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Interview: FIDDLER’S GREEN
Titel: Ganz individuell

Wenn man als Band ganze drei Dekaden treu dem ureigenen Stil frönt, ergibt sich die Legitimation für ein Coveralbum wie „3 Cheers For 30 Years“ von selbst.

Und so zelebrieren die quirligen Speedfolker einmal mehr die pure, unverfälscht-dynamische Lebensfreude! Zum 30-jährigen Bandjubiläum spendieren Fiddler’s Green sich und ihren Fans eine erlesene Kollektion der traditionsreichsten Irish Folk-Songs - und das sogar im fetzigen Punkrock-Outfit!

Wie Bassist Rainer Schulz, Gründungsmitglied, Labelbetreiber und Booker berichtet, reiht sich für ihn vom eigenen Gefühl her mittlerweile regelrecht ein Jubiläum ans andere. „Und es ist immer wieder auch für uns selbst erstaunlich wie wir uns aus diesem chaotischen Haufen der Anfangstage zu so etwas Langfristigem entwickeln konnten.“

Die Idee zu neu vertonten Gassenhauern von der grünen Insel entstand nicht erst vor einigen Monaten, so ist zu erfahren:

„Es gab bereits seit den allerersten Sessions bei uns schon immer eine Auswahl an Klassikern an die wir uns nicht herangewagt hatten. Zum einen aus Respekt, zumeist aber da es vor uns schon eine sehr große Menge an anderen Künstlern getan hatten. Wir dachten immer ‚wer braucht denn da jetzt noch die 1.000. Interpretation dieses Traditionals‘. Zu unserem Dreißigsten haben wir uns dann allerdings das Ziel gesetzt, genau diese Frage dadurch zu beantworten, dass wir unsere eigenen Fiddlers-Versionen der Klassiker aufnehmen - die dadurch sehr wohl eine Existenzberechtigung erfahren.“

Die musikalische Bandbreite der alten Helden wurde strikt ‚traditionell‘ gezogen.

„Wir haben ja praktisch einzig Traditionals aufgenommen. Da gab es dann eine Menge Interpretationen anderer Musiker - aber ein Original im eigentlichen Sinne existiert nicht. Somit war die musikalische Spanne einzig unsere eigene Version. Nur bei ‚The Galway Girl‘ - es ist nicht der Song von Ed Sheeran sondern von Steve Earle - gibt es das Original und gleich mehre recht erfolgreiche Coverversionen. Hier und bei den verschiedenen Versionen der Traditionals haben wir uns jeweils inspirieren lassen und zusammen mit unserem eigenen Speedfolk die Fiddlers Versionen entstehen lassen.“

Auswahl und Auslese der enthaltenen Coverversionen für die finale Tracklist ging ganz demokratisch vonstatten, bilanziert Rainer. „Wir haben uns im Januar getroffen und jeder hat seine eigene Liste an möglichen Songs mitgebracht. Wir haben dann alles zusammengeworfen und dabei überlegt wie wir jeweils eine einzigartige Fiddlers-Version kreieren könnten. Am Ende blieben dann einige mehr übrig als wir schließlich tatsächlich auf das Album gepackt haben. Im Lauf der Zeit ergab sich eine passende Zusammenstellung.“

Das Einspielen im Studio hat der Tieftöner als etwas ganz Besonderes erlebt, erinnert er sich. „Es ist schon was anderes, ob man an völlig eigenen, noch unbekannten Songs arbeitet, oder sich Klassikern widmet, die es bereits teilweise mehr als hundert Jahre gibt. Man weiß da schon wohin die Reise geht. Das ist bei den eigenen Sachen manchmal ganz anders, da sich einige Wendungen erst beim Recorden ergeben.“

Der größte Reiz lag für ihn im Versuch, so Rainer, aus recht verstaubten und sehr oft interpretierten Stücken etwas neues, kraftvolles und modernes zu machen.

„Bei traditionellen Stücken hat man auch nicht zu sehr die Versionen anderer im Ohr. ‚The Wild Rover‘ und ‚Whiskey In The Jar‘ haben allerdings in der Vergangenheit jeweils Interpretationen erfahren, welche praktisch jeder kennt. Da ist es dann etwas schwerer sich davon frei zu machen“, wird grinsend postuliert.

So liegt die größte Stärke besagter Traditionals laut Einschätzung des Bassisten immer darin, dass sie als Songs bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich sind oder waren.

