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Interview: EWIGHEIM
Titel: Sperrt den Frohsinn weg!

Das Vorgängeralbum „Bereue nichts“ verdunkelte letztes Jahr so manche schräg baumelnde Querdenkerpysche beschwerend mit nachhaltiger morbider Tristesse.

Nun schieben die manisch sarkastischen Gothic Dark Metal-Entertainer um den beschwörenden Gruftbarden Allen B. Konstanz den inhaltsschweren „Nachruf“ hinterher. Diese neue und vierte Liederkollektion im Albumformat zeigt den suizidalpoetischen Verzweiflungssound des in allen Belangen abgründig wirkenden Quartetts in erwartungsgemäß gefräßig verzehrender Manier. Böse Rammstein-Lyrik gibt es inklusive.

Musikerseele und Produzententalent Markus Stock, wie in seiner Hauptcombo The Vision Bleak auch hierbei als Schwadorf präsent, sorgt als Gitarrist erneut für so manchen unheimlichen Wonneschauer.

Auch Gitarrist und Songtexter Ronny Fimmel dehnt unter seinem besser bekannten Künstlernamen Yantit erneut die Stahlstränge seiner liebsten Sechssaitigen.

Der „aufgeklärten“ Außenwelt an sich hat dieser allzu menschlich gebliebene Gegenwartsflüchtling nach wie vor nichts zu sagen, wie er wissen lässt.

„Vielen Dank für die wirklich sehr schöne Frage. [lacht ] Der ,Menschheit‘ habe ich nichts mitzuteilen und kann es auch gar nicht. Wie du bereits so schön formuliert hast: Sie ist ja schon verdorben und besteht hauptsächlich aus Dummbatzen … das wäre so, als wenn man aus Darkthrone plötzlich wieder Black Metal oder aus dem ,Wacken‘ ein Festival, bei welchem es um die Musik geht, machen wollte. Unser Nachruf richtet sich an eine Handvoll Menschen mit einem eigenen Gehirn und einem Herzen in der Brust.“

Yantit bedauert im Weiteren merklich, dass es, im Gegensatz zum vorherigen Langspiel-Release von Ewigheim, diesmal keine ausgekoppelte Single geben wird.

„Das liegt darin begründet, dass die ,Dürrer Mann‘-Single leider nicht das erhoffte Interesse hervorgerufen hat. Im Gegenteil, für einen kurzen Moment hatten wir sogar Zweifel daran, ob nach der langen Pause überhaupt noch Interesse an Ewigheim besteht. Zum Glück wurden wir eines Besseren belehrt. ,Bereue Nichts‘ hat gezeigt, dass es noch genug Leute gibt, die sich eine Platte kaufen und deren Unterstützung über das Herunterladen einzelner Lieder oder ein flüchtig riskiertes Ohr bei Youtube hinaus geht. Aber vielleicht tragen diese Zeilen ja etwas dazu bei, dass es zum nächsten Album wieder eine Single geben wird. Ich liebe diese Dinger und diejenige zu ,Dürrer Mann‘ ist einfach nur großartig.“

Nachfolgend danach befragt, wie er sich derzeit im Innersten fühlt, angesichts der ganzen vollzogenen Arbeit etc. am neuen Album, verfinstert sich seine Miene anfänglich erstmal. Yantit:

„Nicht so gut, aber das hat andere und zum Teil auch private Gründe. Meine Mutter ist vor zwei Jahren (noch viel zu jung) an Demenz erkrankt und jetzt in ein Pflegeheim gekommen. Es ist schon unheimlich, dass ich mit dem Text von ,Was bleibt‘ auf dem Album ,Bereue Nichts‘, in dem es heißt ,…es ist besser zu sterben, als die Reste zu sehen…‘ die Möglichkeit habe, einigen Menschen meine Gedanken mit auf den Weg zu geben und auf der anderen Seite ausgerechnet ihr (meiner Mutter) diesen Ansatz nicht vermitteln konnte. Wir hatten nie ein enges Verhältnis und sie ahnt nicht einmal, dass es Ewigheim überhaupt gibt. Es ist tragisch … jetzt, da ich mir wünsche, sie hätte dieses Problem selbst gelöst, als sie noch in der Lage dazu war, ist es zu spät … und man kann nur noch daraus lernen! Hinzu kommen noch … ich nenne es mal diverse ,Dinge‘. [lacht] Aber schön, dass du nachfragst, auch wenn du sicher andere Antworten erwartet hattest. Ich probiere es einfach noch mal: Das schönste Gefühl stellt sich bei mir ein, wenn ich Musik mache. Also versuche ich, nachdem ein Album fertig ist, so schnell wie möglich an neuen Stücken und Texten zu arbeiten. Die zweite - und im Fall von Ewigheim sehr vordergründige - Art von Gefühlen, sind die, die durch die Reaktionen der Hörer (auf Musik und Texte) bei mir ausgelöst werden. Leider gibt es diese immer nur in kleinen Happen und auch erst nach der Veröffentlichung einer Platte.“

Der weitere Dialog widmet sich der Frage, wie abartig diese vier seltsamen Racker den Release von „Nachruf“ abfeiern werden.

