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Interview: LOST LEGACY
Titel: Ungestüme Epikmelodiker

Aus tiefbayerischen Waldgefilden stammen diese vier jungen Schwermetall-Enthusiasten, welche auf ihrem aktuellen Debütalbum „Gates Of Wrath“ ziemlich melodisch und betont episch vom dicken Leder ziehen.

Während die dargebotene Musik an sich als erzgrimmiger Viking Metal eingestuft werden kann, vollziehen sich die auffallend hingebungsvollen Kompositionen des Newcomer-Quartetts jedoch rein mit Fantasy-Liedertexten.

Dieser beherzte Bajuwarentrupp geht kompositorisch bewusst vielfältig vor, so gibt es auf dem neuen Langspieler eine breite Palette an Klangspektren zu vernehmen. Laut Bassist und Sänger Saroel haben sich Lost Legacy niemals über künstlerische Aspekte ihrer Kreationen generell all zu viele Gedanken gemacht.

„Wir sind jedoch einhellig der Meinung, dass Musik von Melodie lebt. Früher war Musikant ein künstlerischer Beruf, wie etwa die Troubadoure. Musik zu machen, also eingängige und interessante Melodien zu schreiben, zeichnet unserer Meinung nach gute Musiker aus. Wir wollen möglichst viel Melodie haben, und damit den Anspruch der Kunst erfüllen. Die zweite Komponente ist der Text. Irgendetwas zu schreiben ist nicht weiter schwierig, aber es muss inhaltlich gut sein und gut klingen. Ob uns das gelungen ist, werden die Hörer entscheiden. Ist Kunst nicht auch bloß ein Wort, dem nur der Gebrauch Sinn verleiht?“

Von den einstigen Gründungsmitgliedern ist mittlerweile nur noch Trommler Seraphin an Bord der Band, so Saroel.

„Die anderen drei Mitmusiker haben sich durch ihr Interesse an der Musik dazugesellt. Schätzungsweise haben wir alle den Wunsch, etwas Eigenes zu schaffen um damit zu begeistern. Lost Legacy wie es heute ist, entstand, als unser Tastenmann Symphestos dazukam. Denn mit dem Keyboard konnte auch die Epik Einzug halten. Den aktuellen Bandnamen gaben wir uns allerdings noch etwas später, als klar war, dass die Songtexte in die Fantasy-Richtung gehen würden und uns der alte Gruppenname nicht mehr zusagte. Jener passte ja dann auch nicht mehr zu unserer Musik.“

Die bayerische Natur findet mein Gesprächspartner gar prächtig, voller versteckter Mystik. „Am naturverbundensten ist jedoch eindeutig unser Gitarrist Asgaroth. Den trifft man schon auch mal um fünf Uhr früh volltrunken im Wald an. Generell sind wir so gesehen Naturburschen. Wer verlernt hat, die Romantik eines Lagerfeuers zu genießen, der tut uns irgendwie leid. Der Mensch hat sich bereits viel zu weit von seiner Natur und damit der Natur im Allgemeinen entfernt. Es wäre wünschenswert, dass man sich wieder mehr darauf besinnt. Wer geht denn schon noch einfach mal so in den Wald, genießt die Ruhe und die Luft? Die heutigen Kinder lernen leider nicht mehr, der Stimme des Waldes zu lauschen, dem sanften Rauschen der Bäume im Wind oder dem sachten Plätschern eines Baches. Es ist eine Schande, dass all diese Wunder so wenig Beachtung finden.“

Was die Verbundenheit der Epikertruppe mit der germanischen und keltischen Historie ihrer Vorfahren anbelangt, so sind Lost Legacy laut Aussage von Saroel nicht allzu bücherfest.

„`Gates Of Wrath` dreht sich ja auch um eine Fantasy-Welt und nicht um die Vergangenheit. Die alten Geschichten und Sagen sind interessant und sollten an keinem Jugendlichen ungelesen vorbeiziehen. Aber obwohl wir in musikalischer Hinsicht eigentlich Viking-Metal machen, passt die Bezeichnung textlich eigentlich nicht.“

Seit der einstigen Gründung, beziehungsweise der damaligen Umbenennung in Lost Legacy, haben die Beteiligten eigentlich eine recht konstante Linie in ihrem Schaffen, wie in Erfahrung zu bringen war.

„Die Gitarre kam mit Asgaroth weiter nach vorne als zuvor und das hat uns alle sofort überzeugt. Die Dominanz des Keyboards hat sich gehalten, was durchaus in unserem Sinne ist. Mit der Veröffentlichung der ersten Scheibe, die ziemlich auf sich warten ließ, werden wir jetzt guten Mutes ans nächste Werk schreiten. Die nächste Platte sollte etwas hymnischer werden, als `Gates Of Wrath`. Außerdem wissen wir jetzt, welche Probleme einen im Studio erwarten und werden uns gebührend darauf vorbereiten.“

Der Gruppenname Lost Legacy klingt nach Ansicht von Saroel fantastisch, wie er im Weiteren frenetisch bekundet. „Wir haben schon ein wenig herumgesucht dafür. Denn ein Bandname, der dann auch noch für eine längere Zeitspanne sein soll, sollte akustisch schon ordentlich was hermachen. Und nachdem es mit den Begriffen Blood, Death, Black usw. schon so viel gab, fingen wir in ganz anderen Gefilden an; allein schon, um uns entsprechend von der Masse abzugrenzen. So etwas hätte eben auch auf textlicher Ebene nicht so recht zu uns gepasst. Mit Lost Legacy wird wahrscheinlich jeder gleich auf den Inhalt schließen können.“ Insofern sind sie mit unserer Auswahl nach wie vor zufrieden, so Saroel.

