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Interview: HADER
Titel: Zornige Melancholien

„Wir lassen die Musik sich selber entwickeln, selbst wenn dann ein Riff ganz und gar nicht nach Black Metal klingen sollte“, legt mir Kreisch-Intuitivkönner Dorn die künstlerische Prämisse seiner hörenswerten Horde dar.

Und tatsächlich, die talentierten Aachener kreieren eine ganz spezielle Art von Midtempo Black Metal. Eine musikalische Ausnahmeerscheinung im besten Sinne also, deren unbändiger Reiz hier nicht nur aus todtraurig-wunderschönen Tonfolgen tragischer Natur und völlig verzweifelt anmutenden Stimmungsbögen besteht, sondern auch aus labend homogen zusammenkomponierten Strukturen eingängiger Ausprägung.

Die Gründung des bemerkenswert befähigten Haufens ist auf das Jahr 2004 datiert, anfangs malochten die Beteiligten noch unter dem alten Gruppennamen Permafrost.

Eine erfreulich zeitlose Angelegenheit ist das aktuelle zweite Seelenschmerz-Manifest, „Ascheregen“ betitelt, in welches sich der Autor dieser Zeilen schon beim ersten Aufeinandertreffen ehrlich gesagt hoffnungslos verliebt hat. Was liegt da näher für mich als ein ausführlicher informativer Dialog mit Gift-und-Galle-Spuck-Spezialist Dorn?

„Die lange Zeit, die seit der ersten Veröffentlichung, beziehungsweise Gründung der Band bis zu dieser Publikation verstrichen ist hat hauptsächlich zwei Gründe. Wichtig von vorneherein zu erwähnen ist, dass wir „Ascheregen“ komplett selbst in unserem bandeigenen Proberaum aufgenommen haben, ohne jedoch großartig Ahnung von der Materie oder gar Erfahrung zu haben. Die erste CD, das 2006er Demo bestand aus Live-Aufnahmen, die wir innerhalb von zwei Bandproben eingespielt hatten. Da wir natürlich mit dem erzielten Sound in keiner Weise zufrieden waren, wollten wir uns diesmal mehr Zeit lassen. Dennoch ist auch diese Veröffentlichung, „Ascheregen“ noch nicht in der Qualität, die wir uns wünschen, aber wir haben viel gelernt, so dass wir bei kommenden Aufnahmen von der Arbeit an „Ascheregen“ profitieren werden. Als wir die Aufnahmen dann fertig hatten, gab es noch einige Probleme mit Presswerken, welche sich weigerten, „Ascheregen“ zu produzieren, so dass der anvisierte Veröffentlichungstermin sich leider etwas verschob. Ab diesem Zeitpunkt war unser Line-Up nicht komplett, so dass wir zwar Songs schreiben, sie aber nicht richtig proben konnten. Erst mit einem Drummer an unserer Seite konnten wir das Material im Proberaum richtig spielen (ohne Takt aus der Digital-Kiste) um die Songs auf diese Weise „reifen“ zu lassen. Wir wollen die Lieder erst eine Zeit lang sacken lassen nach dem Schreiben, um sicher zu gehen, dass uns die Songs wirklich zusagen und wir sie guten Gewissens unter unserem Namen veröffentlichen können. Außerdem war das Veröffentlichen von CDs ohnehin nie unser Hauptanliegen. Auch wenn es etwas abgedroschen klingen mag, spielen wir unsere Musik hauptsächlich für uns, was sich auch darin äußert, dass wir vergleichsweise selten auftreten“, untermauert mein Gesprächspartner die Attitüde von Hader.

Angetrieben wird seine Gruppe primär von der gemeinsamen großen Liebe zur Musik an sich, so der Kehlenschinder nachfolgend: „Wir haben alle schon vorher in Bands gespielt, aber erst in dieser Zusammensetzung haben wir auch die Möglichkeit, unsere Ideen und Vorlieben so ungezwungen umsetzen zu können wie wir wollen. Die Chemie passt einfach und die Vorstellung von dem, was wir erschaffen wollen, stimmt größtenteils überein. Auch wenn wir grundverschiedene Individuen sind, so ergänzen wir uns diesbezüglich perfekt.“

Wie Dorn mir anschließend noch dazu zu berichten weiß, läuft die Kooperation der Musiker innerhalb der Band bis jetzt also wirklich famos. Denn:

