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Interview: CREMATORY
Titel: ZurĂźck von der Zeitreise

Den 2022er Frühling wussten sie mit dem Vorgängeralbum „Inglorious Darkness“ für die Gothic- und Melodic-Dark-Metal-Gilde um einiges bekräftigender werden zu lassen - nun melden sich die schwäbischen Genre-Pioniere nach Labelwechsel und sinnbildlicher Frischzellenkur zu vielem entschlossen zurück.

Mit im schweren künstlerischen Gepäck haben Crematory das 17. Studioalbum „Destination“, welches einen erzclever produzierten Mix aus musikalischen Stärken von mehr 30 Jahren Bandhistorie gekonnt ins Gehör hievt - inkl. top tanzbarer Electro-Querverweise! Also alles drauf, alles drin, alles dran, alles dabei - oder? Mitbegründer, Drummer, Manager, Sprachrohr, Arbeitstier und Szene-Original Markus Jüllich hat die gewohnt pfiffige Antwort parat:

„Aber ja, schließlich wollten wir es ja mal wieder genau so haben. Wir lieben es einfach immer noch aus ganzem Herzen, regelmäßig Musik zu machen, Platten zu veröffentlichen und auf Tour zu sein! Für uns ist es ein ‚professionelles Hobby‘, so wie andere Fußballspielen oder Marathonlaufen bspw. Für uns ist es eine Art Ventil aus dem Alltag, in dem wir alle unsere ‚normalen‘ Jobs, Familien etc. haben, wir fliehen damit sozusagen aus der Realität, hin zur Kreativität. Es fühlt sich für mich immer wieder aufs Neue einfach großartig an, mich musikalisch und künstlerisch auszudrücken - und unserem Sänger Felix geht es übrigens genauso mit seinen Songtexten! Wir machen das Ganze ja zum Glück, weil wir alle Bock darauf haben, und nicht, weil wir müssen.“

Wie der Namensvetter des Autoren mit sagenhafter Lässigkeit ausposaunt, hat er sogar schon wieder zwÜlf weitere neue Kompositionen fßrs nächste Album fertigkomponiert.

„Wir sind noch lange nicht fertig, wir haben als Band noch so viel zu sagen. Und solange uns die Leute noch hören bzw. sehen wollen, werden wir das alles auch weiterhin freudig machen.“

Apropos Freude: Sichtlich ambitioniert präsentierte sich kürzlich Markus’ Tochter auf Instagram, um „Destination“ mit einem kleinen feinen Video-Reel ebenso motiviert wie versiert zu bewerben - ganz der geschäftstüchtige Papa eben. Markus schmunzelt ansteckend verschmitzt mit:

„Die Bedingung von meiner Frau Katrin war ja damals, dass sie zwar schon sehr gerne als Keyboarderin bei Crematory weitermachen wolle, aber nur, wenn unsere Kinder dann aber auch immer dabei sein werden, egal, ob auf Touren etc. Und so haben wir es schließlich dann auch so gehandhabt, zu anfangs sogar gar nicht mal so selten mit Kindermädchen usw. Janina, die ‚Große‘ der beiden, sie ist jetzt 21, arbeitet bei mir im Versicherungsbüro mit, die Kleine hingegen macht eine Lehre bei der Volksbank - sie wird dann auch irgendwann bei mir im Geschäft einsteigen. Beide verkaufen bei Konzerten unser Merchandise, und das tun sie sehr erfolgreich. Insbesondere die Leute hier bei uns kennen meine Töchter schon vielfach, als sie noch als Kinder auf Bobbycars und später auf Rollschuhen durch die Locations vor unseren Gigs gezischt sind. Wir sind alle gemeinsam gewachsen, gealtert etc.“



Im Vorfeld des Album-Releases ließ Meister Jüllich musikmedial verlauten, dass „Destination“ nicht nur in Sachen Titelbedeutung eine klare thematische Richtung vorgibt. „Ich bin dahingehend immer wieder der Stratege, der sich vor dem Schaffensprozess zu einem weiteren Crematory-Album fokussiert hinsetzt und konzentriert überlegt, was man Originelles, Besonderes, aber auch Bewährtes usw. dazu ersinnen könnte. Und letztes Jahr kam ja ‚Nordic Gothic’, das Album des Projekts des Dark Tranquillity-Vokalisten Mikael Stanne raus, genannt Cemetery Skyline. Die Musik darauf ist komplett ‚back to roots, old style Gothic Metal‘, wie ich es benenne. Ich finde diese Platte echt hammergeil, sogar besser als Dark Tranquillity selbst und vieles andere aus ihrem Genre. Das löste in mir wieder das gute alte Feeling aus - also genau die richtige Mischung aus Gothic Metal und eben Melodic Death Metal. Daher entstanden für unser neues Album auch zwei härtere Nummern, welche dem entsprechend Rechnung tragen - kombiniert mit den elektronischen Elementen, die wir seit dem 200er Album ‚Revolution‘ bei uns haben.“



