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Interview: END OF GREEN
Titel: Die ganz persönliche Melancholie

„A trusted name in selfdestruction since 1992“: Dieses programmatische Bekenntnis prangt auf der Startseite der Internet-Präsenz von End Of Green. Gut gewählt. Denn die schwäbische Band, in Göppingen beheimatet, liefert mit ihrem betont emotionalen und harten Dark Rock immer wieder höchst intensive Melancholiewerke, die tief berühren.

Da macht auch der neueste Album-Output mit dem Titel „Dead End Dreaming“, zwei Jahre nach ihrem letzten Langspieler „Last Night On Earth“, erwartungsgemäß nicht die geringste Ausnahme.

Aus diesem Anlass heraus luden die Band, ihr Label, Produzent Alex Krull samt beauftragter Promotion-Agentur am Samstag, den 28. Mai 2005 eine Handvoll Schreiber ins hügelige Göppingen zu einer ersten Hörprobe des neuen Werkes von End Of Green ein.

Die insgesamt fast sechsstündige Zugfahrt an diesem Tag gestaltete sich für mich wieder mal zu einem einzigen Ärgernis, da die Deutsche Bahn AG noch immer durch obligatorische Verspätungen glänzt.

Nachdem man den Verfasser vom Göppinger Bahnhof abgeholt hat, geht es schnurstracks zum anvisierten Ort des Geschehens.

Veranstaltet wurde das Ganze in einer ehemaligen Soldatenkirche von einst dort stationierten US-Truppen.

Die höllische Hitze an diesem Tag lässt die Anwesenden nur zu gerne in dem einstigen „Gotteshaus“ Zuflucht suchen.

Die Band nahm vollständig in einer Ecke der Halle Platz, welche liebevoll für diese Veranstaltung hergerichtet wurde: Auf einem kleinen zentralen Altar stand beispielsweise die neue CD samt einen Bandfoto, stilecht mit Blumen ausgeschmückt.

Als die neuen End Of Green-Kompositionen dann endlich lautstark ertönen, fällt einem sofort eine neuerdings ganz massiv eingebrachte instrumentelle Härte auf.

„No Coming Home“, „Dead End Hero”, „Speed My Drug”, „Cure My Pain”, „Weakness”, „Sad Song”, „So Many Voices”, „Sickone”, „Farewell Song”, „She´s Wild”, „Drink Myself To Sleep” und abschließend „All About Nothing” drangen leider mit viel zu viel Bässen aus den aufgestellten Lautsprechern. Auffallend war dabei auch, dass es das Quintett sich diesmal nicht nehmen ließ, diverse potenzielle Melodik-Highlights von hoher Eingängigkeit zu erschaffen, darunter die beiden Tracks „So Many Voices” und „Sick One”.

Meine daran anschließende Befragung zur neuen Songsammlung ergibt, dass die Band ihrem fertig gestellten Material laut Aussage von Gitarrist Michael Setzer sehr euphorisch gegenübersteht.

„Wir waren bis gestern noch im Mastersound-Studio bei Alex Krull und haben die Songs heute auch zum ersten Mal in dieser Form gehört. Und wir sind total begeistert von ihnen. Ehrlich gesagt finden wir sie sogar ziemlich geil. Denn wir haben mit `Dead End Dreaming` bewiesen, dass wir nicht auf der Stelle gestanden sind, sondern gleich mehrere Schritte nach vorne gesprungen sind.“

Dem schließt sich Ausnahme-Sänger Michael Huber alias „Michelle Hu-burn”, der im Gegensatz zu seinen Bandkollegen als einziger im Fellbacher Mastersound-Studio während der Aufnahmen übernachtet hat, mit gewohnt tiefer Stimme nur zu gerne an:

„Eigentlich bin ich noch gar nicht wieder da, ehrlich gesagt, denn ich war ja bis gestern noch im Studio am Werken und Abmischen. Es war heute schon auch für mich ein sehr erhebendes Erlebnis, unsere neuen Lieder nun zum allerersten Mal in dieser Form zu hören. Auch ich bin zutiefst zufrieden mit dem Ergebnis.”

Keine Frage also: Auf „Dead End Dreaming“, ihr brandneues Studioalbum, können diese Göppinger Düsterrocker in der Tat verdammt stolz sein.

Denn dieser in jeder Hinsicht enorm emotionale Melancholiker-Diskus zeigt das beständige schwäbische Quintett in ganz bewusst veränderter musikalischer Erscheinung. Und dies, ohne jedoch auch nur ansatzweise Einbußen bereits bewährter Trademarks zu verzeichnen.

Der angestrebte kreative Drahtseilakt ist ihnen also scheinbar mühelos geglückt.

Doch nur scheinbar. End Of Green hatten nämlich laut Michael Setzer ganz schön zu tun damit, um „Dead End Dreaming“ nach ihren Vorstellungen hinzukriegen.

Der sympathische Saitenreißer konstatiert:

„Dieses Mal war es eine ziemliche Gruppenarbeit, die neuen Songs entstehen zu lassen. Mehrere Lieder wurden wie gewohnt von unserem Sänger Michelle im Alleingang geschrieben, einige auch von mir und den Rest erstellten wir anderen gemeinsam. Ich kann daher zu den Songtexten beziehungsweise ihren Botschaften und Bedeutungen leider nicht allzu viel ins Detail gehen.“

Und ehrlich gesagt möchte der Gitarrist das auch gar nicht, wie er vorgibt.