„Wir werden uns zur Feier des Tages aufhängen, aber ich soll ja bei solchen Interview-Gesprächen nicht in der ,wir-Form‘ antworten. [lacht] Also … ich hänge mich auf, ganz im Ernst. Bei den anderen bin ich mir zwar nicht 100%ig sicher, da sie Kinder haben. Das Problem kennst du ja sicher, dann kommen Fragen wie: ,…und wo ist der Papa‘ oder ,…warum hat der Papa‘. Dass will dann auch keiner und man trinkt lieber einen Kakao zusammen. [grinst] Im Prinzip ist es aber ein guter Ansatz für jeden der unser neues Album erwirbt und keine Kinder hat. Man hört sich das Werk an, muss lächeln, hängt sich auf, stirbt glücklich, erspart sich einen Haufen Scheiße und der Nachruf wurde auch schon gesprochen … ja, man hat ihn sogar noch selbst gehört! Aber, um auf die Frage zurück zu kommen … ist das jetzt düster oder abartig?“

Was die Zusammenarbeit im Großen und Ganzen mit den anderen drei Kerlen in der Band angeht, so war dies laut Aussage des schonungslosen Griffbretterers „einfach nur schön“. Mehr:

„Mit Allen B. habe ich im Vorfeld viel geredet, was wichtig war, um bei den Aufnahmen nicht in alte Muster zu verfallen und uns nicht um jedes kleine Detail zu fetzen. Dazu kam, dass wir uns die Zeit im Studio bewusst von anderen Verpflichtungen frei gehalten haben und so wirklich viel davon gemeinsam verbringen konnten. Unser Schwadorf ist in der ganzen Konstellation ein ,Pol für sich‘. Als Produzent steckt er noch mal anders (und wohl auch tiefer) in der Sache. Ich freue mich dann jedes Mal, wenn er endlich zur Gitarre greifen und seinen Beitrag leisten kann. Dann fallen alle anderen Dinge von ihm ab und er ist einfach nur Markus, ein toller Kerl, der es liebt Gitarre zu spielen. Bei Tieftöner West [von der Band Hämatom, auch bei Eisregen live als Basser dabei, A.d.A] ist es ähnlich: Er kommt, ist unglaublich gut vorbereitet, spielt seine Parts ein, sagt: ,…das Endergebnis klingt klasse‘ (was ja auch stimmt), packt seinen Bass ein und fährt schnell wieder nach Hause. Dort legt er sich auf sein Sofa und knabbert Naschereien … einfach weil er so ist … und ja, wir sind eine tolle Band!“

Als dann schließlich die Bedeutung des aktuellen Albumtitels das gemeinsame Thema dominiert, zeigt Yantit zum wiederholten Male aufmerksame Beteiligung.

„Wir haben etwas zu sagen und das sollte (wie bei jeder anderen Band) der Titel einer Platte auch verdeutlichen. Für mich selbst sehe ich in dem Wort ,Nachruf‘ drei Dinge. Zum einen, die eigentliche Bedeutung, zweitens ,jemandem etwas nachrufen‘ (sagen) und drittens, auf sein eigenes Leben zurück zu blicken. Verknüpft man alle drei, ergibt sich mein roter Faden. Das Titelstück geht dann noch mal etwas genauer auf die ursprüngliche Bedeutung ein. Der Gedanke, einen Nachruf an (mir wichtige) Menschen richten zu können, die im Leben offensichtlich zu unwichtig waren, als dass sie einen offiziellen bekommen hätten, macht mich glücklich.“

Wie wird wohl einst der Nachruf auf einen wie Yantit selbst lauten, fragt man sich.

Die Antwort kommt prompt:

„Wieder eine sehr schöne Frage. Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, weil es mir einfach nicht wichtig ist. Vielleicht so etwas wie: ,…er war ein Idiot, aber ein liebenswerter…‘?“

Jetzt wird's gar noch persönlicher: Wie geht ein Mensch wie der Ewigheim-Gitarrist eigentlich mit dem traurigen Thema Tod um? Der legt dar:

„Wahrscheinlich ,positiver‘ als die meisten Menschen (denken würden). Der Tod an sich spielt schon lange keine große Rolle mehr in meinem Kopf und ich finde ihn auch nicht traurig, im Gegenteil. Es ist müßig, mit dem eigenen Schicksal zu hadern, um am Ende vielleicht noch darüber zu verzweifeln. Mir ist es wichtiger, sich im Leben nicht zu quälen beziehungsweise sich nicht quälen zu lassen und meine Energie auf die Suche nach Möglichkeiten des ,schmerzfreien Ausscheidens‘ zu verwenden. Im Prinzip ist das auch schon die Definition von Ewigheim: Man hat 24 Stunden, sieben Tage die Woche die Möglichkeit, dem Elend selbst ein Ende zu bereiten. Und so bitter es für die Hinterbliebenen auch sein mag, sollte man jedem, der diesen Schritt geht, eine solche Entscheidung ebenso freistellen, wie verzeihen.“

Und noch eine ganz spezielle Frage in diese ganz spezielle Richtung: Was glaubt der Mann, was mit ihm nach seinem Ableben dereinst geschehen wird?