„Die Schwierigkeit besteht dann darin, keine beliebige Version aufzunehmen sondern etwas ganz eigenes zu schaffen. Die Messlatte für uns lag dadurch natürlich hoch - aber auf der anderen Seite ist und bleibt ein guter Song immer ein guter Song.“

Seine ganz persönlichen Favoriten der Lieder auf „3 Cheers For 30 Years“ kann er nicht präzisieren. „Das wechselt nämlich immer ein wenig. Ich bin, obwohl das sonst nicht so meine Art ist, diesmal fast für die langsameren Songs. Normalerweise muss bei mir immer eher ein Fass aufgemacht werden - aber hier gehören die Balladen zu meinen Favoriten.“

Befragt, was genau eigentlich thematisch hinter den „3 Cheers“ steckt, verdunkelt sich die Miene des Mannes schlagartig. „Der Albumtitel steht für eine Erweiterung des Begriffs ‚Dreimal Hoch‘, aktuell auf unser dreißigjähriges Jubiläum. Dafür sollten dann auch diese wörtlich übersetzten drei Hochs sein: unsere Akustiktour, der Festivalsommer mit unserem eigenen Shamrock Castle Festival und die große Hallentour im Herbst. Wie man aber leider mittlerweile weiß, konnte nichts von alldem stattfinden.“ Mehr: „Durch die Corona-Maßnahmen sind wir als Liveband praktisch arbeitslos. Unsere Haupteinnahmequelle waren und sind die Livekonzerte. Und wenn die wegfallen wird es ein wenig schwierig.“

Im Zuge genannter Umstände nährte sich die Idee zu einer - ganz speziellen - Crowdfunding-Kampagne.

Rainer: „Viele Bands haben etwas ähnliches gemacht um trotz leerer Kassen noch das ein oder andere Lebenszeichen von sich zu geben. Im Grunde ist das bei uns auch so. Nachdem schließlich auch die Herbsttour verschoben werden musste, haben wir uns diese Aktion als letztes Überbleibsel des Jubiläumsjahres ausgedacht. Mit jeder Menge sehr individueller Fanpakete. Sehr wichtig war uns hierbei auch, dass wir nicht die üblichen Fanboxen aus Nahost anbieten, sondern handgefertigte, wertige und nachhaltige Dinge. Es ist ja völliger Quatsch, wenn beispielsweise eine Fahne einmal um die halbe Welt reist - um dann am Ende in einer Blechdose verkauft zu werden.“

Auf der Facebookseite der Fiddlers kann man sehen, wieviel Fantasie und Engagement die Formation dieser Crowdfunding-Kampagne zukommen lässt. „Es ist sehr geil zu sehen, dass unsere Fans genau die Dinge würdigen die wir hier ausgesucht haben. Und es macht uns sehr stolz, dass wir diese Fans haben! Es ist sehr schön zu sehen, dass wir in Krisensituationen hier diesen großen Zusammenhalt haben. Das hilft uns sehr. Und wir geben es bestimmt mit unseren Konzerten in nächster Zeit auch wieder an Energie zurück.“

Musikalische Weggefährten wie Micha von In Extremo, Thomas von Schandmaul, Eric von Subway To Sally, Alea von Saltatio Mortis oder Vito von J.B.O. sind mit von der spritzigen Partie. „Bei ‚The Drunken Sailor‘ war uns relativ schnell klar, dass wir hier eine Menge Gäste brauchen. Der Song hat sehr viele Strophen und dadurch auch Refrains. Wir haben alle unsere Freunde und Bekannten gefragt ob sie Lust hätten. Und alle waren sofort dabei. Am Ende hätten wir sogar noch mehr mit einbauen können - nur waren keine Strophen mehr übrig“, wird lachend verkündet.

Jeder konnte dabei genau so singen wie er wollte, ergänzt Rainer. „Bei einer weiteren Nummer ist Patty Gurdy an der Drehleier dabei. Wir hatten eh zusammengearbeitet um einen ihrer Songs einzuspielen - ein Weihnachtslied - da lag es nahe dass sie sich auch gleich noch auf unserem Album verewigt.“

Abschließend befragt, ob er im aktuellen Kontext auch noch andere Cover-Alben mit irischen Gassenhauern und Folk Klassikern nennen mag, erfährt man noch: „Die Pogues sind, so glaube ich, diejenige Band, welche die Traditionals bisher am genialsten umgesetzt hat. Vor allem waren sie praktisch die ersten, die sie oft rotzig aber nie respektlos interpretiert haben. In dieser Tradition möchten wir uns auch gerne sehen!“

© Markus Eck, 09.11.2020

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