Und der aufgeweckte Schlagzeuger erinnert sich noch ganz genau: „Wir saßen auf dem Weg zum tschechischen Masters Of Rock Festival im Tourbus, und ich spielte meiner Band die CD von Cemetery Skyline vor, und alle fanden es sofort geil! Danach hatten wir einen 90er Gothic-Metal-Sampler laufen, mit traditionellen Bands wie Paradise Lost, Tiamat, Amorphis, Moonspell, The Gathering etc. im Player - auch Type O Negative waren zu hören! So entstand die Idee für unser neues Album - praktisch eine Art ‚Best Of‘, zusammengesetzt aus den Sachen von unseren 90er-Alben, wie ‚Illusions’ oder ‚Awake’, kombiniert mit modernen Sounds, also eben auch elektronischen Elementen wie sie auf ‚Revolution‘ oder ‚Antiserum‘ verwendet werden, und dazu noch Anklänge an unsere ersten beiden Scheiben, ‚Transmigration‘ und ‚...Just Dreaming’.“



Förderlich zu dieser konzipierten Direktive kam das neue Label, wie Markus bilanziert. „Wir nagelten mit ihnen nämlich nicht nur einen Deal fürs neue Werk fest, sondern ich verkaufte ihnen auch unseren gesamten Back-Katalog - da wird nach der Veröffentlichung von ‚Destination‘ vieles digital remastered und mit neuen Layouts wiederveröffentlicht als Vinyl, CD etc. Im Zuge meiner umfangreichen Vorbereitungsarbeiten dafür hatte ich mir eben auch vieles aus unseren alten Releases wieder mal angehört, was über die Jahre teils gar bei mir selbst in Vergessenheit geriet. Ich rede da von knapp 200 Songs, was ja eigentlich schon ein Wahnsinn ist! Ich ließ mich sozusagen von meinen eigenen alten Songs inspirieren - und zog dabei mit aller Erfahrung das jeweilig Beste raus. Ich ‚klaute eigentlich meine eigenen Ideen‘, wenn ich jetzt so drüber nachdenke und sinniere - und hier kommt nun also ‚Destination‘!“ [grinst spitzbübisch]



Dann schließt sich der gesprächige Kreis mit den zuvor erwähnten Type O Negative. „Als wir den erwähnten Sampler hörten, war auch der aktuell auf unserem neuen Album gecoverte Song ‚My Girlfriend’s Girlfriend‘ dabei, im Original auf deren 1996er Longplayer ‚October Rust‘, eigentlich ein eher untypischer Song von Peter Steele und Co., aber damals ein echter Hit. Da wir in den 90ern einige Festivals und Konzerte mit Type O spielten, entstand natürlich auch eine innige Freundschaft mit denen, auch bedingt durch einige wirklich geile Aftershow-Partys. Da Coverversionen bei uns seit jeher gut funktionierten wie bspw. ‚Temple Of Love‘ von Sisters Of Mercy oder Depeche Mode’s ‚Black Celebration‘, entschieden wir uns für besagten Type O-Song - letztlich auch, um unseren ganz persönlichen ‚Pete-Steele-Tribute’ zu entrichten. Wir machten die Nummer fünf Beats schneller, transformierten das typische Crematory-Feeling rein, drückten unseren individuellen Stempel drauf. Und wir waren uns schnell einig, dass, wenn wir das schon so umsetzten, dann sollte auch Michelle Darkness von End Of Green seine tiefe, rauchige Stimme, die der von Steele nicht ganz unähnlich ist, da als Co-Sänger mit Felix einbringen. Und Michelle war sofort begeistert dabei: Er machte extra für uns durch und sang seine Vocals in einer einzigen Nacht ein - am nächsten Morgen hatte ich alles bei mir auf dem Rechner!“

Š Markus Eck, 14.04.2025

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