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Interview: FEUERSCHWANZ
Titel: Im Kontinuum der Wandlung

Als Peter Henrici in Erlangen 1992 seine erste Band The Merlons Of Nehemiah ins Leben rief, stand der Jungmusikus damals einer noch sehr spärlich gepflügten Mittelaltermusikwelt gegenüber. Erste kreative Gehversuche von „Pater Peter“ nahmen hungrig ihren Lauf.

Die Jahrtausendwende brachte den glimmenden Zündfunken, vier noch heißere Jahre später erfolgte offiziell die merlonisch-nehemianische Transformation in Feuerschwanz - die erste, derart gezielt ulkende Mittalterparodie-Truppe überhaupt.

Einigen Stoischen waren sie zwar eine Spur zu humorvoll, doch die fidel feixende Kettenhemd-Gaudi bahnte sich ihren Weg ohne Rücksicht auf das Reinheitsgebot des Genres. Heute, zwei Dekaden später, veröffentlicht die mittlerweile ‚schwermetallisch gepanzerte‘ Combo ihr Jubiläumsalbum „Warriors“, welches altbekannte Klassiker enthält, allesamt hierfür komplett neu aufgenommen, arrangiert etc. - und sogar erstmals mit gänzlich englischen Texten!

20 Jahre Feuerschwanz, wie die Zeit doch vergeht! Viele Honigwein-Monde sind aufgegangen, viel haben die Beteiligten in all den Jahren zusammen übergestanden - wie durchlebte man als tapfer-unerschrockener, dauerdurstiger Hauptmann Feuerschwanz all die künstlerisch abenteuerlichen Eskapaden und tosenden Met-Stürme, werden sich viele aktuell fragen.

Diese Erwägung löst zunächst mal ein schmunzelndes Lächeln beim verschmitzten Oberfeuerschwanz aus.

„Es ist tatsächlich unfassbar, was in den 20 Jahren alles Stürmisches und Abenteuerliches passiert ist. Ein Fun-Fact ist, dass wir die ersten fünf Jahre gar keine Crew hatten - sondern immer stets vor Ort um Mitmusiker geworben haben, um dann letztlich Leute auszuleihen. Ich finde es im Nachhinein noch immer schlicht unfassbar, dass wir so lange ohne richtige Crew zurechtgekommen sind - natürlich ging es so mehr schlecht als recht.“



Natürlich war der Durst in den Anfängen riesengroß, so ist zu erfahren. „Da steckt tatsächlich Odin dahinter. Ich habe nämlich zu Beginn keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen, sondern mit dem Nordgott - für die Kirche dürfte es jedoch aufs Selbe hinauskommen. Es war massiv feuchtfröhlich.“ 



Dann kamen die größeren Bühnen, was laut dem Hauptmann dazu führte, dass natürlich auch die Professionalität des Haufens anstieg. „Während unser Engagement von Anfang an auf Höchsttouren war, kam die Professionalität erst mit der Zeit so richtig in den Lauf.“

Unsagbar viel ist in der Mittelalter-Rock-Szene und auf der (Musik)Welt passiert seit dem 2005er Debütalbum „Prima Nocte“. „Das erste Album ist mir dahingehend sehr wichtig. Es gab davor sogar eine EP mit acht Songs, welche ich als CDR am heimischen Computer selbst brannte. Danach feilte ich vier Jahre am Debütalbum ‚Prima Nocte’ herum, was eine prägende Zeitspanne für mich markierte. Ich ging mental und kreativ dahingehend immer wieder durch tiefe Täler und zweifelte nicht selten an mir selbst, fragte mich, ob ich das überhaupt schaffen könnte. Zum Glück halfen mir befreundete Musiker von Fiddler’s Green und meiner vorherigen Band Merlons Lichter, was mich heute noch sehr freut. Bis es 2005 dann endlich das Album gab, erlebte ich krasse Höhen und ebensolche Tiefen. Ein weiterer, mir sehr wichtiger Punkt ist das Album ‚Walhalligalli‘ - es ist zwar schlussendlich nicht so gut geworden, wie wir uns das erhofft hatten, aber stellte eine tiefgehende Erfahrung dar, was die eigenen Anstrengungen zur Weiterentwicklung angeht. Wir wollten mit dem Kopf durch die Wand, es ‚musste‘ einfach ‚gut werden’, was der Scheibe leider nicht ganz die angestrebte Klasse und den erhofften Erfolg ermöglichen konnte. So eine Denke kann zu Verkrampfung führen, weswegen derlei bei uns nicht wiederholt wurde.“