Als Musiker überhaupt Songs veröffentlichen zu können, stellt für die Band laut Saroel eine wunderbare Gelegenheit dar, sich und ihre Schöpfung zu repräsentieren und simultan vielen Hörern zugänglich zu machen.

„Davon haben wir eine Menge. Denn wir bekommen Feedback, und der Hörer hat planmäßig Spaß an der Scheibe. Textlich bietet es die Möglichkeit, Dinge zu artikulieren, die einem am Herzen liegen, oder einfach nur eine Geschichte zu erzählen, so wie in unserem Fall. Wenn man nur im stillen Kämmerlein musizieren würde, wäre wohl schnell der Saft raus. Derartige Durststrecken haben wir auch schon hinter uns und da war es so.“

Ich erkundige mich in diesem Zusammenhang nachfolgend, wie die Band zur Metal Szene an sich steht, was sie darin gut finden und was schlecht. „Obwohl Metaller für Außenstehende immer gefährlich aussehen, schätzen wir die Friedfertigkeit, die normalerweise auf Konzerten und Treffen zu finden ist. Wir verabscheuen sinnlose Gewalt. Außerdem haben Metaller oft einen gewissen Ehrenkodex, das heißt man kann sich häufig auf die Burschen verlassen. Im Rap-Milieu zum Beispiel sieht das aus meiner Sicht anders aus. Aber da wollen wir ja definitiv nicht hin. Metaller haben auf jeden Fall die richtige Einstellung, wenn es ums Feiern geht. Auf den Konzerten ballert man sich die Birne zu und nimmt lachend den Kater und die Nackenschmerzen in Kauf. Wenn es anders wäre, könnten wir ja genauso gut ins Altersheim gehen“, lacht der Musikus.

Seraphin und Asgoroth ziehen sicherlich den Wald vor, gegen ein hübsches großes Konzert ab und an spricht laut Saroel aber auch nichts. „Man sollte an alles mit Maß rangehen. Dies bleibt aber jedem freigestellt. Die meisten Metaller sind wohl privat eher Einzelgänger. Wir können uns da auch kaum ausnehmen.“

Aufgenommen wurde „Gates Of Wrath“, die neue Scheibe von Lost Legacy, im 2nd Floor Museum-Studio in Warzenried; ein Ort, den wohl fast keiner der Leser kennen dürfte.

„Das Studio gehört einem Freund von uns, und da es nicht weit von uns entfernt liegt, hat es sich bestens angeboten“, äußert Saroel. „Außerdem haben uns die Hörproben von vorherigen Projekten schnell überzeugt. Wichtig ist außerdem für uns die Atmosphäre im Studio. Menschlich muss es passen, sonst wird die Arbeit nichts. Aber da können wir wirklich nicht meckern. Da wir den Klick für die Drums lieber professionell programmieren wollten, waren wir insgesamt zehn Tage im Studio, ohne Mastern. Die Rechnung ging dann über zwölf Tage. Wir hatten es eigentlich kürzer geplant, aber alles in allem musste das sein. Die Arbeit dort hat großen Spaß gemacht, auch wenn wir immer bis spät nachts beschäftigt waren. Das Intro des neuen Albums beispielsweise wurde früh morgens eingelesen, unter erheblichem Alkoholeinfluss. Derjenige, der mit einspielen dran war, hatte zwar verständlicherweise eine stressige Zeit, aber mit guter Zusammenarbeit und gutem Zusammenhalt haben wir das alles ohne Zoff gemeistert.“

Die Geschichte des aktuellen Langspielers an sich entstand eher im Zickzack-Kurs, wie ich noch erfahre.