Seelenwanderung? Verfaulen? Da gibt es für Yantit nichts lange zu überlegen:

„Verfaulen … wie jedes andere Stückchen Biomasse. An ,Seelenwanderung‘ missfällt mir schon das Wort, weil es so ,Hippie‘ klingt. Und ich bin auch kein Freund davon, alles zu verbrennen. Wenn etwas verfault, setzt es Nährstoffe frei, die anderen Dingen beim Wachsen helfen und sie zum Blühen bringen … das ist doch ein schöner Gedanke“, bringt er lachend hervor.

Wie hoch und ob überhaupt er und seine Ewigheim-Mitmusiker ihre künstlerischen Ziele für das aktuelle Album im Vorfeld gesteckt haben, das juckt den Kerl überhaupt nicht, wie er konstatiert.

„Diese Frage stellt sich nicht, wir sind ja keine Prophecy-Band mehr. [lacht] Wem sollte es nützen, wenn wir ,Kunst‘ machen, die dann 98% der potentiellen Hörerschaft nicht verstehen kann? Im Gegenteil, bei den Texten bin ich eher darauf bedacht, alles so einfach und nachvollziehbar zu schreiben wie möglich, eben um so viele Menschen damit zu erreichen wie möglich. Das klingt jetzt sicher nach einer Sekte … und ja, das sind wir auch.“

Der anschließende Versuch, mit Yantit gewisse Situationen und Stimmungen aufzuspüren, die zu den aktuellen Liedertexten führten, soll erfolglos bleiben.

„Darauf gibt es keine Antwort. Die Ideen zu einigen Texten sind älter als Ewigheim selbst, andere (wie die zum Titelstück oder zu ,Wenn es am schönsten ist‘) sind kaum ein paar Monate alt. Das liegt einfach daran, dass die Texte von jeher auf derselben Grundidee basieren und sich meine Stimmung in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat.“

Gibt es einen oder mehrere Tracks auf dem neuen Ewigheim-Tonträger, die dem düsterherzigen Gesellen ganz besonders nahe am Herzen liegen?

„Nein, nicht wirklich. Gäbe es diese, währen mir andere weniger wichtig und die hätten es dann nicht auf’s Album geschafft. Eine Sache war dann (das ganze Album betreffend) trotzdem komisch und wurde auch während der Aufnahmen erst richtig vordergründig. Als wir damals die ersten Stücke für ,Mord nicht ohne Grund‘ geschrieben haben, hatten wir nur einen Vorsatz, und zwar möglichst zynische und düstere Texte in möglichst eingängige (und trotzdem nicht ,lauwarme‘!) Musik zu verpacken. Ich glaube, dieser Idee sind wir noch nie näher gekommen. Wir haben im Studio lange über dieses Thema geredet und als uns bewusst wurde, dass es so ist, wurde auch immer gezielter darauf hin gearbeitet.“

Mit Alkohol fängt der Gitarrist schon seit Jahren nichts mehr an, wie er bekennt.

„Wann ich das letzte Mal besoffen war? Keine Ahnung … vor etwa fünf Jahren. [lacht] Ich habe mich damals selbst ,trocken gelegt‘, weil ich im Suff wirklich zu einem üblen ,Terroristen‘ mutieren konnte. Mein Zorn hat sich dann auch nicht immer gegen die ,Richtigen‘ gerichtet und ich wollte lediglich, dass die Menschen, die mir wichtig sind, nicht länger unter meinem Verhalten leiden müssen. Das hat geklappt, von daher kann ich dir auch nicht sagen, wann und ob es überhaupt noch mal vorkommen wird. Auf der anderen Seite gibt es auch nichts aus dieser Zeit, wofür ich mich heute schämen oder das ich (nüchtern) nicht noch mal machen würde.“

Vor ein paar Monaten hat Yantit Woodkid für sich entdeckt und ist immer noch total begeistert davon, wie er wissen lässt.

„Etwas vergleichbares zu ihrem ,The Golden Age‘-Album habe ich noch nicht gehört. Die neue Ulver-Platte ,Messe I.X–VI.X‘ gefällt mir sehr und im Moment wächst täglich die Vorfreude aufs’ neue Bethlehem-Album.“ [lacht]

Yantit, worauf freust du dich am allermeisten, was kommende Bühnen-Auftritte angeht? „Ein paar Menschen zu treffen, die ich sonst zu selten oder überhaupt nicht zu Gesicht bekomme. Das klappt bei Ewigheim-Konzerten komischerweise immer. Und natürlich freue ich mich darauf, die neuen Stücke zu spielen … ein altes, welches wir so noch gar nicht aufgeführt haben, wird es dann auch geben.“

© Markus Eck, 13.11.2013

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