedeutet? Liest sich okkult… Hanno klärt auf:

„50 % der Band sind türkischer Herkunft. Es ist ein türkisches Wort. Das ist alles was ich wissen muss. Ich glaube aber es beschreibt eine Art Pilz.“

Auf Schwere fixiert
Die VÖ-Info nennt in Sachen Sound-Querverweise Melvins, Motörhead und Darkthrone, was das Ganze auch ganz gut trifft. Wollen Mantar da noch was hinzufügen? „Die Liste der Bands, die wir mögen, würde endlos werden. Aber das bringt keinem was. Bandvergleiche sind eh immer schwer. Menschen scheinen sie zu brauchen, um für sich selbst die Liebe zu einer neuen Band verantworten beziehungsweise legitimieren zu können. Manchmal ist es ja auch hilfreich. Oft nageln einen die Leute aber auch darauf fest. Deshalb verzichten wir so oft wir können darauf. So auch jetzt. Aber alle drei oben genannten Bands vereinen Elemente die wir sehr schätzen, jedoch nicht kopieren, sondern lediglich bei uns selber wiederfinden. Schwere, Raserei und Wahnsinn. Und grundsätzlich heavy as fuck. Alles andere ist uns egal.“

Und was genau erwartet die geneigten beziehungsweise mutigen Hörer seiner eigenen Einschätzung nach auf musikalischer Ebene auf dem neuen Werk „Death By Burning“?

„Ich glaube dass die Platte viele Hörer verschiedener harter Genres vereinen könnte. Sie ist einfach so herrlich ,basic‘, kein Netz, kein doppelter Boden. Erkennbare Songstrukturen, jedoch stets so dunkel und hart wie möglich. Wie bereits erwähnt nie ohne Groove, immer angriffslustig und hundsgemein.“

Effiziente Simplizität
Das Material des ungewöhnlichen und selten ehrlichen Duos birgt herrlich abgefahrene, ergötzlich modrig-schnoddrige Songs.

Das Ganze ist einfach so wunderbar auf den Punkt kommend angelegt, ohne Schnörkel etc.

Würde mein Geprächspartner Mantar als Puristen-Duo benennen?

„Ja“, proklamiert der Hamburger Hartmann spürbar entschlossen, „uns bleibt nichts anderes übrig. Wir können nur eine Melodie und ein Riff zurzeit anbieten. Das reicht jedoch auch mehr als aus. Ich glaube, die Magie von Mantar liegt darin, einen musikalischen Moment zu zelebrieren. Das reicht dem Hörer. Keiner feiert einen bestimmten Song einer Band, weil gerade 1.000 Sachen gleichzeitig passieren. Es sind ganz besondere Momente, Passagen, Sounds oder Melodien. Wir versuchen alles drumherum wegzulassen. Was du hörst ist exakt das, was wir auch live spielen. Wir haben kaum Dopplungen, oder extra Instrumente im Studio im Einsatz gehabt. Uns war es wichtig das einzufangen wofür die Band steht. Die Produktion hat weniger gekostet, als viele etablierte Bands auf Tour an einem Abend zum Saufen ausgeben. Ich hoffe, dass ist Ansporn für neue, junge Bands. Ein gutes Album muss nichts kosten, wenn die Vision im Kopf und Herzen stimmt.“

Transformierte Gewalt
Wir sprechen anschließend darüber, in welchen beziehungsweise aus welchen Stimmungen heraus die zwei Düsterseelen ihr Zeug eigentlich so verkommen, rotzig, lässig und verrottet hinkriegen?

„Danke erstmal für dein Kompliment. Ich weiß es allerdings nicht. Ich glaube in beiden von uns steckt ein gesundes Maß an Gewalt. Das ist alles um was sich Mantar dreht: Gewalt. Wir haben keine Message.“

Alles entsteht beim gemeinsamen Spielen. „Das Songwriting für die Platte entstand 50/50. Die Arbeit an dem von dir so genannten ,Werk‘ war nichts anderes als sich mehrmals die Woche zum Spielen zu treffen. Irgendwann wurde es dann aufgenommen. Relativ schmucklos. Spannend ist für uns die Band an sich. Die allergrößte Stärke unserer Musik? Die sehe ich in Kompromisslosigkeit. Die wunderbare Leichtigkeit eines Debüts. Keiner erwartete irgendetwas. Kein Trend, kein ,Fun‘, keine Regeln.“

Unheilvolle Visionen
Beeinflusst wurden die aktuellen Songs vom Weg des Menschen zurück zu seinen Wurzeln, wie Hanno erörtert.

„Das Album handelt viel von der Natur und ihrer unantastbaren Heiligkeit. Der Weg zurück zum Ursprung und dem Tag X. Stärke für die letzte Schlacht. Plus das genaue Gegenteil und Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin: Abgründe der Menschlichkeit. Die Platte heißt nicht umsonst ,Death By Burning‘. Kein verdammtes Tier würde auf die Idee kommen sich gegenseitig den Flammen zu übergeben, um sich selbst von aller Schuld rein zu waschen. Allerdings richte ich nicht in den Texten. Ich be-richte lediglich. Ferner hört sich der Titel der Scheibe geil an und trifft den Sound der Band ganz gut. Verbrannte Erde. Das ist alles was bleibt.“

Produktive Harmonie
Und die ganz eigenen, ganz speziellen Stärken von Mantar sieht der Mann schlicht in der stimmigen Gemeinsamkeit der zwei Beteiligten.

„Ich glaube, das wir recht gute Musiker sind. Aber viel wichtiger ist, dass sich zwei Menschen zusammengefunden haben, die perfekt musikalisch harmonieren. Leidenschaft. Mantar ist kein Projekt. Jeder, der seine Band als solches bezeichnet, ist für mich nicht ernst zu nehmen und sollte lieber in Werbeagenturen sitzen und teuren Kaffee trinken.“


© Markus Eck, 02.01.2014

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