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Interview: KAT VON D
Titel: Authentische Selbstverwirklichung

Mit ihrem zweiten Album „My Side Of The Mountain“ erfüllt sich die vor allem seit Mitte der Nuller Jahre hauptsächlich als Tätowiererin und TV-Persönlichkeit in Formaten wie „Miami Ink“ und „LA Ink“ populär gewordene Influencerin gleich mehrere lang gehegte Herzenswünsche.

Bewegte sich ihr im Sommer 2021 veröffentlichtes Debütalbum „Love Made Me Do It“ musikalisch bereits zwischen dezent eishauchender New-Wave-Düsternis und atmosphärisch sensibilisierten Synth-Poppereien, verfolgt sie den eingeschlagenen stilistischen Pfad als Sängerin entsprechend konsequent weiter, ohne sich groß um die aktuellsten Trends zu kümmern. 


Letztes Jahr im Oktober wusste die vor über vier Dekaden in Mexiko als Katherine Von Drachenberg geborene Exzentrikerin die Neugier ihrer weltweiten Fangemeinde mittels einer ersten Single mit dem gruseldurstigen Titel „Vampire Love“ anzutreiben.


„Ein grooviger Goth-Disco-Jam über den inneren Wunsch eines jeden, eine Liebe zu finden, die für immer hält. Ich wollte einen Tanzsong mit einer melancholischen, dunklen Stimmung schreiben. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit und und ich habe es wirklich geliebt, das Halloween-basierte Musikvideo dazu unter der Regie des bekannten Horror-Regisseurs Ryan Valdez zu drehen“, postuliert Kat.

Das Musikvideo zur neuesten Vorab-Single „Illusion“ hingegen zeigt sie inmitten blühender Felder ihrer ländlichen Heimatstadt Vevay, Indiana. Es ist damit in all seiner intensiven Sehnsüchtigkeit auch visuell als eine sehr persönliche Reflexion über verlorene Liebe gehalten - und über die damit verbundenen tiefen, oft schmerzhaften und verwirrenden Gefühle, wie die ausgesprochene Individualistin bilanzierend ergänzt.

„Wir haben das Video für ‚Illusion‘ ganz bewusst hier im malerischen Süden Indianas umgesetzt. Zu bestimmten Jahreszeiten sind die Felder nämlich mit winzigen gelben Blumen bedeckt, die sich so weit ausbreiten wie das bloße Auge nur sehen kann. Ich fahre jeden Tag aufs Neue an eben diesen Feldern vorbei und habe Ryan Valdez irgendwie davon überzeugen können, für die Dreharbeiten den ganzen Weg von Los Angeles hierher zu fliegen. Mein ausgedachtes Konzept dafür war relativ einfach: Ich wollte meine ganz eigene Version von ‚The Sound of Music‘ kreieren, unbekümmert auf einer Wiese herumtollend, entrückt tanzend und singend. Ich bin mir sicher, all die Leute, die bei unseren Aufnahmen vorbeifuhren, fanden das urkomisch und richtig seltsam zugleich“, verlässt es ihren Mund von einem milden Schmunzeln begleitet.

In der „Abteilung Einsamkeit“ geht es ihr gut, wie sie ihre selbstbestimmte Isolation dort nennt.

„Ich habe es geschafft, der turbulenten Großstadt zu entfliehen und hier mitten im Nirgendwo des Mittleren Westens der USA meinen Frieden zu finden. Und ich liebe es. Die Leute hier lassen einen in Ruhe, was mir äußerst angenehm ist. Ich bin mir zwar sicher, dass Klatsch und Tratsch in solchen Kleinstädten sehr viel schwerer wiegt, aber ich achte nicht darauf. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, die Rehe vor meinem Fenster und die Blitze in der Nacht zu genießen. Das Leben ist schön hier.“ 


Die Frage, ob sie sich für den neuen Langspieler unter Druck gesetzt fühlt(e), weil ihr Bekanntheitsgrad seit dem ersten Album „Love Made Me Do It“ gestiegen ist, bringt Kat nicht mal ansatzweise aus der Ruhe. 