„Ich persönlich mag es nämlich überhaupt nicht, wenn Bands ihre Texte ganz genau erklären. Es ist doch etwas Schönes, etwas Faszinierendes, wenn man die Lyrik eines Liedes, welches man mit großem Genuss hören kann, je nach Tagesstimmung und seelischer Verfassung immer wieder aufs Neue anders interpretieren kann. So werden zumindest meine Lieblingssongs auch niemals langweilig“, verdeutlicht der Gitarrist zu Beginn des Gespräches seine Auffassung zur scheinbaren Erklärungsnot, in welche viele Künstler von neugierigen Journalisten immer wieder gebracht werden.

Der Neonrotbärtige ergänzt mit besonnener Stimme: „Sagen wir es mal so: Auch auf unserem neuen Album drehen sich die Songs wieder um die ganz persönliche Melancholie. Ich würde es jedoch weniger als verarbeiteten Weltschmerz bezeichnen, worüber es bei uns geht. Eher um all die Probleme und Sorgen, die wir alle im stillen Kämmerchen mit uns selbst ausfechten müssen. Und dabei steht vordergründig die Verzweiflung über die Erkenntnis des eigenen Scheiterns. Traurig stimmende weltpolitische Zusammenhänge haben bei End Of Green jedenfalls nichts zu suchen. Nehmen wir doch mal `Speed My Drug`: Man würde uns unrecht tun, wenn man das Stück nun als Drogenhuldigung abqualifizieren würde. Wir wollen vielmehr damit zum Ausdruck bringen, dass Lebens-Geschwindigkeit an sich in den letzten Jahren vermehrt zu einer allgemeingültigen Droge geworden ist – und das in jeder Gesellschaft und in jedem einzelnen Leben. Ständig muss alles nur noch schneller gehen. Nach dem Motto: Am besten immer bunter, immer lauter und immer mehr.“

Gute Stichworte: Schnell ist der schwäbische Axtschwinger laut eigenem lachenden Bekunden dabei, hitzköpfig zu werden. Und eher langsam ist Michael in der Regel dabei, gewisse Dinge zu erledigen, wie er bekennt:

„Doch eigentlich hat sich glücklicher Weise insgesamt schon ein Bewusstsein in mir manifestiert, dass der goldene Mittelweg noch immer der beste ist. In allem. Hin und wieder muss man jedoch explodieren, um Dampf abzulassen. Denn letztendlich bin ich auch `nur` ein Mensch, der hin und wieder Fehler macht. Wichtig ist mir dabei, dieselben Fehler nicht öfter zu machen. Hält man sich daran, lebt man doch gar nicht mal so schlecht.“

Die neue End Of Green-Komposition „Drink Myself To Sleep“ hat es ihm auch ziemlich angetan, wie Michael im Gespräch fortfährt:

„Der Songtitel ist ja ohnehin sehr aussagekräftig. Es geht in diesem Lied darum, wie man doch so oft ins Bett zum Schlafen geht und dabei viel zu viel Unverarbeitetes im Kopf hat und deswegen nicht zur Ruhe kommt. Viele greifen aus diesem Grund immer wieder zum Alkohol. Ich kam mit dem Songtitel an, und Michelle hat sich dann seine Gedanken dazu gemacht und die Textzeilen verfasst. Er neigt ja bekannter Weise immer dazu, eher persönliche Erfahrungen als frei Erfundenes in seine Lyriken einfließen zu lassen. Und das hat er gut drauf. Denn letztendlich weiß außer uns am Ende keiner so genau, worüber er nun genau singt. Meistens nicht mal wir. Denn all seine Texte für End Of Green sind frei interpretierbar, was uns, wie anfangs schon von mir angesprochen, auch sehr wichtig ist. Wir haben jeder in der Band ein anderes persönliches Bild von unseren Texten, aber letztlich immer in ungefähr derselben Schnittmenge. Und das muss auch unbedingt so bleiben.“

Wenn ihre neue Platte nun endlich in den Shops steht, fällt dem dunkelhaarigen Gitarristen ein riesiger Stein vom Herzen, wie er mitteilt.

Denn trotz aller großen Freude, die die Jungs beim Einspielen von „Dead End Dreaming“ im Mastersound Studio von Alex Krull hatten, war es doch zum Schluss hin ziemlich stressig, alles nach Plan laufen zu lassen.

„Wir sind in diesem speziellen Punkt nämlich sehr leidenschaftlich. Auch wenn es uns immer mal wieder an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt. Unser letztes Album `Last Night On Earth` erschien vor circa zwei Jahren, also 2003. In der Zwischenzeit staute sich bei uns eine Unmenge an Songmaterial an. Wir feilten lange an den Songs herum, und wir hatten zum Schluss hin keinen sehnlicheren Wunsch, als diese Lieder endlich fertig zu stellen und sie für uns abschließen zu können. Wir wollten unsere neuen Tracks endlich auf einer CD finden, unveränderbar und endgültig. Um uns anderen Dingen zu widmen, vor allem in unseren Köpfen. Nun ist es wieder vollbracht. Ein sehr schönes Gefühl, das ich immer wieder gerne spüre, welches aber auch immer wieder aufs Neue mit viel harter Arbeit und einer Unmenge an Stress verbunden ist.“

© Markus Eck, 22.06.2005

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