„Das elfte Gebot“ läutete eine neue Feuerschwanz-Ära ein, so der Hauptmann weiter. „Ein immens wichtiges Album in unserer Historie. Das war sozusagen unser ‚Schritt in den Metal‘, da wurde Vieles beschlossen und ausgeführt - definitiv unser Einstieg in den Folk Metal. Damit begannen wir, an unserem heutigen Soundcocktail aus Fantasy, Metal, Folk und Gelage. Die Energie hat sich damit begonnen aus uns zusammen heraus zu prägen.“

Bei Bandgründung war kein Gedanke in ihm, 2024 dereinst ein so kerniges und souveränes Werk wie „Warriors“ am Start zu haben, lässt er wissen.

„Nein, daran hätte ich wirklich nicht gedacht, nicht mal im Traum. In der Kern-DNA von Feuerschwanz hatte ich den Folk natürlich im Sinn, über die Jahre würzte ich dann Rockmusik mit ein wenig ‚Manowar-Energie’ rein. Letztendlich ist ‚Warriors‘ die perfekte finale Ausführung der weiterentwickelten Band-DNA. Ich finde unsere eigene Entwicklung ehrlich gesagt unfassbar - aber alles dauerte ja mehrere Zyklen der Entwicklung, bis wir auf diesem Niveau waren, 2024 ein Werk wie ‚Warriors‘ raushauen zu können. Für mich ist es sinnbildlich eine weitere Zwiebelschale, die es fortlaufend zu entwickeln gilt - á la ‚Was ist eigentlich mit anderen Planeten, gibt es da eigentlich auch Metalfans?“ [lacht]

Welche Umstände und Ideen sowie Inspirationen letztlich dazu führten, zum Jubiläum erstmalig Lieder in Englisch zu kreieren, darüber kann man viel spekulieren. Hier gibt es die Fakten - und es hat natürlich mehrere Gründe, wie berichtet wird.



„Wir hatten ja bereits zwei Bonusalben, darunter auf ‚Memento Mori‘ mit teils englischen Songs, also Coverversionen. Wir lernten, wieviel Spaß uns das machte. Ich hatte es tatsächlich die letzten 20 Jahre nicht auf dem Schirm, wie geil es eigentlich ist, in Englisch zu singen. Und wir mühten uns einzig mit dem Deutsch ab! Es war eine nachhaltig prägende Erfahrung. Der Flow, den das Englische bringt, gefällt mir schon sehr. Nichts gegen meine Muttersprache, aber das hat schon was. Zum anderen entwickelte es sich bei uns durch die Hinwendung zum Metal mit der Zeit so, dass deutlich ein englischsprachiges Publikum auf uns als Band aufmerksam wurde. Da denen durch rein deutsch besungene Lieder nur circa 60 bis 70 Prozent unserer Energie verständlich gemacht werden konnte, war die Überlegung hin zu englischen Texten nur natürlich. Wir wollen damit den vielen neuen Fans in internationalen Gebieten auch ein Dankeschön sagen und freuen uns auf unsere globale, farbenfrohe musikalische Zukunft.“

Die Überraschung ist ihnen geglückt, „Warriors“ bietet einen völlig neuen Song: „The Unholy Grail“! Wir erfahren dazu direkt Tiefgründiges: „Das Lied ist vor allem für mich sehr speziell. Im Privatleben neben der Band bin ich ja Psychotherapeut. Und der Künstler in mir und der Psychotherapeut waren tatsächlich schon immer ein wenig auf der Suche nach sich selber, nach der jeweils eigenen Identität. Dies kostete mich sinnbildlich gesagt sehr viel Zeit, Blut, Schweiß und Tränen, aber ich sehe es letztlich als meinen eigenen Lebensauftrag. ‚The Unholy Grail‘ trägt daher viel an autobiografischen Zügen in sich. Dass es bei uns natürlich ein ‚unheiliger‘ Gral ist, liegt daran, dass sowohl ich als auch unser Hodi jedes Kreuz in einer Kirche am liebsten überzeugt umdrehen würden. Die Organisation Kirche ist uns ein Gräuel. Natürlich gibt es viele gute Pfarrer und Seelsorger darin, doch die Organisation Kirche hat unsagbar viel Leid in die Welt gebracht, weil Politik und Glaube verbunden wurden - das alles steckt auch in ‚Unholy Grail‘ drin. Heute leben wir in einer Zeit, in der Politik und Glaube nicht mehr verbunden sind, und es funktioniert trotzdem nicht.“

© Markus Eck, 14.04.2024

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