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Interview: KATAKLYSM
Titel: Appell an die Instinkte

Ballert man ihren umwerfend wuchtigen und hochgradig energisch-präzisen Prügelsound in die Lauscher, mutet es sehr interessant an, dass die franko-kanadischen Sturmbringer ihr neues und 13. Album „Meditations“ benannt haben.

Denn die aktuelle Musik der Montrealer taugt mächtig als auditive Abrissbirne. Melodischer orientiert und griffiger strukturiert als je zuvor, kehren die 1991 gegründeten Death Metal-Veteranen Kataklysm nach dem 2015er Vorgänger „Of Ghosts And Gods“ jetzt mit einem überraschend vielschichtigen Werk zurück.

Shouter Maurizio Iacono, völlig frei von Arroganz, wirkt nicht im Interview nicht nur quicklebendig, sondern auch ungemein gefestigt und zu Großem entschlossen.

So kennt und schätzt man diesen bullig brüllenden Wutbrocken im Genre nicht nur für absolute Beharrlichkeit, sondern auch für multiplen, philosophischen Tiefgang hinsichtlich der dunkelsten Abgründe der Historie des Homo Sapiens.

„Wir befanden uns während des 25-jährigen Bandjubiläums gerade in einer Art ‚Neufindungsphase‘, die jedoch gut gemeistert wurde. Wir waren trotz der ganzen Härte in unserer Musik schon immer darauf bedacht, auch eine gewisse Variabilität zu wahren. Das brachte eine Unzahl an Fans zu uns, es geriet gewissermaßen genreübergreifend. Auf eine Sparte festlegen wollten wir uns ohnehin nie lassen. Mit den Jahren wurden wir natürlich souveräner im Songwriting etc. Für ‚Mediations‘ kehrten wir einerseits zu unseren Wurzeln zurück, brachten jedoch auch eine melodischere, individuelle Dynamik in die Songs ein, die nun alles andere als im Hintergrund ist. Auch rhythmisch gibt es so einige Überraschungen. Das Ergebnis ist verdammt kraftvoll und robust geworden, ohne sich aber gewissermaßen mit nur einer Ebene zufrieden zu geben.“

Für diese spezielle, neu rezeptierte Mixtur sollte diesmal auch produktionsmäßig alles so entsprechend zweckdienlich wie möglich ablaufen - darum entschied man sich, hierfür mutig neue Wege zu beschreiben. Maurizio blickt mit konzentrierten Gesichtszügen zurück:

„Für ‚Meditations‘ wurde unser Drummer Olivier ‚Oli’ Beaudoin, der erst seit 2014 in der Band ist, während der gesamten Recordings von Gitarrist Jean-François Dagenais aktiv begleitet. Jean-François ist sehr erfahren, da er von Anfang an engagiert und umfassend an den Aufnahmen beteiligt war.“ 


Die beiden begaben sich hierzu extra in Dagenais‘ eigenes ‚Kataklysm-Studio‘, so der Schreihals, welches von der Formation mitten in den kanadischen Wäldern erbaut wurde, um bei der Erschaffung ihrer rabiaten Kunst möglichst abgelegen zu sein.



 „Das Drumming konnte von derlei Betreuung und Zuwendung ganz beträchtlich profitieren. Das ist uns sehr wichtig, schließlich stellen Gitarre und Schlagzeug elementare Pfeiler in unserem Klangbild dar. So ein abwechslungsreiches und gleichzeitig homogen arrangiertes Drumming hatten wir noch nie zuvor. Als unser langjähriger Trommler Max Duhamel 2013 aus gesundheitlichen Gründen aus der Band aussteigen musste, bangten wir nicht nur um musikalisch gleichwertigen Ersatz, sondern auch darum, ob es menschlich eine adäquate Lösung geben würde. Doch in Oli haben wir zum Glück nicht nur einen Spitzendrummer, sondern auch einen super Kumpel gefunden.“ 



Und auch für die Produktion an sich wagten sich die Todesschmiede erstmals an eine Kooperation mit dem Landsmann Jay Ruston, hauptsächlich bekannt durch seine Zusammenarbeit mit den Alternative Metal-Düsterseelen von Stone Sour und den Erfolgs-Thrashern Anthrax. Dass dies einen ‚rockenden‘ Faktor mit sich bringt, kommt der belebenden Frische des neuen Materials deutlich zugute.


„Wir waren nicht wenig nervös, denn es hätte auch nach hinten losgehen können. Schließlich kommen wir ja aus einer ganz anderen Ecke“, offenbart der Sänger, „aber es musste einfach mal was Neues her. Letztlich hat sich das Risiko voll und ganz ausbezahlt, den der scharfe und differenzierte Sound, den Jay da für uns zusammenzimmerte, konnte uns relativ schnell überzeugen.“



Der Albumtitel „Meditations“ hat tatsächlich tiefere Hintergründe, wie der Frontbolide noch aufgeweckt, aber konzentriert erläutert:

„Wir leben in einer unglaublichen Zeit. Ich denke und sinniere oft darüber nach, was eigentlich aus der Menschheit geworden ist, die doch einst in Hochkulturen sagenhafte Wunderwerke vollbrachte. Die mediale Überflutung nimmer immer noch mehr zu. Beinahe jeder meint, den ganzen Tag seine Meinung über dies und das in die Welt hinausposaunen zu müssen. Doch die Gehirne werden de facto immer fremdbestimmter. Der Einzelne kommt dadurch aber nicht mehr zur wichtigen Ruhe und laugt irgendwann vollkommen aus. Daher ist es wichtig, sich zu besinnen und auf sein Inneres zu fokussieren, um Herr über sich selbst zu bleiben. Ich habe einiges zu dem Thema an Büchern gelesen. Und ich bin zu der Ansicht gekommen, dass meditative Besinnung nicht immer so friedlich und entspannt ablaufen muss. Es kann auch mit brachialer Energiefreisetzung erreicht werden, dass man sich selbst wieder spürt und so richtig wahrnimmt.“ 


© Markus Eck, 18.05.2018

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