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Interview: FORLORN
Titel: Zermürbende Zukunftsvisionen

Als überlegene Viking Metal-Kriegerschaft verschafften sich Forlorn bisher einen hervorragenden Ruf unter Kennern.

Die Band blähte durch ihre mitreißenden, dramatischmelodischen und übermächtigen Kompositionen so einige feindliche Christensegel mit einer frischen und steifen Brise donnernden Nordwinds auf, sodass hektisch abdrehende Schnellboote daraus wurden.

Mit ihren bisherigen Veröffentlichungen, dem wirklich überwältigenden selbstbetitelten 1997er Debütminialbum sowie den Alben „The Crystal Palace“ und „Opus III: Ad Caelestis Res“ konnten sich Anhänger hartepischer und opulenter Nordstahlsymphonien drei echte norwegische Edelperlen in die Sammlung stellen.

Nun holen Forlorn zum vierten Schlag aus und schleudern einen enorm schnittigen Silberdiskus namens „Hybernation“ ins mentale Universum ihrer Fans.

Dort wird diese rotierende kleine Flachscheibe ihren riesengroßen musikalischen Inhalt bestmöglich mit aller Macht entladen können.

Denn auch „Hybernation“ ist von hochrangiger kompositorischer Relevanz, welcher man sich einfach nicht verschließen kann.

Dass ich dementsprechend massiv in den betörenden Bann des neuen Albums seiner Truppe gezogen wurde, kam auch Drummer S. Winter zu Ohren.

So kontaktierte er mich, was nachfolgend einen überaus erfolgreich geglückten Andockversuch zweier von musikalischer Leidenschaft restlos erfüllter Dunkelseelen ermöglichte.

„Freut mich, dass dir unsere neue Scheibe so gut gefällt. Die von dir angesprochene, darauf zu hörende musikalische Weiterentwicklung vollzog sich ganz natürlich, ohne irgendwie bewusst darauf eingewirkt zu haben. Nach unserem letzten Album `Opus III: Ad Caelestis Res` geschahen einige verblüffende Dinge in und um die Band, so dass wir geschlossen spürten, in welche Richtung unsere neue Musik gehen wird“, leitet der versierte Trommler unsere spirituelle Verknüpfung ein.

Etwas stilistisch beziehungsweise lyrisch Definitives war jedoch zuvor keinem in der Band bekannt, wie der Schlagzeuger weiter darlegt.

„Wir ließen es einfach geschehen. `Opus III: Ad Caelestis Res` war die letzte Veröffentlichung, welche eine konzeptionelle Verbindung zu dem Wikingerthema aufwies, das haben wir nun hinter uns gelassen. All die neuen Stücke auf `Hybernation` sind in irgendeiner Weise miteinander verbunden. Wir haben eine Art Konzeptalbum, jedoch kein direktes Konzeptwerk kreiert, mit dem wir sehr zufrieden sind.“

S. Winter schiebt die Bedeutungserklärung des neuen Albumtitels nach.

„`Hybernation` ist die Verknüpfung der Worte `Hyper`, `Hibernation` und `Nation`. Der Titel selbst soll aussagen beziehungsweise veranschaulichen, dass die Welt sich ständig in allen Belangen verändert und sich dabei technisch weiterentwickelt. Doch wenn man aufmerksam ist und genauer hinsieht, stellt man unweigerlich fest, dass die gesamte Menschheit schon seit längerer Zeit einem emotionalen wie auch kulturellen Entwicklungsstillstand unterzogen scheint, der sich durch verschiedene Phasen bis zu seinem vorläufigen Ende vollzog.“

Exakt. Mit solcherlei zeitkritischen Statements ist S. Winter bei mir genau, aber ganz genau an der richtigen Adresse. Wir erinnern beziehungsweise vergegenwärtigen uns: So genannte „Moderne Kunst“, oftmals nur noch aus lächerlichen Farbklecksspielen bestehend, löste die damaligen genialen Pinselmeister ab.

Zeitlos schöne klassische Musik wie beispielsweise von Mozart, Bach, Beethoven oder Vivaldi kriegt heute niemand mehr zustande, dafür serviert man der Jugend mittlerweile unerträgliche Rap- und HipHop-Rezitativ-Entartungen. Einstmals große Lyriker mussten neuen unbedarften Wortvergewaltigern und Schmierfinken Platz machen und dergleichen mehr.

Obwohl die Menschheit sich im Laufe der Zeit immer mehr Kommunikationsmöglichkeiten schuf, haben sie sich doch simultan dazu immer noch weniger zu sagen, leidet also auch die Seelen belebende Ehrlichkeit und die Einsatzfreude des gesprochenen Wortes auf unserem Planeten.

Doch nun schnell zurück zu Forlorn und dem lyrischen Inhalt von „Hybernation“. S. Winter bringt ihn mir gerne näher.

„Die hauptsächliche Bedeutung der neuen Songtexte fußt auf einer schrecklichen Vision. Davon, was vielleicht mit dem Menschengeschlecht nach dem Ablauf einiger folgender Generationen geschehen wird. Werden wir eines Tages als willen- und seelenlose Kreaturen, die mehr Sklaven als eigenständige Individuen sind, den Bedarf als fügsame Laborobjekte für machthungrige Gleichschaltungsziele befriedigen? Keine Gefühle, keine emotionale Wahrnehmungsfähigkeit mehr aufweisen? Dienen oder bedient werden?“

Ganz bestimmt vollzieht sich Ersteres. Die Machtapparate der Erde steuern unter erfolgreicher Verschleierung ihrer wahren Beweggründe die Menschheit genau darauf zu, wie man ja seit einigen Jahrzehnten nicht nur in den korrupten Massenmedien, sondern auch ganz real beobachten kann. Der Schlagzeuger legt nach:

„Daneben geht es auf `Hybernation` wie immer bei Forlorn um dunkle Momente humanen Erlebens, Gedankenimpressionen zwischen Leben und Tod und menschliche Miseren. Die lyrischen Thematiken auf dem aktuellen Album beziehen ihre Authentizität dieses Mal jedoch größtenteils aus dem realen Leben. Keine heidnischen oder astralen Gottheiten also, welche die neuen Forlorn-Lyrics dominieren. Sondern viel eher mehr Erdenverbundenheit diesmal, könnte man sagen.“

Kreative Klang-Inspirationen holen sich Forlorn glücklicherweise von einer Vielzahl an Musikarten, wie ich zudem noch von dem cleveren Stockschwinger erfahre.

„Alle fünf Bandmitglieder werden von einer Unzahl an den verschiedensten Bands inspiriert. Das geht bei uns von grimmigstem Black Metal über Rockmusik der 1980er bis hin zu einigen Non Metal-Bands. Genau das ermöglicht uns als Gruppe eine große und vorteilhafte klangliche Bandbreite, welche uns weit über den musikalischen Einheitsbrei hinüberhebt.“ Den wird hier auf „Hybernation“ niemand serviert bekommen. Garantiert.

© Markus Eck, 21.10.2002

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