„Da wir den letzten Song, das Titelstück `Gates Of Wrath`, als ersten fertig hatten und uns dann erst die Idee für ein Album kam, musste die Geschichte davor so geschrieben werden, dass hinten wieder alles passt. Der Text stammt gesamt von Seraphin, der die Songs immer nach Fertigstellung damit versah. Die Geschichte wurde dann zusammengefügt und ergänzt, bis die Story stimmte. Texten ist weit weniger Arbeit, als gute Songs zu schreiben. Der Titel des Albums lautet ja eben wie der letzte Song, bezieht sich also auf das Ende der Geschichte. Unserer Ansicht nach klingt es viel versprechend und sollte Lust auf mehr machen. Wer also wissen will, was es mit den `Pforten des Zorns` auf sich hat, der wird die Geschichte von Anfang an erleben wollen.“

Das neue Album erzählt schließlich eine fantastische Geschichte, mit Drachen, Helden und allem was dazugehört. „Ein Magier sucht nach Wissen, übernimmt sich dabei und kann die Mächte die er ruft nicht mehr bändigen. Seine Taten bringen Verderben und sorgen für mächtigen Stress auf Seiten der Menschen. Obwohl sie ihre Helden aussenden, stehen ihre Karten am Ende schlecht. Wie das ausgeht, muss jeder selbst miterleben. Das Ende wird auf jeden Fall anders, als im Power-Metal-Bereich üblich.“

Ohne Gesang wäre Musik an sich nur halb so eindrucksvoll, stellt der Bassist und Vokalist klar. „Die Epik, die Macht, sie leben geradezu von den Vocals. Gesänge drücken erst so richtig die Aggression und die Bosheit aus, um die es in manchen Texten von uns geht. Ebenso reißt erst der Text das Publikum so recht mit, wenn es mitsingen und sich in die jeweilige Stimmung hineinversetzen kann. Zwar gibt es gute, rein instrumentale Kompositionen, aber Text ist eben unerlässlich. Musik ist als Botschafter besser geeignet als alles andere auf dieser Welt.“

Lost Legacy könnten laut Saroel keine Band nennen, die maßgeblichen Einfluss auf die neue Scheibe hatte.

„Im Laufe unserer Entwicklung haben wir alle viele Bands kennen gelernt. Das prägt natürlich den eigenen Geschmack und genau den will man ja selbst dann verwirklichen. Da wir mehrheitlich Bands aus den Melodic-Bereichen bevorzugen, war schon immer klar, dass es in diese Ecke gehen musste. Aber ein Vorbild hatten wir eigentlich nicht. Wir sind nämlich eher der Meinung, dass wir Elemente verschiedener Bands kombinieren: Die Melodiösität einerseits, und die Aggression andererseits. Genau diese Mischung ist unser Ding. Die Musik von Wintersun ist ein Beispiel für die perfekte Mischung, wie wir finden.“

Live zu spielen ist für ihn ein zweischneidiges Schwert, wie mich mein Gegenüber im Anschluss informiert.

„Wenn es gründlich schief geht, wünscht man sich, man hätte gar nicht gespielt. Geht es gut, dann ist das wie bei gutem Sex: Man ist enttäuscht, dass es schon wieder vorbei ist. Prinzipiell macht live spielen irrsinnig Spaß. Dabei liegt man mit vielen anderen für die Dauer des Gigs auf einer Wellenlänge und merkt, dass man etwas gemeinsam hat. Lost Legacy haben schon einige Gigs hinter sich, wenngleich die meisten eher vor kleinem Publikum waren. Da aber Metal nicht die Musik der breiten Masse ist, ist es in vielen Gegenden schwierig, mehr als 200 Leute zu mobilisieren. Wenn diese aber so richtig abfeiern, dann ist das besser, als 5.000, die nur herumsitzen, wie bei einem Schulabschlussball. Live-Konzerte sollen eine Party sein, mit Saufen und Spaßhaben. Es liegt genauso am Publikum wie an der Band, ob der Abend hält was er verspricht.“

Die erste Scheibe von Equilibrium hat bei ihm schon ziemlich reingeknallt, so der Bassist und Sänger. „Die fanden wir alle klasse. Ebenso großartig war Wintersun. Die Wegbereiter spielen aber nach wie vor in unseren CD-Payern eine wichtige Rolle: Moonsorrow, Ensiferum, Catamenia, Thyrfing, Finntroll oder Amon Amarth. Man stößt da immer wieder auf Perlen, die oft nicht die verdiente Beachtung finden. Das verwundert aber nicht, da man allmählich Schwierigkeiten haben dürfte, den Überblick zu behalten.“

Wir kommen zum Abschluss des Dialogs. Der Frontmann empfiehlt den Hörern in weiser Naturpredigermanier: „Geht in die Wälder, bestaunt die Natur und haltet euch vor Augen, dass sie tagtäglich unwiederbringlich zerstört wird. Genießt euren Schweinebraten und denkt an alle Kinder, die verhungern. Springt in die Luft und bemitleidet alle, die an Rollstühle und Betten gefesselt sind, manche ihr Leben lang. Öffnet die Augen für die Schönheit eines jeden neuen Tages, und vergesst nicht die, denen kein Augenlicht geschenkt wurde. Lauscht den Klängen eurer Musik und versetzt euch in jene, die ohne Musik leben müssen. Weint um die Zukunft, die unserer Welt blüht, wenn weiterhin machtgierige Bastarde regieren, deren Profitgier vor Tod und Zerstörung nicht Halt macht. Hebt euch ab von jenen, kümmert euch umeinander und tut euren Teil dazu, der Natur beizustehen. Wir sind alle Brüder, alle so fehlbar und unsere Mutter Natur verlässt sich auf uns.“

© Markus Eck, 29.12.2006

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