„Vier von uns kennen sich seit vielen Jahren und waren schon bevor wir zusammen musiziert haben gut befreundet. Nur Bard zog erst vor relativ kurzer Zeit nach Aachen. Wir lernten ihn zufällig in einer Kneipe kennen während wir auf der Suche nach einem Drummer waren. Er suchte ebenfalls eine Band und so kam eins zum anderen. Ein paar Tage später besuchte er uns im Proberaum und ist seit dem nicht nur in der Band, sondern auch im Freundeskreis fest integriert. Innerhalb der Kapelle erfüllt jeder seine Aufgaben bestmöglich. Alle ergänzen sich und leisten ihren Anteil am Endergebnis. Jeder kann sich zu 100 % auf den anderen verlassen, was wichtig für ein funktionierendes Bandgefüge ist. Natürlich gibt es hin und wieder Unstimmigkeiten, diese werden aber schnell und unkompliziert aus der Welt geräumt. Wir sind also sehr zufrieden.“

Kurz nach den Aufnahmen zu „Ascheregen“ stieß Haglaz, ebenfalls ein langjähriger Freund des Trupps, an der Bassgitarre zu Hader. Dorn hierzu:

„Er brachte wieder neue Elemente in die Musik mit ein. Leider steht zurzeit nicht fest, wie lange Bard uns noch am Schlagzeug begleiten kann, da er aus persönlichen Gründen wahrscheinlich aus Aachen wegziehen muss. Momentan halten wir, falls es so weit kommen sollte, Ausschau nach einem Nachfolger. Ansonsten sind wir froh, ein stabiles Line-Up aus Freunden zu haben, die alle ähnliche Vorstellungen von der Musik, die wir machen wollen, haben, da somit lange Eingewöhnungs- beziehungsweise Einarbeitungsphasen ausbleiben.“

Da mich „Ascheregen“ wie eingangs bemerkt in vielen Punkten sehr begeistern kann, erkundige ich mich bei dem Vokalisten zur Vorgehensweise hinsichtlich solch’ einprägsamer Melodien.

„Wahrscheinlich ist das bei uns nicht anders als bei anderen Bands, die meisten Melodien entstehen einfach beim Spielen. Einer bringt eine Idee für einen Song, spielt etwas vor, ein zweiter hört es sich an und spielt drauf los bis es passt. Wir setzten uns nicht hin und sagen „So, wir brauchen eine Melodie!“ Beim Spielen wachsen die Songs, sie werden hier und da verändert, dann wird hier etwas verworfen, dann kommt da eine Ergänzung und am Ende steht das Lied. Dieser Prozess zieht sich teils über Wochen hinweg, wie bereits erwähnt. Aber wenn das Ergebnis stimmt, ist es das definitiv wert.“

Die Entstehung von „Ascheregen“ war ohnehin recht interessant, so der Sänger, da ursprünglich nämlich gar nicht geplant war, eine weitere Demo zu veröffentlichen. Wir erfahren:

„Anfangs wollten wir nach unserer Veröffentlichung namens „Demo 2006“ Songs für ein volles Album sammeln. Irgendwann kam dann, da sich die Möglichkeit ergab, die Idee auf, vorher eine Split-CD zu veröffentlichen. Die andere Band sagte dann allerdings kurzfristig ab und so überlegten wir, noch einen weiteren Song aufzunehmen um die CD dennoch, aber dann als weitere Demo, zu veröffentlichen. Aus diesem einen Song wurden schließlich zwei und fertig war die Scheibe. Die Suche nach einem Label zur Veröffentlichung stellte sich dann auch als erstaunlich unkompliziert heraus und die Zusammenarbeit mit Atrum Toringi/NON – Salvation läuft bisher erfreulich reibungslos und auf einer durchaus sympathischen Ebene. Die Veröffentlichung an sich mussten wir ein paar Mal verschieben, da sich im Vorfeld wie gesagt zwei Presswerke weigerten, die CD zu produzieren und das Werk, dass die Scheibe letztendlich (fälschlicherweise als ProCDR) herstellte, wiederum das Booklet nicht drucken wollte. So musste Siegvater von Atrum Toringi/NON Salvation dann noch die eine oder andere Bastelstunde in Kauf nehmen, wofür wir ihm sehr dankbar sind, aber letztendlich hat ja alles geklappt.“

Wir sprechen im Weiteren über die Bedeutung des Titels des aktuellen Werkes „Ascheregen“. Dorn erläutert hierzu:

„Die Symbolik des Ascheregens begleitet uns seit einer langen Zeit. Das Cover unserer 2006er Demo-Platte ziert eine Landschaft, über der Ascheregen niedergeht, ebenso ist unsere Internetadresse seit jeher www.ascheregen.de. Ascheregen ist etwas Übernatürliches und unglaublich Machtvolles. Wer einmal in Pompeji war, vermag gut nachzuvollziehen, welche gewaltige Zerstörungskraft von diesem Naturphänomen ausgeht. Während die Menschheit auf eine himmlische Erlösung wartet, im Rahmen von „alles Gute kommt von oben“, bietet ein gepflegter Ascheregen eine gute Möglichkeit, sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Auf der anderen Seite geht bei großen Bränden ebenfalls Ascheregen nieder; Ascheregen steht für uns quasi stellvertretend für das, was nach einem alles vernichtenden, reinigendem Feuersturm bleibt; die Flocken fallen lautlos auf die geschwärzte Landschaft und bergen den ganzen Schmutz und die Zerstörung gnädig unter einem grauen Leichentuch. Übrig bleibt Stille, reine Stille und Frieden kehrt ein, wenn alles Störende, Verhasste, Dumme, alles, was uns Tag für Tag erzürnt, beseitigt ist und nur noch Asche bleibt, die der Wind langsam verweht. Das Motiv des Ascheregens korreliert also mit der Sehnsucht nach dieser absoluten Stille, die sich auch in einer Vielzahl der Songtexte widerspiegelt.“

Das Frontcover für „Ascheregen“ haben Hader selber erstellt, da sie solche Sachen – genau wie die Aufnahmen ihrer Lieder – nicht gerne aus der Hand geben, um sich nicht auf jemand anders verlassen zu müssen. Dorn erzählt zu diesem Kontext:

„Wir haben uns bewusst für eine Synthese aus einem klassischen Vanitasbild und christlicher Symbolik entschieden, was jetzt nichts mit mangelnder Originalität oder Kreativität zu tun hat, sondern die Bedeutung von „Ascheregen“ sehr gut verbildlicht. Auch wenn es recht plakativ und abgenutzt wirken mag, einen Schädel vorne auf einer CD abzubilden, so veranschaulicht das Motiv doch den Charakter der Musik und die Thematik unserer Texte und ist daher durchaus überlegt zustande gekommen.“

Musikalische Ziele haben sich bei den Aachener Spitzenkönnern weder entwickelt oder verändert, so Dorn.

„Es stand für uns von vorneherein fest, dass wir Black Metal spielen wollen; einfach um diese Musik, welche wir lieben und welcher wir viel zu verdanken haben, selber ausüben und kreieren zu können. Musikalische Interessen sind natürlich bei jedem anders und entwickeln sich selbstverständlich auch immer weiter. Es wäre jetzt hier wohl eher weniger konstruktiv die bevorzugten Bands der einzelnen Bandmitglieder aufzuzählen, daher kann man es wohl bei dieser Antwort belassen.“

Die Aufnahmen zu „Ascheregen“ fanden im gruppeneigenen Proberaum statt, um alles möglichst selbst machen zu können, wie ich erfahre. „Da wir zu beginn der Aufnahmen quasi gar keine Erfahrung mit solchen Dingen hatten, entpuppte sich das Ganze als ein recht schleppender Prozess. Erst als sich mit der Zeit eine gewisse Routine im Umgang mit dem Programm, mit dem wir arbeiten, einstellte, kamen wir zügiger voran. Zurückblickend war es schon recht mühselig, da immer wieder Kleinigkeiten auffielen und verbessert werden mussten und das ganze Unternehmen scheinbar kein Ende nehmen wollte. Zwar ist es ein gutes Gefühl am Ende auf das fertige Resultat blicken zu können – aber der Weg war kräftezehrend. Allerdings haben wir wertvolles Wissen sammeln können, um bei den nächsten Aufnahmen anders beziehungsweise besser arbeiten zu können“, so Dorn mit dem Brustton der vollen Überzeugung, und er fügt dem an: „Vom heutigen Stand aus würden wir ein paar Dinge anders machen, Aber das nötige Fachwissen steht uns, wie vorher beschrieben, erst jetzt zur Verfügung, so dass wir mit dem Ergebnis unserer Arbeit durchaus zufrieden sind.“

Einflüsse zu beschrieben ist für den Stimmbandquäler laut eigener Aussage immer sehr schwer. Doch er verrät mir:

„Da jeder der Musiker seine Ideen bei uns mit einbringt, sind die Quellen der Inspiration natürlich auch recht weit gefächert. Wichtig für uns ist, nicht wie eine Kopie einer anderen Band zu klingen, sondern einen eigenständigen Stil zu entwickeln. Diesen Anspruch erhebt zwar wahrscheinlich 90 % der „Metalszene“ für sich, aber das ist ein Thema welches jetzt hier nicht zur Diskussion steht. Selbstverständlich hat jeder von uns Bands oder Lieder die er „liebt“ und die ihn bewusst oder unbewusst beeinflussen, diese Einflüsse schweben aber nicht als „Vorbilder“ über der Band und der gemeinsamen Musik. Gemeint ist, dass wir einfach machen, was wir lieben und uns daher nicht krampfhaft verbiegen wollen um zu einem vorbestimmten Ergebnis oder zu einem abgesteckten Ziel zu kommen. Wir lassen die Musik sich selber entwickeln, selbst wenn dann ein Riff ganz und gar nicht nach Black Metal klingen sollte. Dieses aufgrund dessen zu verwerfen würde den Song im Endeffekt nur „beschneiden“.“

Ich frage anschließend nach, worum genau sich die neuen Liedtexte von Hader so drehen.

Und gemäß dazu Bezug nehmendem Statement von Dorn haben sich die Lyriken inhaltlich nicht großartig verändert. Er expliziert zu diesem Kontext:

„Wir behandeln seit jeher ähnliche Themen. Die meisten Texte stellen alle in sich abgeschlossene, zum Teil autobiographische Geschichten über das Erleben und die Gefühlswelten von verschiedenen Individuen dar, wobei wir nichts idealisieren oder propagieren, sondern einfach nur darstellen. Die Texte sollen dem Hörer Raum für eigene Interpretationen und Gefühle lassen. Das ist es, worum es bei der ganzen Sache unserer Meinung nach geht: Gefühle und Emotionen zu vertonen. Es ist uns wichtig, dass wir hinter unseren Texten stehen können und wir diese nicht mit irgendwelchen Klischees belegen, um uns ein wie auch immer geartetes Image zu kreieren. Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sie besteht aus unendlich vielen Graustufen. Diese Graustufen zu beleuchten ist unser Anliegen. Das Interesse an den lyrischen Themen stammt daher, dass wir uns mit offenen Augen in unserer Welt bewegen. Das Zunehmen der sozialen Kälte in unserer Gesellschaft, die vielen kleinen, unbeachteten Tragödien, die sich Tag für Tag unbemerkt in unserer Welt ereignen, die Lügen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden, etc. schüren den Zorn in uns und bringen die Ideen für neue Texte. Man könnte unsere Texte also durchaus als gesellschaftskritisch bezeichnen, was aber eigentlich nicht unbedingt unsere Intention ist.“

Bisher sind Hader recht wenig live in Erscheinung getreten, wie sich herausstellt.

So hat die löblich aufrechte Schwarzmetallhorde bislang nämlich nur ein paar Konzerte in ihrer Heimatstadt Aachen gespielt, wie von dem Frontmann zu erfahren ist.

Und sie hatten dabei laut Meister Dorn das Glück, sich beim „Ketzerfest“ die dortige Bühne sogar mit einigen namhafteren Bands des Metiers teilen zu können.

„Die Resonanzen waren fast ausschließlich positiv. Für dieses Jahr sind auch noch ein paar Sachen geplant, jedoch legen wir auch keinen großen Wert darauf jedes Wochenende irgendwo auf der Bühne zu stehen. Wir beschränken uns eher auf einige wenige, dafür ausgewählte Auftritte im Jahr.“

Für das aktuelle Jahr 2008 haben sich diese Aachener Schwarzmetaller demnach auch sonst keine hohen Ziele gesteckt

Der ambitionierte Vokalist gibt abschließend noch zu Protokoll:

„Wir werden weiterhin zusammen Musik machen und neue Songs schreiben. Davon abgesehen haben wir die Idee zu besagter Split-CD wieder aufgegriffen und auch eine Band gefunden, mit der wir diese veröffentlichen wollen. Genauere Infos dazu werden wir auf unserer Homepage „www.ascheregen.de“ (welche übrigens gerade komplett umgestaltet und überarbeitet wird) in Zukunft preisgeben, aber wir wollen noch nicht zu viel verraten. Ansonsten arbeiten wir an den letzten Songs für das geplante Album, welches dann hoffentlich nächstes Jahr 2009 erscheinen wird. Konkrete Ziele oder Termine haben wir uns allerdings auch dazu nicht gesteckt. Durch den entstehenden Zeitdruck könnte zum einen die Qualität unserer Arbeit eventuell beeinträchtigt werden, zum anderen sind wir nicht die Art von Menschen, die in der Zukunft leben. Wir konzentrieren uns auf das Hier und Jetzt. Und wenn eine neue Platte fertig ist oder ein Konzert ansteht, dann ist es eben so. Wir sind da flexibel.“

© Markus Eck, 16.06.2008

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