„Nicht so sehr unter Druck, sondern eher unter der Aufregung, es mit allen zu teilen. Ich liebe mein erstes Album - aber ich liebe auch die Entwicklung zu diesem neuen Album. ‚My Side Of The Mountain‘ ist in gewisser Weise düsterer und schlägt ein wenig härter zu als das Debüt.“ 


Es gab bereits zuvor eine großartig funktionierende Zusammenarbeit mit Linda Perry auf dem ersten Album für den Song „Fear You“ - diesmal ist Alissa White-Gluz von Arch Enemy in „I Am A Machine“ zu hören. Ebenso tat sich Kat mit dem bekannten LA-Songwriter Ferras, aus Perrys Label-Dunstkreis, für den Song „Set Myself On Fire“ zusammen.

Kat fand es vor allem wirklich toll, wie sie sagt, endlich einen Song mit Alissa zu machen. „Ich bin ein riesengroßer Arch Enemy-Fan, und Alissa ist darüber hinaus auch noch eine meiner am meisten talentiertesten Freundinnen überhaupt. Es gefiel mir, sie einmal in eine dunkle elektronische Welt hineinzuziehen, was normalerweise ja so gar nicht ihr Ding ist - aber ihre Stimme passt doch einfach so perfekt auf ‚I Am A Machine’!“ 


Da sie von ihrer PR-Abteilung aktuell als „stark von Synthwave, Goth, New Wave, Post-Punk und anderen ikonischen elektronischen Sounds der 80er Jahre beeinflusst“ angepriesen wird, konfrontiert der Autor Kat mit einigen europäischen Pionieren aus dieser Zeit: Boytronic, Human League, The Twins, Yazoo, Anne Clarke, The Cure, Visage, Sisters Of Mercy - und Depeche Mode.

„Ja, ich liebe Depeche Mode, The Cure - und Siouxsie! Aber ich persönlich glaube eher nicht, dass wir so klingen wie diese Bands. Primär bevorzuge ich analoge Synthesizer-Sounds und habe eine riesengroße Freude am Sounddesign unserer Songs. Hoffentlich wird das von den Zuhörern auch dementsprechend geschätzt.“

Als der Dialog sich an das Thema „Bücher und Filme“ wagt, winkt die Dame Noire entschieden ab. „Diese haben tatsächlich erneut keine große Rolle bei der Entstehung des neuen Albums gespielt. Denn normalerweise schreibe ich eher darüber, wie ich meine Gedanken über die Liebe sortiere. Aber auf ‚My Side Of The Mountain‘ habe ich definitiv Themen außerhalb der Liebe erforscht, wie z.B. Sucht, Glaube und spirituelle Kriegsführung, sowie den Umgang mit der Besessenheit der Welt mit Technologie.“

So ist „My Side Of The Mountain“ laut Kat wie eine Liebeserklärung an hoffnungslose Romantiker gerichtet, an die einsam schlagenden Herzen all der Außenseiter darunter. Sie stimmt sofort zu, dass man diese Art von Persönlichkeit schon früh oder gar nicht in sich selbst spüren kann.

„Sicher. Ich war mir dieser Art von Gefühlen von klein auf schmerzlich bewusst. Ich bin dankbar, dass ich diese Gedanken schon früh hatte. Es gibt mehr von uns da draußen, als man denken möchte, und hoffentlich finden die Menschen ihren Weg.“ 


Viele Neueinsteiger ihrer musikalischen Tätigkeit, welche Kat aufgrund der rein visuellen Erscheinungen bislang in eine eher dunkle, negative und hoffnungslose Ecke gestellt haben, werden ziemlich überrascht sein, was letztlich auch genau so gewollt ist - im Sinne der Kontraste und dem mutige Ausloten von Gegensätzen.

„Ja, aber natürlich! Ich selbst liebe es auch immer wieder, angenehm überrascht zu werden! Ich hoffe daher sehr, dass diejenigen, die meine Musik hören werden, genau das Gleiche empfinden werden.“

© Markus Eck, 09.09.2024

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